„Metal is back, Baby!“ oder so ähnlich könnte die Überschrift dieses Textes lauten, wird sie aber nicht, weil der Chefredakteur diese bestimmt (Anm. Chefredakteur: Ha, damit haben Sie nun wahrlich nicht gerechnet, Herr Preißler!) Dennoch ist der Titel äußerst treffend, da sich am 10. Juli 2021 im beinahe ausverkaufen Backstage Werk die Münchner Metalcore Heroen May The Tempest, Resist The Ocean als perfekte Nürnberger Ergänzung und Newcomer Order 46 die Klinke in die Hand geben, um nach langer Breakdown-Abstinenz endlich wieder die Dezibel-Keule auf die bayerische Landeshauptstadt niederfahren zu lassen. Was für ein Abend.
Aber genug der vorweggenommenen Begeisterung, denn Order 46 müssen ihren Job noch machen. Pünktlich um 20:00 Uhr geht’s mit „Icons“ los, und oh boi, steht da viel Potential auf der Bühne. Fünf sichtlich erfahrene Bühnenhengste, die zwar noch nicht wirklich in ihrer Performance abgestimmt sind, aber mehr Bock mitbringen als der Sportlehrer im Unterricht fürs Bockspringen. Auch wenn die Rap-Parts noch ein wenig schwach auf der Brust sind und der Sound eher nach Kartoffelsuppe als Kroketten klingt, sind es genau solche Gigs mit solcher Energie, mit denen Bands wie The Ghost Inside und Parkway Drive angefangen haben.
Setlist: Icons / The Quest / Blind Obedience / Farewell / Torch / Modern Man Slavery
Punkt 2 von dem 3-Punkte-Plan an diesem Abend sind Resist The Ocean, welche man bisher unter anderem auf winzigen Festivals wie dem Rockavaria sehen konnte. No big deal. Die Bestätigung, dass das grade eben Sarkasmus war, liefern die Jungs an diesem Abend durchgängig mit Songwriting auf Weltklasse-Niveau, Publikumsinteraktion und einer On-Poin- Performance der Songs ab. Nach circa 30 Minuten allerdings fangen die Shouts des Sängers an, recht eindimensional zu wirken. Auch wenn das Erlebnis dadurch ein bisschen getrübt ist, tut das nichts zur Qualität und Zukunftspotential der Band. Um noch eine Nahrungsmittelmetapher zu bringen: Man stelle sich vor, die letzten 20% seines perfekt gegrillten Tomahawk-Steaks müsse man mit Bratensoße essen. Immer noch sackteuer und megageil.
Setlist: Semper Fi / Oceanlung / Handcarved Coffins / Black Rust / Dreamwalker / A Story, A Life, A Tragedy / The Last Of Our Kind / Ambers / Long Road Home / Heart Of The Oak
Trommelwirbel el grande – Finale: May The Tempest. Mit neuem Album im Gepäck und einer riesigen Portion Erfahrung, Equipment und Energie liefert die Band ein Rundum-Sorglos-Modern-Metalcore-Paket ab. Dass May The Tempest das nächste Level auf der mittlerweile deutlich geschrumpften Metal-Leiter erreichen wollen, lässt sich in allen Elementen der Show finden: Großartige Stilfindung auf dem Album und konsequente Umsetzung der musikalischen Ziele, eine eigene Lichtshow (die sich gewaschen hat), Performance- und Spielsicherheit, soweit das in dieser Situation möglich ist, und eine Bühne, die so wirkt, als hätte die Band noch nie auf einer kleineren gespielt.
Es gibt nicht viele Bands, die gleichzeitig Stimmungsbomben wie schottische Fußballfans sind und es schaffen, doch eine dem neuen Album angemessene Ernsthaftigkeit im Laufe der 60 Minuten Show zu vermischen, ohne dass eine Seite dabei untergeht. Wenn May The Tempest jetzt den Drive des Albums und der Selbstfindung nutzen, um Vollgas zu geben, dann werden nur die Epileptiker als potenzielle Zielgruppe den Konzerten fernbleiben.
Setlist: Gravity / Vacant / Vanity / Nowhere / Ghost / Clouds / Unity / Infinite / Different / Monotony / Farewell / Towards The Crowned / Endure / Unspoken Argument
Bericht: Jakob Preißler