Laute Bässe – so beginnt „Tartuffe“, das am 29. Juni Premiere im Residenztheater feierte. Inszeniert hat das bekannte Drama Mateja Koležnik, die zuletzt mit ihrer ausgezeichneten Interpretation von „König Ödipus“ am Haupttheater des Bayerischen Staatsschauspiels glänzte. Moliéres Tragikomödie, damals Mitte des 17. Jahrhunderts geschrieben wurde, stellte die Regisseurin allerdings vor einigen Herausforderungen, die nicht sonderlich leicht zu bewältigen sind: Wie inszeniert und zeigt man ein zur Entstehungszeit polarisierendes und provozierendes Stück, welches sich mit einem wesentlichen Problem der damaligen Zeit beschäftigt, nämlich die Unantastbarkeit des Hochadels. 1664 fand die Uraufführung statt, mitten in Paris in Anwesenheit des Königs – dem absolutistischen Herrscher Ludwig XIV.
Das Werk amüsierte ihn persönlich, aber die Kritik am Adel sorgte für Entsetzen im Zuschauerraum, woraufhin jede weitere Aufführung verboten wurde – was über 15 Jahre auch so blieb. Nun gilt es die weiterhin relevanten Punkte zu transportieren und sich darauf zu konzentrieren – mit aus den Boxen wummernden Bässen.
Inhaltlich geht es um den Landstreicher Tartuffe, der sich in die reiche Familie rund um Vater Orgon einlebt. Dieser hat ihn nach sozialen Betätigungen bei sich aufgenommen und ist dem Charme und christlichen (Schein-)Bild vollkommen verfallen – so sehr, dass er ihm seine Tochter Mariane verspricht, obwohl sie bereits verlobt ist. Tartuffe selbst ist aber viel mehr an Orgons Ehefrau Elmire interessiert und bemüht sich, sie abzuwerben. Dabei sind seine Absichten ganz andere: das Erbe, Hab und Gut und Haus von Orgon.
Komödiantisch, aber zeitgleich absolut höhepunktlos, spielt das Ensemble die verschiedensten Rollen der Familie. Sympathisch-bissig: Charlotte Schwab, die Zofe Dorine, kann vor allem am Anfang des Stücks viele Lacher einfangen. Das Protagonisten-Duo, Philip Dechamps als betrügerisch-schöner Tartuffe und Oliver Nägele als Orgon, überzeugt auf ganzer Linie. Während Erster die gesamte Bandbreite vom christlichen Wertevertreter bis hin zum betrügerischen Gewinner zeigt und verführerisch-kühl kommentiert, sich dabei als wahre Idealbesetzung heraus kristallisiert, stellt zweiter den naiv-dümmlichen Familienvater als liebevollen Schwachkopf dar, den man mehrfach vor arg fragwürdigen Aussagen warnen möchte. Seine Betitelung Tartuffes als „der Guteste“ lässt den Saal mehrfach auflachen, präsentiert aber auch definitiv die Unbildung des reichen Adels.
Das Bühnenbild: schlicht, monoton, aus einem Guss. Eine lange Wand aus braunem Holz, nur unterbrochen von drei Schränken. Treppen führen nach oben und unten, hinter der Holzwand in die entgegensetzte Richtung. Ein simples Setting, das die Interaktion auf einen sichtbaren Raum beschränkt, der damit aber wenig Veränderung zulässt. Situationskennzeichnungen wurden clever mit dem Licht betrieben – der verruchte Tartuffe steigt so aus dem Dunkel hervor, während seine Versprochene Mariane aus dem hellen Licht herunterschreitet. Die Persönlichkeiten in schlichten Lichtverhältnissen dargestellt. Ganz unspektakulär und hintergründig.
Koležnik gibt sich sichtlich Mühe, den nur teilweise noch relevanten Stoff in alle Richtungen zu entstauben und aktuell zu gestalten, scheitert aber letztendlich daran, dass sie seine exakte Ausrichtung nicht genau bestimmt. Setting und Atmosphäre zielen auf düster und gefährlich, die Kostüme, allesamt einfarbig, kategorisieren die Figuren ein und bleiben dem dunkleren Look treu, während der Text selbst einer verzwackten Komödie mit amüsanter Figurenkonstellation gleicht. Die Inszenierung als schlecht zu bezeichnen wäre absolut falsch, aber sie wirkt doch unentschlossen. So unentschlossen, dass man sich lieber auf die großartigen Schauspieler verlässt und keine Akzente in andere Richtungen setzt. So bleibt letztendlich ein unaufgeregtes und ruhiges Theaterstück für den kurzweiligen Genuss, das, entgegen der damaligen Intention, nirgendwo aneckt, sondern fast schon ein wenig zu brav wirkt.
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