Bei jeder Umfrage jedes großen Festivals stehen sie ganz oben in der Wunschliste und genauso häufig dann auch an der Position des Co-Headliners im LineUp. Was genau kann man dann also bei einer Band wie Kraftklub erwarten, wenn so viele Menschen das Bedürfnis haben, sie immer und immer wieder zu sehen? Um genau dieser Frage nachzugehen, haben wir uns den 24. Februar 2018 fett im Kalender markiert, denn an diesem Tag sind die Chemnitzer Jungs im Zenith und damit nach rund drei Jahren wieder in der bayerischen Landeshauptstadt. Wir haben uns das ausverkaufte Spektakel einmal angesehen.
Es ist bitterkalt, aber das wissen die Fans der Band bereits, sodass sie sich dick mit Winterjacken einpacken – lieber in der Kälte ausharren als die Chance auf einen wunderbaren Stehplatz zu verpassen. Und so positionieren sich die Kartenkäuferinnen und Kartenkäufer auf ihren Plätzen, die von 14 bis 40+ den gesamten Altersdurchschnitt abdecken, den man auch erwartet – die Generation 20+ dürfte aber in der Überzahl gewesen sein, denn die Erfolgswelle, die die Band damals mit ihrem Debüt „Mit K“ geschlagen hat, hat auch sechs Jahre später noch so eine Wirkung, dass die treuen Anhänger immer wieder kommen.
Bevor man aber wieder lautstark seinen Berlin-Hass herausschreien darf, kündigt Sänger Felix Brummer persönlich die Vorband an: Blond. Und an dieser Band scheiden sich tatsächlich die Geister. Das Trio, bestehend aus zwei weiblichen Mitstreiterinnen an Gesang/Gitarre und Schlagzeug und einem Männlichen an Bass, Gitarre und DJ-Pult, spielt waschechten Indie-Poprock und das mit voller Hingabe. Diese Hingabe kann man aber leider wenig sehen, sondern nur hören, denn ihre Spielsicherheit glänzt vollends und die Lieder werden sauber und annähernd perfekt dargeboten, allerdings herrscht dabei fast keine Bewegung auf der Bühne. Die Outfits von Bräuten mit Schleier und Bräutigam tun ihr übriges und lassen einige Gesichter mehr verdutzt als begeistert zurück. Zwei Dinge bleiben aber garantiert sehr positiv im Gedächtnis: die neueste und einzig deutschsprachige Nummer „Spinaci“ und das riesengroße Talent des männlichen Band-Mitglieds Johann, der schier problemlos die komplexesten Basslines spielt.
Setlist: Not Cool Enough / Fat / Don’t Bug Me / It-Girl / Oh Baby I Like / Spinaci / Book
Kurze Zeit später hängt dann auch schon ein rotes Banner vor der Bühne, darauf groß geschrieben „Keine Nacht für Niemand“, der Titel des aktuellen Albums, eine wunderbare Hommage an das kultige Ton Steine Scherben Album „Keine Macht für Niemand“. Diese noch politischere Richtung zeigt sich auch u.a. beim Song „Fenster“, der direkt nach dem Opener „Hallo Nacht“ auf die feierwütige Menge losgelassen wird. Zwar funktioniert der Auftakt recht gut, eine richtige Eskalation startet aber erst ab „Eure Mädchen“ und „Alles wegen dir“, denn die Songs der ersten zwei Alben sind, und so recht lässt sich das auch nicht weg diskutieren, doch noch ein wenig impulsiver und interaktiver.
