„The first person who arrives in a full body bunny costume at the box office today has FREE ENTRY!“, teilt der Veranstalter am Sonntag per Facebook mit, offenbar ohne, dass jemand das Angebot angenommen hätte. Angenehm, dass das Dark Easter Metal Meeting allem Anschein nach trotz Wachstum kein Festival ist, auf dem Menschen mit Ganzkörperkostümen und eher mäßigem Interesse an der Sache herumlaufen…
Ob nun der gestrige Samstag oder der heutige Ostersonntag besser besetzt ist, unterliegt natürlich dem individuellen Geschmacksurteil, wer aber auch nur in einer der sechs Zeilen der Running Order keine Band findet, die nicht interessant genug wäre, um sie sich anzuschauen, der ist definitiv auf dem falschen Festival gelandet. Insbesondere im Club kann heute (entdeckend) Großes erleben, von solch begehrten Namen wie Belphegor, Secrets of the Moon oder auch Uada einmal ganz abgesehen.
Nach Morgengrau im Club eröffnen Impure Wilhelmina das Nachmittagsprogramm in der Halle. Anders als bei Unlight, die am Vortag zur selben Zeit am selben Ort spielten, herrscht keineswegs totale Überfüllung, es müssen wohl noch zu viele Kater gepflegt, Osterlämmer geschlachtet, Muttis in die Kirche begleitet oder Eier gesucht werden, um heute so pünktlich auf der Matte zu stehen. Nicht wenige der Anwesenden scheinen aber sehr genau zu wissen, warum sie sich eingestellt haben: Denn die auf Messers Schneide zwischen Rock und Metal tanzenden Schweizer nehmen innerhalb der Dark Easter-Aufstellung stilistisch eine gewisse Außenseiter-Stellung ein, bieten denen, die sich bei Klargesang nicht sogleich die Ohren zuhalten, jedoch ein qualitativ hochwertiges und sehr kurzweiliges Konzert, das auch für einen sanften Einstieg in diesen zweiten Teil des Dark Easter sorgt.
Doch den bekommt man auch, wenn man eine Stunde später zu Novembre ins Werk kommt. Der ätherische Gothic Rock/Metal der Sizilianer scheint auf wenige Anhänger, aber einige (beiläufige) Sympathisanten zu stoßen. Das Werk ist gut halb voll, die Reaktion auf die Darbietung der Band wohlwollend, was jedoch nicht verhindert, dass bei Zeiten viele Besucher in Richtung Halle abwandern. Warum nur?
Denn dort spielen im Anschluss Anomalie. Die Österreicher haben die Bühne mit Fackeln und dem Bild eines Walds als Backdrop geschmückt. Die sich drängenden wartenden Zuschauer werden mit Tribalgetrommle beschallt. Voriges Jahr standen an genau dieser Stelle Anomalies Labelkollegen Harakiri For The Sky und feierten eine unglaublich mitreißende Show. Wiewohl der polierte, spirituell angehauchte Post-Black Metal von Anomalie in eine ähnliche Kerbe schlägt und der Band alles andere als Ablehnung entgegen schlägt, fehlt ein wenig das entscheidende Quäntchen, um diese Stunde zu einer herausragenden unter den mehr als 20 mit Livemusik unterlegten Stunden dieses Wochenendes zu machen.
Fans der schnelleren Gangart müssen sich noch etwas länger gedulden, denn vor Naglfar gilt es, im Werk noch Secrets of the Moon zu genießen, was sicher keine schwere „Aufgabe“ ist. Ohne Worte an das zahlreich erschienene Publikum zu richten zieht die Osnabrücker Black-/Doom Metal-Oberliga-Band ihr so potentes wie stimmungsvolles Set durch. Besonders „Hole“ sorgt für kribbelnde Freude.
