Kindgerecht und so klug! – „Himmel und Hände“ in der Schauburg (Theaterkritik)

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Theater für Kinder ist nichts für Erwachsene? Fehlanzeige, geht es um das neue Stück Himmel und Hände, welches am Samstag Nachmittag, 26. Mai 2018, in der Schauburg Premiere feierte. Entwicklung, Veränderung, Anfang und Ende – dies sind die Themen, die in Carsten Brandaus Stück bearbeitet werden.

© Judith Buss

Regisseurin Jule Kracht ist mit der Vorlage ein Erfolg sicher, denn der Text erhielt bereits 2016 den Mühlheimer KinderStückePreis. Und das zurecht, denn hier wirkt einfache Sprache nicht primitiv, sondern poetisch. Mit Wortwiederholungen und Verdrehungen wird zum einen sichergestellt, dass der Inhalt verständlich ist, zum anderen erhalten die simplen Zeilen so eine gewisse Eleganz, wirken nicht banal, sondern lyrisch. So schafft es der Autor, große Zusammenhänge des Lebens für Kinder und Erwachsene individuell anzubieten. Die Eltern finden viel zum Grübeln, die Kinder werden trotzdem nicht überfordert. Getreu dem Motto „weniger ist mehr“!

© Judith Buss

Das gilt auch in der Inszenierung. Die Bühne (Ursula Bergmann) der Kleinen Burg im Keller des Theaters zeigt blauen Hintergrund, der in gelben Boden übergeht: Himmel und Strand – oder Sand? Was ist der Unterschied? Ist Sand nicht lediglich „eingesperrter Strand“ in der Sandkiste des Kindergartens? Solche Gedanken macht sich A (Janosch Fries), als er oben auf einer Leiter, klug und neugierig in die Ferne schaut. Seinem besten Freund O (Klaus Steinbacher) ist das ganz gleich, er versucht zwar, A zu lauschen, kann sich aber viel mehr für das Gefühl des Sandes auf den Händen begeistern und buddelt sich eine Höhle. Seine Hände werden dabei zu Schaufeln, unter dem getünchten Bühnenboden taucht ein Sandkasten auf. Himmel und Hände, der Denker und der Macher, das A und O. Solche Gedanken fliegen den Erwachsenen durch die Köpfe wie tausend Körner des Sandes, wird er durch die Luft geworfen. Die kleinen Zuschauer freuen sich über die Materialschlacht. Auch hier ist also „für jeden was dabei“. Während O gräbt, möchte A sich nicht schmutzig machen, ihm kann die Zeit nicht schnell genug vergehen, er will in die Schule! Zwei Arten von Kindern. Oder von Menschen? Gibt es doch auch Erwachsene, die immer vorwärts wollen, und jene, die den Moment genießen, Progressive und Vorsichtige, Neugierige und die, die sich lieber verkriechen. Wie O, der sich schließlich in seine Höhle unterm Sandkasten zurückzieht.

© Judith Buss

Als sein bester Freund endlich folgt, entdeckt man hinter der Himmelsleinwand eine neue Welt: Zwischen funkelnden Sternen gibt nun O den Ton an, denn hier hat er den Heimvorteil; erzählt A, die Sonne müsse sich auch einmal ausruhen. Sie könne gar nicht so schnell auf und unter gehen wie es dem Vorschulkind recht wäre, das den ersten Schultag herbeisehnt. Fantasie und Wirklichkeit, Metaphern und die Alltagswelt eines Kindergartenkindes. Das Stück schafft es, mit ganz simplen Mitteln und dennoch vielschichtig und klug die Zuschauer abzuholen. Beide Schauspieler nehmen die Gefühle ihrer Rollen ernst und fesseln damit die Kinder im Publikum. Ab und an lachen die auch, über ein Stolpern, einen Sprung, alberne Hau-Drauf-Elemente wie beim Kasperle spart man sich hier aber vollkommen. Diese hat das Stück auch nicht nötig. Auf allen anderen Ebenen überzeugt es, selbst die Kostüme (Ursula Bergmann) sind farblich auf Himmel und Sand abgestimmt. Die Musik (Till Rölle) ist sparsam, aber immer treffend. Als ein Gewitter simuliert wird, erschrickt der eine oder andere kleine Zuschauer sogar. Im Programmheft (Josefine Rausch) wird den Kindern dann per Anleitung vorgeschlagen, die Schattenspiele aus Os Höhle nach zu basteln, wenn sie mit ihren Eltern nach Hause kommen.

Man kann sich der Jugend-Jury des KinderStückePreises hier wirklich nur anschließen, wenn sie begründet: „Wir haben uns für dieses Stück entschieden, weil es ein Stück für jedes Alter ist und alle Menschen daraus etwas für ihr eigenes Leben mitnehmen können.“

Kritik: Jana Taendler