Kraftklub selbst ist hochmotiviert und liefert von Beginn an eine grandiose Performance ab. Dem zu Gute kommt der überraschenderweise sehr klare und wunderbar abgemischte Live-Sound, der sowohl das kräftige Schlagzeug, die verspielte Gitarre, den treibenden Bass als auch eben die Stimme von Frontmann Felix bestens repräsentiert und bis in die hintersten Reihen sehr gut verständlich macht. Ein kleines Wunder in der verteufelten Industriehalle, aber auch ein weiterer Beweis, dass ein fähiger Tontechniker selbst hier im Zenith ein mehr als zufriedenstellendes Ergebnis zaubern kann. Die Band feiert derweil auf der Bühne ihre eigenen Lieder nicht weniger als das Publikum selbst und untermalt das mit kleinen Kostümeinlagen wie ein Latex-Oberteil und Peitsche bei „Sklave“ genauso wie ein Messdiener-Outfit bei „Band mit dem K“. Das Banner im Hintergrund besteht dabei aus sich drehenden Säulen, die jeweils ein anderes Bild ergeben können, und trägt maßgeblich zum sonst doch eher recht kahlen Bühnenbild bei. Aber wer braucht denn auch ein Bühnenbild bei einer schweißtreibenden Band wie Kraftklub?
Man darf und soll die Musiker aber trotz härterer Lieder wie „Karl-Marx-Stadt“ und „Unsere Fans“ nicht in die Punk- oder gar NuMetal-Schublade schieben. Sie funktionieren, aber eben nur im richtigen Rahmen. Das mag bei einem Major-Festival mit jüngerem Publikum sein, das sich bewusst für die Formation interessiert, das mag eben bei Headliner-Konzerten sein, aber würde niemals Festivals der härteren Gangart wie RockHard oder Wacken funktionieren, obwohl sie rein musikalisch wesentlich härter als manche Bookings auf Wacken sind. Trotzdem sind Kraftklub immer noch mehr Indie als Rock, was sie auch an neueren Liedern wie „Fan von Dir“ oder „Chemie Chemie Ya“ ein weiteres Mal beweisen – und das ist auch gut so, denn jedem gefallen ist selten möglich und die Fan-Base von Kraftklub ist inzwischen so groß und vielfältig, dass Besucher mit Slipknot-Cap und Slayer-T-Shirt neben Mädchen stehen, die durchgehend von Faber schwärmen. Der Fokus von beiden mag ein anderer sein – das Interesse an der Band aber darüber hinweg gleich.
Nach über 90 Minuten verlassen die Chemnitzer erstmals die Bühne, um anschließend für ihre Zugaben „Ich will nicht nach Berlin“ und „Randale“ zurückzukehren – auf einer winzigen Bühne, die durch die gesamte Halle fährt; einzig und allein Drummer Max Marschk bleibt dann doch lieber beim großen Drum-Set. Die jubelnde Menge freut sich in jedem Fall darüber, dass ihre Idole so auch noch einmal ganz nah vorbeikommen – um anschließend beim „Wett-Crowdsurfen“ wieder die Bühne zu entern und „Blau“ anzustimmen. „Songs für Liam“ bietet dann für alle die, die tatsächlich noch Energie haben, den krönenden Abschluss, bevor die fünf Herren nach knapp über zwei Stunden endgültig auf der Bühne abdanken und das verschwitzte Münchner Publikum überglücklich in die eisige Kälte entlassen.
Man muss sie auf jeden Fall mögen, die Musik von Kraftklub, aber wenn man mit ihrer ganz eigenen musikalischen Form von Indie, Rock und Hip-Hop klarkommt, dann hat man auf ihren Konzerten garantiert einen Heidenspaß. Ihren Ruf als Festival-Instanz versteht man als Erst-Besucher nun garantiert – und daran wird sich bei so einer Bühnenenergie auch so schnell nichts ändern.
Setlist: Hallo Nacht / Fenster / Eure Mädchen / Mein Leben / Alles wegen dir / Sklave / Scheissindiedisko / Fan von Dir / Unsere Fans / Wie ich / Am Ende / Band mit dem K / Karl-Marx-Stadt / Schüsse in die Luft / Kein Liebeslied / Medley (Dein Lied/Für Immer/Allein Allein – Polarkreis 18 Cover/Deine Gang) / Rock & Roll Queen (The Subways Cover; gemeinsam mit Blond) / 500 K / Chemie Chemie Ya – Zugaben: Ich will nicht nach Berlin / Randale / Blau / Songs für Liam
Bericht: Ludwig Stadler
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