Wieder genauso – Udo Lindenberg in der Olympiahalle (Bericht)

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Manche Künstler überzeugen neben ihrer künstlerischen Leistung auch vor allem durch eines: Beständigkeit. Und wer ist länger so beständig im Musikgeschäft und zieht durch die Republik im Namen des Rocks als Udo Lindenberg? Die Geschichten, die sich um ihn ranken, auch die historische Bedeutsamkeit – alles zahllos, alles unerreicht. Mit 75 Jahren hat er schon seit Jahrzehnten den Legendenstatus inne und wirkt immer noch so unkaputtbar wie in jungen Jahren. Das beweist nicht zuletzt seine aktuelle „Udopium“-Tour, die ihn am 5. Juli 2022 in die brechend volle und bis zum letzten Platz ausverkaufte Olympiahalle München führt.

Allerspätestens seit der Reinkarnation mit dem 2008er-Album „Stark wie Zwei“ läuft es wieder kometenhaft gut – die Arenen füllen sich von allein, sogar die Stadien packt der Alt-Rocker wieder. Das ist nicht abgebrochen über die Jahre, auch aufgrund des stetigen guten, neuen Song-Contents, den Lindenberg und sein Produktionsteam musikalisch auf die Fan-Scharen zulässt. Nun ist es also ein Best-Of geworden, „Udopium“, passend dazu ein paar neue Stücke, die allesamt sehr balladenhaft daherkommen, aber sich im Konzert dann doch gut einfügen. Den Startschuss um Punkt 20 Uhr macht aber erst einmal ein kurzer Film aus dem Weltall mit etwas fragwürdigen Animationen, bevor – wie bereits 2019 – aus einem projizierten Flugzeug allerlei Udo-Lookalikes herauskommen. Das Original schwebt von der Decke und legt gleich fleißig los mit „Honky Tonky Show“.

© Tine Acke

Die Zeichen stehen auf Gitarren, das wird relativ schnell klar. Wohl auch wenig verwerflich, denn niemand anderes als Udo Lindenberg war es damals, der die gerade erst so richtig aufkeimende Rock-Musik mit deutschen Texten spielen wollte. Dass das ja niemals klappen könnte, hat er damals sicherlich oft zu hören bekommen – aber seine Biografie spricht für sich, auch die Tatsache, dass im Jahr 2022 immer noch „Alles klar auf der Andrea Doria“, rund 50 Jahre nach Erscheinen des Titels, lautstark mitgesungen wird. Die Auswahl an Songs ist schier endlos, vor allem in den 70ern und 80ern entstanden unzählige Alben, mittlerweile hat sich die Wartezeit zu neuer Musik deutlich erhöht. Auf den Konzerten ist das zweitrangig: Lindenberg spielt ein gut durchgemischtes Best-Of aus all seinen Schaffensphasen, nimmt auch Stücke wie „Na und?!“ und „Vom Opfer zum Täter“ ins Programm, die sonst nicht allzu oft gespielt werden.

Musikalisch weiß vor allem das Panikorchester zu glänzen – gut abgemischt und mit ordentlich Druck werden die Stücke grandios performt, vollendet von Udos Stimme, der man zwar die Jahre mittlerweile anhört, aber die immer noch ein 150-minütiges Konzert schier problemlos durchhält und fraglos abliefert. Unterstützung bekommt er dabei auch wieder von drei Background-Sänger*innen, u.a. Deine Cousine und den weiterhin etwas fehlbesetzten Ole, der wie eine Mischung aus Kollegah und Jan Delay wirkt. Das passt zwar zur theatralen Performance, weniger aber zur musikalischen. Allgemein muss man sich die Frage stellen: was genau soll das eigentlich für ein Abend sein? Konzert? Show? Denn immer dann, wenn Tänzer*innen mit den wildesten Kostümen auftauchen und die Stimmung auch schnell mal in einen Kindergeburtstag kippen lassen, rutschen Musik und besonders die Texte drastisch in den Hintergrund und es bleibt ein recht unschlüssig dramaturgisches Konzept über, das final in „Candy Jane“ aufeinandertrifft, wenn alle Einlagen des Abends auf der Bühne kollidieren. Das ist humorvoll, das macht meistens auch Spaß, aber sorgt auch für einige Fremdscham-Momente und Fragezeichen.

Dabei wäre das ja alles gar nicht nötig, denn Udo Lindenberg alleine ist Performance genug. Seine Ansagen sind typisch durcheinander, aber charmant. Er ist eine lebende Koryphäe, die noch lange nicht vorhat, das zu ändern. „2046 sehen wir uns alle zu meinem 100. Geburtstag in der Olympiahalle“, jubelt er ins Mikrofon – und keinesfalls scherzhaft. Es ist sowieso beachtlich, in diesem Alter und mit diesem Lebensstil noch eine 150-minütige Show ohne jegliche Pause abzuliefern, die sich sogar durch einen technischen Defekt noch einmal verlängert. Doch auch wenn Udo dort kurz ein wenig verloren wirkt, so ganz ohne funktionierendes Mikrofon, beginnt er einfach auf der Bühne zu tanzen. Udo, du bist und bleibst eine lebende Legende, bis zum nächsten Mal!

Setlist: Woddy Woddy Wodka / Honky Tonky Show / Mein Ding / Cello / Durch die schweren Zeiten / Du knallst in mein Leben / Ich brech‘ die Herzen der stolzesten Frau’n (Heinz Rühmann cover) / Na und?! / Wozu sind Kriege da? / Wir ziehen in den Frieden / Rock’n’Roller / Vom Opfer zum Täter / Sie brauchen keinen Führer / Bunte Republik Deutschland / Kompass / Wieder genauso / Das Leben / Sternenreise / Horizont / Jonny Controlletti / Sonderzug nach Pankow / Alles klar auf der Andrea Doria / Candy Jane / Reeperbahn / Eldorado / Goodbye Sailor / Odyssee

Bericht: Ludwig Stadler