Rambo und Yoda – „Fack ju Göhte – Se Mjusicäl“ im Werk7

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Zurecht hat man sich gefragt, warum denn Stage Entertainment kein Theater in München eröffnet. Während die nächstgrößere Stadt Deutschlands, Hamburg, gleich mehrere erfolgreiche Theater etabliert hat, bleibt das bayerische Bundesland inklusive Hauptstadt unbespielt. Natürlich gibt es mit z.B. dem Deutschen Theater und dem Gärtnerplatztheater Anlaufstellen für Musicals, aber kein reines, typisches Musical-Theater. Das sollte sich nun bereits zum Jahresbeginn 2018 ändern: das Werk7 am Ostbahnhof, Teil des neuen Werksviertel Mitte, Münchens erstes Stage-Theater, öffnete regulär am 19. Januar mit den ersten Previews und nun ganz offiziell seine Pforten mit der Uraufführung und Premiere von „Fack ju Göhte – Se Mjusicäl“ am 21. Januar 2018.

Zugegeben, so richtig konnte man sich das nicht vorstellen, was einen erwarten würde, denn wie sollte man die flotte und erfolgreiche Komödie in Musical-Form bringen? Doch bereits beim Betreten des Werk7-Theaters wurde die Antwort präsentiert: indem man einfach alles anders macht. Nein, Glamour oder gar große Polstersitze sucht man lange – das ehemalige Kartoffellager wurde clever und ansprechend im Stil eines gemütlichen Off-Broadway-Theaters gestaltet. Dabei ist die gesamte Sitzausrichtung komplett im Stück integriert und vollkommen auf das Musical zugeschnitten, denn auf jedem (!) Platz hat man eine wunderbare Sicht auf die 180°-Bühne. Allgemein erinnert das Theater an die Turnhalle der Schule, denn auch die, überraschenderweise recht gemütlichen, Plastikstühle sind in diesem Stil gestaltet; dennoch fühlt man sich durchgehend wohl und findet eine schöne Alternative zu den restlichen Hochglanz-Theatern in München.

Dass dieses Musical grundlegend einen anderen Ansatz verfolgt, zeigt sich allein schon an der Tatsache, dass die Schauspieler bereits vor Beginn im Publikum und auf der Bühne herumturnen und hier und da Bemerkungen den Gästen entgegenwerfen. Auch gibt es keine erhöhte Bühne – die erste Reihe sitzt direkt vor den Darstellern, und auch allgemein ist man vollkommen im Geschehen, zwangsläufig auch der Intimität des zwar ziemlich sitzplatzreichen, aber dabei recht kleinen Theaters geschuldet. Genau dieser Interaktivität, diesem Flair, muss man sich hingeben. Dabei sollte man bestenfalls alle Erwartungen auf Bühnenwerke im Stil von Klassikern wie „Elisabeth“ oder „Tanz der Vampire“ komplett vergessen und sich lieber auf eine ganz neue Erfahrung einlassen. Denn wenn man genau das tut, darf man wohl eines der mitreißendsten und fantastischsten Shows betrachten, die das Musical-Genre jemals gesehen hat.

Das Bühnenbild bleibt konstant, auf große Wechsel wird verzichtet. Die kleinen, aber effektvollen Elemente werden von den Darstellern herein- und herausgetragen. Dabei erzielen aber genauso kleine Effekte wie leuchtende Reifen, die herumgeschwungen werden, einen viel größeren Effekt wie mancher aufwendiger Kulissenwechsel von den üblichen Musicals. Im Gesamten befinden sich die Choreografien auf einem so hohen Niveau, dass man des Öfteren zurecht schmunzeln darf, wie intensiv und hart die Probenphase dazu wohl gewesen sein muss – fast durchgehend sind alle Darsteller auf der Bühne, übernehmen mehrere Rollen, sind immer aktiv und erzielen dabei Höchstleistungen. Völlig egal, ob Max Hemmersdorfer als wunderbar rotziger Zeki Müller, Johanna Spantzel als liebenswürdige „Korinthenkackerin“ Lisi Schnabelstedt oder Lukas Sandmann als trotziger Möchtegern-Gangster Danger – das gesamte Ensemble agiert auf immens hohem Niveau, gesanglich als auch vor allem schauspielerisch. Einzig und allein die etwas eigenständigere Entwicklung der Charaktere wäre erfreulich gewesen.

Das ist auch die einzige Stolperstelle von „Se Mjusicäl“: es spielt de facto nur die Story des ersten Teiles herunter und klaut sich etwas zu viele Dialoge. Für eine Bühnenfassung hätten es ruhig einige mehr überraschende Szenen-Einschübe sein dürfen. Dennoch schafft es das Musical, im Gegensatz zum wesentlich kürzeren Film, nicht zu einer einzigen Sekunde zu langweilen, sondern durchgehend zu fesseln.
Und dabei werden die Extrema bis ins kleinste Detail ausgekostet. Einer Umarmung mit leiser Piano-Begleitung werden gut und gerne mal eine Minute gespendet – bei anderen Musicals undenkbar, dabei so möglich wie auch nötig, denn während die Szenen manchmal im Minutentakt wechseln, sind genau solche Momente Möglichkeiten, die Charaktere aufzubauen. Und das gelingt, wesentlich besser als im Film.

Der absolute Höhepunkt: die Aufführung der „Julia & Romeo“ in der eigenwilligen Fassung der Klasse 10B. Bereits im Film ein kleines Highlight, wird hier aus den Vollen geschöpft und einfach mal die Vollversion präsentiert. Fantastisch.
Ja, es ist nicht die übliche Orchester-Musik, sondern moderne Musik mit viel Electro- und Hip-Hop-Einfluss, die von einer tollen Band etwas versteckt im Hintergrund live gespielt wird. Dennoch bleiben die Lieder absolut im Ohr, das Ensemble ist gefordert und die Sheets sind mitreißend, genauso wie die gesamte Inszenierung.

Wenn man fähig ist, sich auf Neues einzustellen und bestenfalls ohne große Vorstellungen in die Aufführung von „Fack ju Göhte – Se Mjusicäl“ geht, erlebt man einen grandiosen Theaterabend der etwas anderen Art, der oftmals mit frechen, derben Witzen zum Lachen, aber vor allem dank der Choreografien und grandiosen Darstellern zum Staunen bringt. Unbedingt anschauen, wenn möglich!

Bericht: Ludwig Stadler

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