Es ist ein Fluch und Segen zugleich, wenn eine Band einen bekannten TV- und/oder Kinodarsteller innehat. Einerseits dürfte der Bekanntheitsgrad rapide steigen, andererseits verrutscht der Fokus weg von der Musik, zudem oft die Musik erst nach der bereits erfolgreichen Filmkarriere folgt. Bei Wallows ist das etwas anders: die drei Jungs aus Los Angeles spielen bereits seit Highschool-Tagen miteinander und haben nie damit aufgehört – auch nicht, als Sänger Dylan Minnette durch seine Hauptrolle in „Tote Mädchen lügen nicht“ zum Star avancierte. 2023 begeben sich Wallows nun auf die erste ausgedehnte Europa-Tour und beehren damit auch am 27. Januar 2023 die Muffathalle. Wie zu erwarten: ausverkauft.
Das Publikum setzt sich wild zusammen aus Indie-Fans, den Hardcore-Wallows-Jüngerinnen in den ersten Reihen, ein paar Musikinteressierten und nicht wenigen, die einfach nur daran interessiert sich, Minnette einmal in echt zu sehen. Und da der Sänger auch nicht gerade mit schlechten Genen glänzt, liegt der Frauenanteil bei mindestens 90%. Bevor es soweit ist, eröffnet aber MAY-A um 20:15 Uhr den Abend. Die australische Sängerin kommt mit einer All-Female-Band auf die Bühne und hisst gleich zu Beginn die Fahne des modernen Indie-Rocks. Was den Abend eint: der Fokus liegt nicht, wie zumeist mittlerweile üblich, auf Indie, sondern auf Rock – die Gitarren sind aufgedreht, das Schlagzeug trümmert, das Bass ist prägnant. Rein musikalisch dauert es aber, bis man in den Songs der Sängerin genug Eigenständigkeit entdeckt, dass man da auch wirklich etwas abgewinnen kann – dazu trägt aber sicherlich das Lied „Central Station“ bei, welches nachhaltig im Kopf bleibt, so gelungen ist diese Nummer. Die Künstlerin aus Sydney weiß sich in jedem Fall sympathisch zu verkaufen, betont die Bedeutung der Akzeptanz einer queeren Sexualität (Jubel, auch wenn es auf die wenigsten im Publikum zutreffen dürfte) und verlässt nach angenehmen 35 Minuten wieder die Bühne. Viel Applaus – zurecht, toller Auftritt!
Setlist: Your Funeral / Time I Love To Waste / Swing Of Things / Apricots / Central Station / I Want You / Sweat You Out My System / Say Nothing
Es dauert ein wenig, bis sich das Saallicht abermals verdunkelt – erst um 21:20 Uhr ertönen die ersten Kontrabassschläge von „Hard To Believe“, dem folgend auch Wallow einschließlich ihrer drei unterstützenden Live-Musiker. So entsteht bereits beim mächtigen Opener ein starker Sound – kein Wunder, sechs talentierte Instrumentalisten und stark komponierte Songs, alle gekoppelt in der akustisch wohl stärksten Location Münchens, das zusammen ergibt ein absolutes Match – und das hört man in jeder Sekunde. Arg viel Pausen nehmen sich die Jungs zusätzlich nicht – es geht Schlag auf Schlag und Song auf Song: „I Don’t Want To Talk“, „These Days“, „Especially You“. Dabei setzen die ersten Reihen, allesamt mit bunten Partyhütchen bekleidet, mehrfach ein Happy Birthday für Gitarrist und Sänger Braeden Lemasters an, der am Konzerttag seinen Jubeltag feiert, aber bis der ganze Saal endlich das Ständchen singen kann, vergehen einige Lieder. Die Freunde ist groß und zieht die Energie ein paar Lieder noch einmal deutlich an, besonders bei den alten Nummern: „Pleaser“ und „Sun Tan“.
Doch während der vordere Publikumsblock fleißig mitsingt und deutliches Interesse an der Musik hat, wird schnell klar, dass viele einfach nur versuchen, gute Bilder von Frontmann Minnette zu schießen. Das tut der Stimmung ein wenig Abbruch und hat die Band auch absolut nicht verdient, denn ihr Indie-Rock ist frisch, innovativ und dennoch so organisch, dass er sich mit den großen Namen wie The Killers und The Strokes vergleichen darf. Wenn der Fokus nun also etwas weg von der Bekanntheit des Frontmanns hin zu der Qualität der Musik rutscht, dürfte auch einer nachhaltigen Karriere absolut nichts im Wege stehen – die Qualitäten sind fraglos vorhanden. Etwa in der Mitte des Sets wechseln alle Musiker auch Positionen, Minnette wechselt an die Drums, Cole Preston wiederum ans Mikro, um „Quarterback“ zum Besten zu geben. Doch mit der Geschwindigkeit ihres Sets schwindet auch die Zeit schnell dahin. Am Ende wurden doch beachtliche 20 Songs gespielt, aber nach knapp 80 Minuten und dem größten Hit „Are You Bored Yet?“ ist Schluss. Man könne gar nicht darauf warten zurückzukommen, sagt Minnette zum Schluss, und lächelt. Die Premiere in München ist gelungen. Fast ein wenig schade, dass Wallows beim nächsten Mal wohl deutlich größer spielen werden.
Setlist: Hard To Believe / I Don’t Want To Talk / These Days / Especially You / Pleaser / Marvelous / Sun Tan / Quarterback / OK / Wish Me Luck / Pictures Of Girls / Hurts Me / 1980s Horror Film II / At The End Of The Day / Only Friend / Scrawny / Just Like A Movie / Remember When / Guitar Romantic Search Adventure – Zugabe: Are You Bored Yet?
Bericht: Ludwig Stadler