Everyday Is Like Sunday – Morrissey im Zenith (Bericht)

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Zuletzt war Morrissey eher aus politischen Gründen in den Nachrichten: Als Brexit-Befürworter, ewiger Streithahn mit Robert Smith von The Cure und mit einigen weiteren fragwürdigen Statements hat er einmal mehr seinem Ruf zugesetzt. Der ehemalige Frontmann der legendären Smiths ist aber in erster Linie Musiker, auch wenn sein Foto wahrscheinlich in so mancher Enzyklopedia neben dem Wort Diva zu finden ist. So ist er diesen Sommer in Europa auf Tour, inklusive einem Halt am 30. Juni 2025 im Zenith München. Zunächst steht die Show etwas unter einem schlechten Stern, denn Morrissey ist fast bekannter für die Shows, die er nicht spielt, als für seine Auftritte. Auch auf dieser Tour ist bereits eine Schweden-Show seinen Allüren zum Opfer gefallen und seine Hemmschwelle für weitere Absagen bekanntermaßen gering.

Der Einlass beginnt pünktlich um 19:00 Uhr wie angekündigt und das Essensangebot in der Industriehalle ist auf vegane Speisen beschränkt, soweit so gut. Ebenfalls pünktlich um 20:00 Uhr gehen die Lichter in der etwa hälftig gefüllten Zenithhalle aus und es beginnt eine Videoprojektion von alten MTV Live Clips. Leider ist der begleitende Sound metaphorisch mit einer elektrischen Käsereibe gleichzusetzen und übersteuert am laufenden Band. Von den New York Dolls über Bowie bis hin zu S/W-Aufnahmen aus den 60ern, mit jedem Video wird die Ungeduld im Publikum spürbarer, nach einer halben Stunde „Intro“ werden die Abspieler mit deutlichen Buh-Rufen und Pfiffen begleitet. Man sollte meinen, dass Fans von Morrissey mit solchen, teils unnötigen, Aktionen bereits bestens vertraut sind. Nach etwas über 40 Minuten beginnt dann der Maestro die Show und alles ist vergeben und vergessen.

© Ryan Lowry

Leider ist der Sound zu Beginn, ähnlich wie bei den Videoeinspielern, alles andere als glasklar und mit deutlich zu viel Zerre versehen, was sich aber nach ein paar Songs legt. Die zuvor überstrapazierte Leinwand im Hintergrund wird nun zum Projektor umfungiert und auf Standbilder und Fünf-Sekunden-Wiederholungen aus alten Filmen beschränkt. Musikalisch ist Morrissey einmal mehr fehlerfrei. Auch wenn er zwischen den Songs etwas schnauft, sein Gesang ist makellos und die allgemeine Darbietung einmal mehr fantastisch exzentrisch. Lediglich die handerlesene Band ist teils zu schroff und laut für die fragileren, melancholischeren Werke. Für die The Smiths Fans im Publikum haben es immerhin vier Lieder in die Setlist geschafft: „Shoplifters of the World Unite“, „How Soon Is Now?“, „I Know It’s Over“ und „Last Night I Dreamt That Somebody Loved Me”. Wer hier auf ein Best Of gehofft hat, wird möglicherweise etwas enttäuscht, denn von seinen Solo-Hits spielt Morrissey ebenfalls ausschließlich „Everyday is Like Sunday“. „Suedehead“ und „First of the Gang to Die“, die noch im Tourtrailer zu hören waren, werden ausgelassen. Trotzdem bekommt das Publikum ein abwechslungsreiches und vielseitiges Programm geboten, das zurecht von viel Applaus begleitet wird. Morrissey, der größtenteils damit beschäftigt ist, sein Sakko aus- und wieder anzuziehen, posiert einmal mehr als „larger than life“ Charakter, mit üblich wirren Ansagen und einem Hauch – angemessener – Arroganz. Nach etwa 80 Minuten folgt die Zugabe, inklusive einem oberkörperfreien Morrissey, der definitiv nicht mehr an seine Figur an den 80ern herankommt, trotzdem wird sein verschwitztes Shirt im Publikum umkämpft. Nach „Irish Blood, English Heart“ ist nach 90 Minuten Schluss, die Band verlässt ohne großes Theater zügig unter erneut lautem Applaus die Bühne.

Ein Konzert der Extreme geht zu Ende, und natürlich schafft es Morrissey, ein Gefühlschaos zu kreieren, in dem man mit einem lachenden Auge eine hervorragende Show erlebt hat und trotzdem mit einem weinenden Auge in Richtung Vorprogramm und Songauswahl schaut. Hätte der Meister sein Ego beiseitegelegt und die Show wie explizit per Rundmail angekündigt bereits um 20:00 Uhr begonnen, oder sich dafür entschieden, einer Vorgruppe eine Chance zu geben, anstatt dem Publikum seine Youtube-Playlist vorzustellen, wäre heute schnell zu einem der besten Konzerte des Jahres geworden. Aber das wäre nicht Morrissey, es wäre kein authentisches Konzert gewesen, wenn er dem ganzen nicht seinen egozentrischen Charme aufdrücken hätte können.

Setlist: Shoplifters Of The World Unite (The Smiths song) / All You Need Is Me / One Day Goodbye Will Be Farewell / How Soon Is Now? (The Smiths song) / You’re The One For Me, Fatty / Rebels Without Applause / I Wish You Lonely / Sure Enough, The Telephone Rings / All The Lazy Dykes / Istanbul / I Know It’s Over (The Smiths song) / Speedway / Everyday Is Like Sunday / The Loop / Jack The Ripper / Life Is A Pigsty / I Will See You In Far-Off PlacesZugaben: Last Night I Dreamt That Somebody Loved Me (The Smiths song) / Irish Blood, English Heart

Bericht: Luka Schwarzlose

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