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Dass Dawn of Disease ausfallen und nebenan in der Halle durch Asphagor ersetzt werden, ist den Menschen, die sich am frühen Abend im Club versammeln, vermutlich recht egal. Warum? Weil Au-Dessus hier in eine ganz andere Welt entführen. Die junge Band aus Litauen tritt mit verhüllten Gesichtern in Assassinen-Pullovern auf und überzeugt voll und ganz. Ihr atmosphärischer Post-Black Metal versumpft nicht im Wiederkäuen von ohnehin schon allzu Bekanntem, sondern bedient sich an vielen Tellern und Stimmungen. Ein guter Moment, um einfach mal die Augen zu schließen und befreit zu genießen. Denn wenig später steht bereits wieder „die volle Dröhnung“ an:
Zum Auftritt von Naglfar scheint das Werk voller den je. Kein Wunder, zuletzt konnte man die Band hierzulande 2006 auf dem Party.San erleben – an Popularität haben die Schweden ganz offenbar nicht verloren. Unser Fotograf Martin äußert zwar, bei besagtem Party.San-Auftritt habe die Band ihn mehr gepackt, die Mehrheit der Anwesenden scheint aber äußerst positiv beeindruckt, das Headbangen der vorderen Reihen verplätschert als angetanes Kopfnicken an den äußersten Rändern des Publikums. „Naglfar!“ wird skandiert, sogar die Texte, die Sänger Kristoffer Olivius äußerst druckvoll ins Mikrophon giftet, werden mitgesungen. Außer an sich selbst gemessen, kann man der Band und ihrer Show kaum etwas vorwerfen. Mit ihrem eingängigen melodischen Black Metal und auch der Zeit ihres Auftritts, wenn Aufmerksamkeit und Begeisterungsfähigkeit noch nicht in Müdigkeit oder zu viel Bier/zu wenig Wasser ertrunken sind, haben sie deutlich einen „Sweet Spot“ erwischt – ein Glück, das nicht allen Werk-Bands zuteil wurde und wird.
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Nachdem das Totenschiff Naglfar das Ufer erreicht hat, heißt es, sich zu entscheiden: Zwischen den niederländischen Okkult-Proggern Dool und den polnischen Black Metal/Drone/Ambient-Künstlern Thaw. Dool gastierten vor ziemlich genau einem Jahr im Backstage, damals als Support für Me And That Man, das Blues-Projekt von Behemoths Nergal, für Thaw ist es das erste Konzert in München – also ab in den Club, zu Thaw! Eine ausgezeichnete Wahl, Monsieur… Das Quintett bietet eine sehr laute, sehr intensive Show. Wer es gern hat, von Musik auch physisch niedergeschmettert zu werden, lässt begeistert den Kopf hängen und sich von den durchdringenden Tiefton-Synthesizer-Tönen eine Ganzkörpermassage verpassen. Irgendwann traut sich das Publikum kaum noch, Beifall zu spenden, weil die Band jeden dahingehenden Versuch schnell und grausam akustisch zu Tode prügelt. Um so größer ist der Zuspruch, der Thaw entgegenbrandet, als die letzten Donnerschläge verhallt sind.
Das Dark Easter verwendet ein umgedrehtes Kreuz als Logo, doch wenn man es recht bedenkt: Als waschechte Satansjünger verkaufen sich bei weitem nicht alle der diesjährig auftretenden Bands. Und auf jeden Fall niemand so nachdrücklich wie Belphegor. Die Bühne des einen Superlativ an Fan-Befüllung erreicht habenden Werks ist geschmückt mit zwei umgedrehten Kreuzen, blutigen Rippen, Ziegenschädeln. „Ave Bavaria, save your prayers, God is not here tonight“, verkündet Frontman Helmuth diabolisch krächzend. Belphegor leiten ihr Set mit „Totenritual“ ein, herzallerliebst ratternd fährt das äußerst befriedigend tönende Schlagzeug ins Trommelfell, „eine Schau“, wie man in Bayern sagt. Um der Schau/Show noch eins draufzusetzen , gibt es zu „Conjuring the Dead“ noch ein bisschen schwarze Messe: Eine in eine Mönchskutte gekleidete Gestalt betritt die Bühne und fuchtelt dem Gehörnten zu Ehren mit einem Weihrauchfass herum. Doch offenbar sind weder solche visuellen Erquickungen noch Songs wie Belphegors aktuelle Hit-Single „Baphomet“ in der Lage, vielen Zuschauern ihre Lust auf Uada zu nehmen, was zur Folge hat, dass sich das Belphegor-Publikum schon 30 Minuten vor Schluss beträchtlich ausdünnt.
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Weil es bekanntermaßen ungesund ist, immer der Masse hinterherzulaufen, soll es im Folgenden nicht um Uada, sondern um Furia gehen, die zeitgleich im Club spielen. Daran, dass sich nach dem Auftritt der polnischen Band einige Menschen mit beseeltem Gesichtsausdruck in der Werkstatt scharen und nach Merch von Furia verlangen, lässt sich schon erahnen, dass diese Truppe für ein ganz besonderes, kleines, ungeschliffenes Konzert-Juwel dieses Festivals verantwortlich ist: Ihr eigenwilliger Black Metal, der immer wieder gewisse Post Punk-Einflüsse zulässt und so frisch, lebendig und individuell daherkommt, dass es eine wahre Freude ist, versetzt den Club in Verzückung. „Endlich mal eine polnische Band, die nicht wie Behemoth klingt“, meint nach der Show der Oben-ohne-Mannschaft um Sänger und Gitarrist Nihil einer der Merch-Jäger und tut damit bestimmt vielen Bands (z.B. Thaw) Unrecht, trifft aber in Bezug auf Furia ins Schwarze: unkonventionell, eigenwillig – anhören!
