Von Tokio ins Olympiastadion – „Opening Ceremony“ der Kammerspiele (Kritik)

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„Zum Ende eine Eröffnung“ – so beschreiben die Münchner Kammerspiele das außergewöhnliche Event „Opening Ceremony“, das zum Ende der Lilienthal-Intendanz am Wochenende im Münchner Olympiastadion stattfand. Eigentlich war ja viel mehr geplant als eine einstündige Vorstellung; 24 Stunden lang sollte die Verabschiedung sein, doch leider kam Corona am Ende aller Planung dazwischen, und so musste man sich etwas anderes überlegen und hat Toshiki Okada, einen der bekannten Regisseure der Kammerspiele der letzten fünf Jahre, von Japan nach Deutschland geholt. Fünf Tage Zeit hatte er, um mit dem Ensemble etwas neues (oder altes?) zu produzieren – und das hat sich gelohnt.

© Julian Baumann

Bevor aber über die Aufführung gesprochen werden kann, müssen ein paar Worte über die Location verloren werden. Das Münchner Olympiastadion ist eines der Wahrzeichen der Stadt und, außerhalb von Corona, häufig genutzt für Konzerte und Events aller Art. Nun stand es aber lange leer, und auch am Wochenende konnte es nicht gefüllt werden; nur 400 Personen durften kommen und das Motto lautete: Sicherheitsabstand! Zumindest eine Maske musste nicht getragen werden. Trotz dieser eher unschönen Situation strahlte die Umgebung einen gewissen Reiz aus: die halbleeren Tribünen, die großen Rasenflächen, die alten Sitze; alles strahlte eine gewisse Atmosphäre aus, welche man später auch zu nutzen wusste. Zum Glück wurde das Wetter gegen Mitte der Vorstellung auch noch deutlich besser, was allem noch einen strahlenden Touch gab. Grundsätzlich lässt sich aber sagen: Die Location war hervorragend gewählt und auch sehr gut in das Stück eingebracht.

© Julian Baumann

Dieses nämlich zu beschreiben stellt sich als recht schwierig heraus. An sich geht es um ein, wie es genannt wird, „globales Event“- ohne lange nachzudenken lassen sich hier klare Parallelen zu den verschobenen Olympischen Spielen in Tokio ziehen. Was nun mit diesem globalen Event passieren soll, ist unklar; die Schauspieler, die im ersten Teil des Stücks in die Rollen von Rasenpflegern schlüpfen, unterhalten sich dabei über die unterschiedlichen Möglichkeiten und Informationen. Das Gespräch ist aber kein normales; viel mehr wirkt es, als würde man die Kommentare in einem sozialen Netzwerk lesen; so kommen die Figuren von einem Thema ins andere, werfen sich gegenseitig Unterstellungen an den Kopf, und doch weiß am Ende keiner Weiter. Eine weitere wichtige Person des Stücks ist Mario, der einem gewissen Spiele-Klempner nachempfunden ist, ein Politiker, der unbedingt will, dass das globale Event stattfindet, wie auch immer das in Zeiten von Corona möglich sein soll.

Schließlich geht das Stück, mit dem Plan von einem der Arbeiter, überall im Stadion Klee zu sähen, in einen zweiten Teil über. Jetzt spricht der Rasen im Olympiastadion, nachdem der Klee des Wachsen begonnen hat. Das ganze rückt nun stark in eine Metaperspektive; es wird über Vögel und Samen gesprochen, über Blumenvielfalt, und warum all das nur im Olympiastadion funktioniert, nicht aber in der deutlich verschlossenen Allianz-Arena; es wird darüber gesprochen, dass jedes Ende auch immer als neuer Anfang zelebriert wird, besonders vom Publikum; und das ein globales Event auch in Zeiten von Corona stattfinden kann, wenn man sich nur genug Mühe gibt.

So plötzlich wie es angefangen hat, endet das Event dann auch wieder. Vielleicht kein globales Event, oder ist eine Stadt wie München sowieso schon global? Es ist kein großer Abschied, aber der größtmögliche, kein 24-stündiger, aber ein würdiger. Und eine Hoffnung in diesen Zeiten, dass der Kulturbetrieb doch wieder beginnen kann.

Kritik: Cedric Lipsdorf