Rock’n’Roll-Rebellion in der Nachkriegszeit – „Ku’damm 59 – Das Musical“ im Theater des Westens Berlin (Bericht)

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Es geht zurück in die 50er-Jahre in Berlin! Als die Musical-Adaption des Fernseherfolgs „Ku’damm 56 – Das Musical“ im Dezember 2021 Premiere feierte, waren die Blicke gespannt und die Erwartungen durchaus groß. Denn wenn sich Erfolgsautorin Annette Hess und das Komponisten-Duo Peter Plate und Ulf Leo Sommer, bekannt für die Hits von u.a. Rosenstolz, zusammentun, ist die Basis erst einmal vielversprechend. Was dann kam, hat aber wohl niemand gesehen: ein waschechter Musical-Hit! Das Theater des Westens war stets rappelvoll, die Berliner und bald auch die restliche Republik hat sich in Lieder und Inszenierung verliebt. Nun hat am 5. Mai 2024 das Unvermeidbare stattgefunden: die Premiere zum Fortsetzungsmusical „Ku’damm 59 – Das Musical“!

© Sunstroem

Die Frage ist natürlich: Wie geht man nun vor? Belässt man alles beim Alten? Macht man alles neu? Es wurde der Mittelweg: Stilistik, viele Darsteller*innen und musikalischer Weg bleiben gleich, aber sowohl Bühnenbild und dessen Funktion als auch alle Songs wurden völlig neu gemacht. Trotz mittlerweile bekannten Stücken wie „Monika“ und „Berlin, Berlin“ verlässt man sich nicht auf den Vorgänger-Score und bemüht sich, wieder neue, ohrwurmlastige Lieder zu finden. Das gelingt in der Einprägsamkeit zwar nicht ganz so gut wie beim ersten Teil, aber „Marie läuft Amok“ und „Showbetrieb“ sind am Ende doch Melodien, die sich tief in den Gehörgang fressen. Insgesamt ist die Musik auch wieder passend, abwechslungsreich, etwas mehr fokussiert auf höhere Töne und weiß fraglos zu gefallen. Einzig textlich wiederholt man sich doch etwas zu phrasenhaft, besonders in der zweiten Hälfte.

Die Vorlage ist klar: der TV-Dreiteiler „Ku’damm 59“. Sportlich ist es allemal, die Handlung von 270 TV-Minuten in ein rund 130-minütiges Musical zu quetschen. Also entscheidet man sich, deutlicher als noch bei Teil 1, für eine Episodengeschichte, lässt sehr viele Entwicklungen parallel verlaufen und springt teils im Halbminuten-Takt von einer Storyline zur nächsten. Um hier mitzukommen, ist absolute Konzentration erforderlich, denn die relevantesten Infos kommen gern nur kurz und knapp und sehr beiläufig, während relativ minimalen Veränderungen dagegen auch mal sehr viel Raum eingeräumt wird. Das Ungleichgewicht in der Handlungsentwicklung wird aber erst im zweiten Teil störend, denn die stetigen Wechsel ohne richtigen Fokus-Punkt lassen einige Längen entstehen. Dagegen gesteuert wird dafür aber mit starken Gesangsperformances in den letzten 40 Minuten.

© Jörn Hartmann

Am Ende lebt „Ku’damm 59 – Das Musical“ aber vor allem von einer Sache: dem Cast. Hier wurde wieder ein feines Händchen bewiesen, sei es mit dem Halten einiger bereits bekannter Gesichter aus dem Vorgänger-Musical und der gelungenen Nachbesetzung in den restlichen Rollen. Besonders Celina dos Santos, die gesanglich und schauspielerisch die Hauptrolle der Monika nicht nur würdig ausfüllt, sondern ihr so viele Aspekte schenkt, dass man ihrem Charisma kaum entkommen kann. Besonders deutlich wird das im Zusammenspiel mit Tobias Joch als Joachim Franck – die Chemie zwischen beiden Parteien ist unausweichlich stark. Die dankbarste Rolle wird Steffi Irmen mit der Regisseurin Christa Moser zuteil. Das Temperament und die Bühnenpräsenz für diese doch recht ruppige Rolle bringt sie bestens mit und bleibt dem Publikum sicher in Erinnerung. Die stärkste Leistung des Abends liefert aber Isabel Waltsgott als Eva des Schöllack-Schwesterngespann. Ihr Spiel ist fein und authentisch, ihre Songs füllt sie beachtlich aus und holt aus der Entwicklung ihrer Figur das Maximale auf der Bühne heraus. Chapeau!

© Sunstroem

Insgesamt ist mit „Ku’damm 59 – Das Musical“ ein zweiter Musical-Teil gelungen, der musikalisch den Weg passend weitergeht und Fans des Vorgängers sicherlich mehr als zufriedenstellt. Zwar entkommt das Stück, besonders im zweiten Akt, nicht einigen Längen und auch die Einprägsamkeit der Lieder hat nicht ganz das gleiche Niveau wie bei „Ku’damm 56 – Das Musical“, aber am Ende bleibt ein unterhaltsamer Musical-Abend mit der vollen Bandbreite der Emotionen.

Bericht: Ludwig Stadler

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