Im Gegensatz zu Furia sind Paradise Lost 2018 sicher für niemanden mehr eine große Entdeckung – allenfalls eine Wiederentdeckung, nachdem sich die Band mit ihrem letzten Album „Medusa“ wieder ausdrücklich an härteren Klängen orientiert hat. Vielleicht liegt es daran, dass Paradise Lost schon vergangenen Herbst in der Theaterfabrik zu Gast waren, oder daran, dass ihre Musik nicht 100%ig zur Hauptausrichtung des Dark Easter passt – was jedoch auch für die ursprünglich als Sonntags-Headliner bestätigten, dann jedoch abgesprungenen Katatonia gegolten hätte –, dass zu viele Besucher die Band ohnehin schon einmal irgendwo gesehen haben, oder einfach schlicht müde sind: Auf jeden Fall ist es Nick Holmes auch mit seiner Hauptband nicht vergönnt, vor einem so zahlreichen Publikum zu spielen, wie etliche andere im Werk aufgetretenen Bands, nachdem am gestrigen Tag schon die Show von Bloodbath nicht gerade riesigen Anklang fand. Was nicht bedeutet, dass Paradise Lost mit dem Publikum, das vorhanden ist, Schwierigkeiten hätten, im Gegenteil: Nicht nur einmal rettet lautstarkes Mitsingen der Fans den Sänger, der an einer Mischung aus schlechtem Mixing und stimmlicher Angeschlagenheit zu leiden scheint, über gesangliche Ausfälle hinweg. Doch trotz aller Schwierigkeiten – auch technischer: ein Song muss wegen Problemen mit Gregor Mackintoshs Gitarre abgebrochen werden – machen Paradise Lost an diesem Ort und zu dieser Zeit durchaus Sinn: Nicht als fulminanter Höhepunkt des Dark Easter, sondern als sanfter Ausklang, um das letzte Bier zu holen, noch einmal spielerisch die Nackenmuskeln zu betätigen, vielleicht an die vergangenen zwei Tage oder an entferntere Vergangenheiten zurückdenken – „Clap with me like in 1995“, bittet Holmes, der mit Paradise Lost viel weniger Einlassung und Aufmerksamkeit einfordert als viele andere Bands dieses Wochenendes – etliche der Songs, die die Engländer zum Besten geben, hat man einfach im Kopf, auch wenn man kein Fan der Gruppe ist.
Setlist Paradise Lost: From the Gallows / Hallowed Land / The Enemy / One Second / Medusa / Erased / Forever Failure / Eternal / Pity the Sadness / Blood and Chaos / Faith Divides Us – Death Unites Us / Embers Fire // Zugabe: No Hope in Sight / The Longest Winter / Say Just Words
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Wer seinen Ostersonntag aber nicht gern mit ruhigen Tönen beschließt, bekommt um kurz nach Mitternacht noch Gelegenheit dazu: Desaster haben kurz zuvor auf Facebook noch scherzeshalber angekündigt, zu betrunken zu sein, um auftreten zu können, schaffen es aber trotz Anheiterung, die knallvolle Halle mit heiterem Black-Thrash zu unterhalten, während nebenan im Club Wolves Den aus München, die die ferngebliebenen Nocturnal Depression ersetzen, musikalisch Vlad dem Pfähler mit schwerem Black Metal huldigen und damit bei den zahlreichen Zuschauern regen Zuspruch hervorrufen.
Anders als am Samstag, als die Feierwütigen sich nach den letzten Konzerten noch auf einer Aftershow Party vergnügen konnten, ist heute nach den letzten Tönen Dark Easter-Live Musik Schluss. Was bleibt, ist, unter dem wolkenverhangenen Schein des österlichen Vollmondes den Heimweg anzutreten und den Veranstaltern ein großes Lob für ein durchwegs reibungsloses, freundlich und sachlich präsentiertes Festival auszusprechen. Bis hoffentlich nächstes Jahr!
Zuletzt noch ein Hinweis: Wir, also Kultur in München (KiM), distanzieren uns von jeder Art von politischem Extremismus, insbesondere von nationalistischer und rassistischer Ideologie. Der Seitenhieb auf Taake war exemplarisch und lässt sich auch auf, leider, andere Bands beziehen. Wir berichten über das Dark Easter ausschließlich als musikalisches Event, ohne dabei in irgendeiner Weise Weltanschauungen von Musikern und auch Fans zu unterstützen, die mit dem genannten Gedankengut sympathisieren, sei es auch nur zum Zweck der Provokation. Freunde jeder Nationalität, jeden Geschlechts, jeder Glaubensrichtung: Pommesgabel statt Hitlergruß, ok?
Bericht: Tobias Jehle
Fotos: Martin Schröter
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