Appaloosa Bones – Gregory Alan Isakov in der Freiheitshalle (Bericht)

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Als Josh Edwards um 20 Uhr zusammen mit seiner Kollegin Charlie Schnurr die Bühne betritt, ist das ehemalige Turbinenwerk der Bahn nahe der Donnersbergerbrücke schon mit Menschen, Gesprächen und Erwartung gut gefüllt. Hier, in der Freiheitshalle sind die Menschen, um Gregory Alan Isakov zu hören und still werden sie, als Edwards (London) und die deutschstämmige Schnurr, unter dem Banner von Edwards’ Künstlernamen Blanco White, ihr Set beginnen. Edwards an der Gitarre, an der er universitär ausgebildet ist, Schnurr am Synthesizer und der Geige. Edwards’ Kompositionen und Arrangements sind atmosphärisch, melancholisch und fließend wie wehende Schleier. Die sparsame Instrumentierung ohne Percussion oder zusätzliche Instrumente, die Konzentration auf das Viereck aus zwei Stimmen, Gitarre und Synthesizer/Geige funktioniert gut; es fällt nicht schwer, sich auf Blanco Whites Musik einzulassen, die zum Eintauchen einlädt, ohne dem Ambiente zuliebe auf prononcierte und nachvollziehbare Melodien zu verzichten. Nach nur 30 Minuten ist leider schon Schluss mit dem Auftritt von bilingualem Weiß; Edwards und Schnurr werden mit herzlichem Applaus verabschiedet.

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© Israel Nebeker

Zeit für den Protagonisten des Abends, Gregory Alan Isakov. Allein betritt er die Bühne, auf dem Kopf einen großen Hut, um Hals eine Mundharmonika, um den Rumpf die Gitarre geschnallt. Folgt nun ein Dylan-Cover? Nein; Isakov wandelt zwar in den Fußstapfen der großen singenden Geschichtenerzähler, doch hat er an sich selbst Substanz, Gegenwart und Tiefe genug, um unter der Hutkrempe mit einer gewissen Authentizität und Unverkennbarkeit hervorzublinzeln, während er den frohgemut-melancholischen Reise-Song »Virginia May« anstimmt. Eine Stimmung zwischen Wehmut und Glückseligkeit durchzieht das ganze Konzert – Isakov beherrscht sie meisterlich. Zum zweiten Stück (»Southern Star«) gesellen sich Schlagzeug, Geige, Kontrabass und Banjo zur Gitarre. Zunächst wirkt die breit aufgestellte Instrumentierung unrund und beinahe linkisch; als versuchten Isakov und Kollegen, einzuhämmern, wo sie öffnen und polieren hätten können. Insbesondere das Schlagzeug (Max Barcelow) wirkt ungünstig implementiert.

Der nächste Song ist laut Ansage der einzige fröhliche Song im Set, passenderweise »Dark, Dark, Dark« betitelt, doch auch hier wird die Upbeat-Stimmung immer von einem Hauch Wehmut umweht. Das verstärkt sich im nächsten Song (»Big Black Car«), der eigentlich von einer vertanen Liebeschance berichtet, aber die der Liebe eigene Mischung aus berechtigtem Bedauern und unsinniger Hoffnung beinhaltet.
Die großformatige Szenerie eines Satelliten im Felde unter Sternenhimmel im Bühnenhintergrund ist bei »San Luis« in blaues Licht getaucht. Die Färbung wechselt je nach Song von Rot und Lila über Grün über Türkis, verweilt aber oftmals bei blau, bei den meisten Songs die naheliegendste Farbe; auch jetzt, wenn Isakov vom „ghost of me, ghost of you“ singt.

Im Titelstück seines Erfolgsalbums »This Empty Northern Hemisphere« treibt Isakovs Stimme verzerrt und verloren wie durch einen Telefonhörer zu gedankenverlorenen Saitenklängen und nimmt immer weiter an gefühlvoller Fahrt auf, Gesang und Musik steigern sich gleichermaßen, bis die Stimme klar und laut zu den stampfenden Trommeln herausbricht. Im Dialog mit dem Schlagwerk schraubt und schrillt die Geige und verausgabt sich, geht in ihrer glückseligen Wehmut auf. Spätestens hier kommt Isakovs Live-Ensemble ganz zu sich selbst und entwickelt eine mitreißende Eigendynamik, die sich bei den glänzenden Soundverhältnissen in der Freiheitshalle in allen Farben entfalten kann. Neben der eine unerwartete Intensität entwickelnden instrumentalen Umsetzung beeindruckt besonders die vokale Zusammenarbeit von Isakov mit Gitarrist / Banjo-Spieler Steve Varney: Ihr ungedrosselter zweistimmiger Gesang erzeugt ein ums andere Mal Gänsehaut. Auch »Chemicals« und »Liars« überzeugen als intensive, mitunter fast postrockige Crescendi und Plateaus aufweisende Live-Interpretationen, neben denen die Album-Versionen fast blass aussehen. Wenn er nicht am Banjo tätig ist, gelingt es Varney per E-Gitarre mit sparsamem, aber gezielt eingesetztem Spiel, der Musik eine zusätzliche emotionale, energetische Dimension zu verleihen. Ein Neuling unter den altbekannten Liedern (Isakovs letzte Full-Length ist vier Jahre alt) ist »Appaloosa Bones«, Bestandteil eines in naher Zukunft erscheinenden neuen Albums. »You’re a test audience«, meint Isakov verschmitzt in Bezug auf das ansprechende, in leicht verschlankter Besetzung zum Besten gegebene Stück.

Nach »The Stable Song«, »Second Chances« und »Caves« verabschieden sich Isakov und Band – um sich zur Zugabe um ein einziges Mikrophon zu versammeln und sich mit zwei letzten Liedern, Soli und deutlich sichtbarer Spielfreude beim ebenfalls sichtlich hörfreudigen Publikum zu verabschieden. Isakov und Band boten einen Querschnitt durch sein Schaffen in mehrheitlich überraschend intensiven und facettenreichen Live-Interpretationen. Wie wenig sich der Star des Abends dabei als Show- und Frontman profilierte, wie sehr er hinter seine Stücke zurücktreten konnte, spricht für sich.

Setlist: Virginia May / Southern Star / Dark, Dark, Dark / Big Black Car / San Luis / This Empty Northern Hemisphere / Chemicals / Liars / She Always Takes It Black / Amsterdam / Master & a Hound / Appaloosa Bones / The Stable Song / Second Chances / Caves – Zugabe: Dandelion Wine / Saint Valentine

Bericht: Tobias Jehle