Ungewöhnlicher Besuch in der Waldbühne Berlin: Auf eine der bekanntesten und vielleicht idyllischsten Open-Air-Locations Europas, die auch gerne von Orchestern und Schlagerkünstlern bespielt wird, gastiert an diesem Montag, 23. Juni 2025, niemand geringeres als Slipknot. Die fraglos zu den größten Metal-Gruppen der Welt gehörende Band aus Amerika steht für geordnetes Chaos, Eskalation, knüppelharte Riffs und rasende Geschwindigkeit – alles Tribute, die man der zum Großteil bestuhlten Waldbühne nicht zuschreibt. So wandert man gespannten Mutes bei äußerst windigem Wetter gen Veranstaltungsort, auch, um zuvor bereits Polaris und Soft Play zu bestaunen.
Gerade Soft Play beginnen bereits um 17:45 Uhr und präsentieren ihre Definition von Hardcore-Punk zu einer Uhrzeit, in der manche noch nicht mal Feierabend im Büro machen können. Ihr schrabblig-unkoordinierter Sound, der rougher und roher kaum sein könnte, passt allerdings bestens zum stürmischen Wetter. Mittlerweile ist der Großteil des Publikums mit Regenponchos der Waldbühne (zum sportlichen Preis von 4€) ausgestattet, hält sich aber noch im Sicherheitsabstand unter den Bäumen und weniger auf den Sitzplätzen. Lediglich ein Teil des Stehpublikums strotzt dem Unwetter, das später noch das gesamte Verkehrsnetz lahmlegen wird, und lässt sich zu ersten Aktionen motivieren. Eine schwierige Situation mit einer klanglich schwierigen Band, dennoch haben alle das Beste daraus gemacht.

Polaris haben es da um 18:45 Uhr deutlich einfacher, die Sonne kommt heraus und damit auch das Publikum aus ihren wetterfesten Verstecken. Zum Glück, denn die Australier sind eine wahre Live-Macht, was sie mit ihrem 45-minütigen Set in der Waldbühne ein weiteres Mal demonstrieren. Ehrlich beeindruckt von der Location und der Möglichkeit, ihre Helden supporten zu dürfen, haben sie scheinbar auch ihre Setlist angepasst, indem man ausschließlich auf harte und treibende Songs setzt. Das zeigt Wirkung: Moshpits, Circle Pits, Bewegung. Man kann sich schwerlich eine stärkere Vorband für Slipknot vorstellen. Umso bedauerlicher daher ihr letzter Song „Inhumane“ um 19:30 Uhr.
Setlist: Nightmare / All Of This Is Fleeting / The Remedy / Masochist / Dissipate / Overflow / Hypermania / Lucid / Inhumane
Die folgende Umbaupause zieht sich, was in Anbetracht der Produktion wenig verwunderlich ist, denn besonders für die eigenwilligen Verhältnisse der Waldbühne fahren Slipknot durch Bühnenaufbauten und einer riesigen Lichtshow das Maximum auf – selbst wenn ihre LED-Wand gar nicht hinpasst, stattdessen prangt ein riesiger Backdrop mit ihrem Logo an der Rückseite. Doch selbst stripped down sorgt das Kollektiv für Eskalation, was sicherlich auch an ihrem Opening um 20:15 Uhr liegt: „(sic)“, „People = Shit“ und „Gematria (The Killing Name)“. Wer nach dieser dreifachen Ansammlung an Album-Opener nicht wach und motiviert ist, ist bei der falschen Veranstaltung zu Gast. So startet man ein Konzert!

Natürlich kommt die treibende und harte Musik der achtköpfigen (Nr. 9, Clown, ist wegen eines familiären Notfalls in Amerika geblieben) Band ihrer Live-Wirkung sehr zugute, dazu gesellt sich die ikonische Maskierung, ihre Overalls und die anfangs kontroverse, aber hörbar geniale Entscheidung, Eloy Casagrande am Schlagzeug zu verpflichten. Der Brasilianer prescht akkurat und kräftig auf die Trommeln, dass es manchmal mit der Präzision eines Maschinengewehrs aus den Boxen knallt. Gepaart mit der bestens aufgelegten Live-Stimme von Corey Taylor und einem astreinen Gitarren-Sound, findet sich eine Kombination, die schwerlich zu übertreffen ist. Auch die Setlist ist eine gelungene Mischung aus Hits wie „Psychosocial“ und „Duality“, aber auch „Nero Forte“ und „Scissors“, mit dem die Band nach rund 90 Minuten den Sommerabend, mittlerweile sturmfrei, abschließt. Slipknot in der Waldbühne? Passt bestens!
Setlist: (sic) / People = Shit / Gematria (The Killing Name) / Wait And Bleed / Nero Forte / Yen / Psychosocial / The Heretic Anthem / The Devil In I / Unsainted / Duality – Zugaben: Spit It Out / Surfacing / Scissors
Bericht: Ludwig Stadler
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