Nowhere, Now Here – Mono im Strom (Konzertbericht)

Es ist ein ungewöhnliches Trio, das heute, am 29. April im Strom auftritt: Da ist Solo-Cellistin Jo Quail, die ihr Instrument in Kleinstelemente dekonstruiert, um selbige dann mittels Loop- und Effekt-Maschinerie zu einem ganzen Orchester zusammenzufügen, da ist das norwegische Noise-Projekt Årabrot, das erst kürzlich mit seiner Adaption des Nibelungenstoffes von sich reden machte, da sind zuletzt und vor allem Mono. Extrem laut und unglaublich schön ist seit 20 Jahren die Devise der Band aus Japan. Und besonders heute werden Mono unter Beweis stellen, dass sie die rohe, physische Seite ihrer Musik nach wie vor hochhalten.

Der Kartenvorverkauf lief wohl eher schleppend, denn der rückwärtige Teil des Strom ist heute abgesperrt, zwischen Eingang und Bühne wird es schließlich jedoch angenehm und unfragwürdig voll, wofür sich Jo Quail herzlich bedankt; die Cellistin aus London bekommt anerkennenden Beifall für ihr sympathisches, drei Songs starkes Set. Wer elektronisch verstärkt spielt, braucht keinen Resonanzkörper, folgerichtig besteht Quails Cello aus wenig mehr als den Saiten und einem angedeuteten hölzernen Gerippe. Ähnlich minimalistisch und unkonventionell lässt sich ihre Musik an: Schläge mit der flachen Hand auf die Saiten werden gelooped zu komplexen Beats, mit dem Bogen entlockt die Musikerin ihrem Instrument seine typischen Klänge, doch auch verhalltes Flüstern oder kreischende Verzerrung sind im Programm. Irgendwo zwischen Agnes Obel und Om liegen ihre repetitiv-melodischen Stücke; vor allem die beiden ersten, „White Salt Stag“ und „Gold“ leiden ein wenig am typischen Mangel von Solokünstlern mit Loopstation: Einer letztlich zu vorhersehbaren, linearen Dynamik, sowie, für den Live-Zuschauer, Ablenkung durch die scheinbar ständig störungsbedrohte Technik. Mit ihrem letzten Song, „Mandrel Cantus“ gelingt es Quail jedoch, sich von all dem freizuschwimmen, sie verabschiedet sich, doch nicht auf lange, denn sowohl Årabrot als auch Mono greifen auf die Cellistin zurück.

Setlist: White Salt Stag / Gold / Mandrel Cantus

Es ist noch nicht lang her, da gastierten Årabrot im Vorprogramm von The Ocean im Strom, und damals wie heute überzeugt die Band voll und ganz – und wirkt doch wiederum leicht deplatziert. Die Band von Kjetil Nernes (Gesang, Gitarre) tritt heute in abgespeckter Form ohne Karin Park am Keyboard auf und präsentiert vor allem Songs vom aktuellen, ‚regulären‘ Album „Who Do You Love?“, sowie dem hochgelobten Vorgänger „The Gospel“. Nernes erscheint wie gewohnt als dürrer Cowboy mit Hosenträgern und breitkrempigem Hut. Sein enigmatisches Auftreten und die Musik, die man vielleicht mit Live-Queens of the Stone Age zur „Songs for the Deaf“-Zeit vergleichen könnte, die ernsthaft, intelligent und brutal ist, sich jeder blutleeren Andacht entzieht, stößt bei Teilen des Publikums anscheinend eher auf Unverständnis als Gegenliebe.

Setlist: The Gospel / And The Whore Is The City / Maldoror’s Love / The Dome / Pygmalion / Sinnerman / The Horns of the Devil Grow / Story of lot

Um zehn Uhr ist es schließlich soweit, Mono nehmen Aufstellung bzw. Platz: Denn die beiden Gitarristen Takaakira „Taka“ Goto und Hideki „Yoda“ Suematsu bestreiten das Konzert wie gewöhnlich sitzend, Bassistin Tamaki Kunishi bildet das stehende Zentrum. Den ruhigen Einspieler unterbricht die Band tosend mit „After You Comes The Flood“ vom neuen Album „Nowhere Now Here“. Hier wird deutlich, dass Mono weit davon entfernt sind, sich in eskapistische Postrock-Bukolik zurückzuziehen, dass sie noch immer dem radikalen Ansatz ihrer Anfangstage nahestehen, der solche Gestalten wie die Nordic Giants und Konsorten mit Kraft hinwegfegen. Dass sie auch leisetreten können, stellen die Japaner natürlich dennoch unter Beweis, wohlgemerkt nicht durch überlanges Aufbauen der Stücke bis zum letztlichen Ausbruch, sondern ausgelagert, in das Shoegaze-hafte, schleichende „Breathe“, wo Bassistin Tamaki Kunishi zum ersten Mal in der Bandgeschichte ihren Gesang hören lässt.

Großes Hallo erfahren natürlich Klassiker wie das finale „Ashes in the Snow“, allgemein jedoch erweisen sich Mono als zu konsistent und zu konservativ, als dass das Konzert trotz Konzentration auf „Nowhere Now Here“ bedeutende Bruchlinien zeigen würde. Als Zugabe gibt es etwas Besonderes: Das lange, intensive „Com(?)“ von Monos zweitem Album „One Step More and You Die“.

Setlist: After You Comes the Flood / Death in Rebirth / Nowhere, Now Here / Breathe / Sorrow / Meet Us Where The Night Ends / Halcyon (Beautiful Days) / Ashes in the Snow – Zugabe: Com(?)

Bericht: Tobias Jehle