Bereits zum dritten Mal ruft das Superbloom Festival die feierwütigen Münchner*innen in den Olympiapark – und diese kommen. Nach einer äußerst erfolgreichen Auflage im vergangenen Jahr, will man den Erfolg auch dieses Jahr wiederholen, selbst wenn man das bewährte Konzept nicht ganz unangetastet lässt, sondern ein paar Modifikationen vornimmt. So fehlt dieses Mal der ganz große Headliner auf Stadion-Größe, wie in der letzten Auflage Imagine Dragons, dafür minimiert man die Laufwege durch eine Doppelbühne im Olympiastadion. Die Sonne scheint auf die rund 50.000 Besucher*innen, der Olympiapark strahlt im gewohnten Superbloom-Design und alle Zeichen stehen bestens für den 7. & 8. September 2024!
So richtig rund will es am Anfang aber dann doch nicht laufen. Der Einlass beginnt erst kurz vor 11 Uhr, zieht sich anschließend endlos und verläuft insgesamt zäh und unkoordiniert. Eine allgemeine Unzufriedenheit macht sich an den Eingängen breit, so recht will nichts vorangehen. Nach teils stundenlanger Wartezeit ist es dann aber doch irgendwann geschafft. Leider muss aufgrund dessen auch die Rezension der ersten drei Acts entfallen – einschließlich Tokio Hotel. Wieso ein so nostalgischer und medial omnipräsenter Act wie die Band der Kaulitz-Zwillinge zu so einer maßlos frühen Uhrzeit eingeplant ist, bleibt ein Geheimnis, deren Verpassen führt allerdings zu reichlich schlechter Stimmung am Einlass. Bei den folgenden Nothing But Thieves ist das Stadion ziemlich leer, wenngleich die britischen Alternative Rocker sowohl großartige Musik spielen als auch eine mitreißende Performance darbieten. Die E-Gitarrenklänge sind aber wohl nicht so ganz im Interesse des Superbloom-Publikums. Den Fans wird mit einem schier völlig undefinierbaren Soundbrei zudem einiges zugemutet. Ein äußerst holpriger Start.
Mittlerweile ist das Gelände ordentlich gefüllt. Die Schlangen an den Essens- und Getränkeständen sind wieder deutlich länger als während der 2022er-Ausgabe, auch sind die Menschenmassen geballter – man spürt den Wegfall eines großen Teils der Festivalfläche deutlich. Rückzugs- und Entspannungsorte, wie noch im Vorjahr, sucht man vergebens, dieses Mal gibt es nur an jeder Ecke einen Menschenauflauf. Überraschend dagegen, dass die NeoNeo-Stage in der Nähe des alten Eishockey-Stadions nie überfüllt ist. Vielleicht hält die Doppelbühne im Stadion mit dem einhergehenden dauerhaften Spielbetrieb und die verhältnismäßig lange Entfernung zur dritten Bühne das Publikum davon ab, die langen Wanderungen einzugehen. Bei Bands wie Provinz, die sicherlich völlig ins Gusto des recht jungen, vorrangig weiblichen Publikums fallen, ist es aber auch kein Wunder, dass das Olympiastadion sehr gut gefüllt ist. Die gebürtigen Ravensburger geben eine astreine, einstündige Performance aus den Liedern ihrer zwei Alben und allerlei neuen Songs, die in naher Zukunft veröffentlicht werden, wie Frontmann Vincent erzählt. Der Sound hat sich etwas gefangen, die Menge jubelt.
Für entspannten Hip-Hop steht der Brite Loyle Carner schon lange. Seinem Ruf wird er auch im Stadion gerecht, als er mit seiner Band aufspielt. Seine Musik eignet sich wunderbar als Chillout oder Hintergrundmusik im Café (äußerst positiv zu verstehen!), aber vielleicht sind genau diese Argumente am Ende ein ausschlaggebender Punkt, dass es live nicht allzu aufregend wird. Völlig im Kontrast dazu steht der folgende Trap-Rapper RIN, der völlig allein auf Bühnenelementen performt und seine treibenden, extrem beatlastigen Werke zum Besten gibt. Live ist hier zwar fast gar nichts, aber die hüpfende Menge interessiert das reichlich wenig – solange es aus den Boxen knallt, passt es. Weiter voneinander im Hip-Hop könnten Carner und RIN wohl nicht sein, ankommen tun beide am Ende ziemlich gut.
Einen cleveren Zug hat das Booking des Superbloom mit der Verpflichtung von Niall Horan am ersten Festivaltag und Louis Tomlinson an Tag 2 gemacht. Zwei Mitglieder von One Direction, das sichert einen Haufen treuer 1D-Fangirls, die passioniert auf die Auftritte ihrer Idole warten. Dementsprechend wundert es wenig, dass der Kreischpegel drastisch ansteigt, als Niall Horan die Bühne betritt. Was er und seine Band auf ihrem ersten Festival-Auftritt während der „The Show“-Tour präsentieren, ist wirklich astreiner Pop-Rock mit ruhigeren und fetzigeren Einschlägen – und natürlich nicht ohne einen One Direction-Klassiker. Die Dichte an Liedern, die man in den letzten 12 Jahren immer mal wieder im Radio gehört hat, verstärkt sich beim folgenden Künstler noch einmal deutlich: Cro. Der Rapper, bekannt geworden für seine Mischung aus Pop und Rap („Raop“), hat unlängst weitere Subgenres aufgegriffen und sich ein breitgefächertes Portfolio erarbeitet. Mit Band, optisch ansprechender Bühne und einer musikalisch astreinen Performance reißt er die Münchner*innen 75 Minuten ordentlich mit. Im September 2025 kommt er gleich zweimal in die Olympiahalle.
Wenn das Superbloom einen großen internationalen Headliner bietet, dann wohl Sam Smith. Der britische Sänger ist vor zehn Jahren mit „Stay With Me“ weltbekannt geworden, guckt mittlerweile sogar auf einen James Bond-Titelsong zurück und hat erst letztes Jahr mit „Unholy“ einen weiteren großen Hit gelandet. Bekannt ist er aber vor allem für seine markante, soulige Stimme, die sich in München in Bestform zeigt und im Zusammenspiel mit seiner Band für einige Gänsehautmomente sorgt. Während er zu Beginn noch mit älteren Balladen beginnt, die ab der ersten Sekunde in den Bann ziehen, zieht er im Laufe seines rund 90-minütigen Auftritts die Tanzbarkeit stets an, bis er bei den DJ-Kollaborationen und schlussendlich bei einer atemberaubend starkten Live-Version von „Unholy“ landet. Wahnsinn! Für viele ist das zugleich das Ende des ersten Festivaltages, denn das DJ-Duo The Chainsmokers bietet lediglich reichlich elektronische Tanzmusik mit etwas Pyro-Show – das kann mit den starken Vorgänger-Performances nicht mithalten.
Am zweiten Tag – Sonntag, 8. September 2024 – überschatten noch die Startschwierigkeiten, Soundprobleme und das übervolle Festivalgelände des Vortags die anfängliche Stimmung. Doch auch hier retten die Acts einiges. So startet das Olympiastadion mit zwei äußerst angesagten und gehypten Indie-Künstlern in den Tag: Zartmann und Berq. Während ersterer sich mit Kooperationen und entspannten Tracks einen Namen machen konnte, gilt Berq als lyrisch und musikalisch experimenteller Sonderling, der mit Intensität und einer einzigartigen Stimme in den Bann ziehen kann. Unterschiedlicher könnten beide zwar nicht sein, aber sie sorgen für reichlich Anfangsjubel. Das sind doch keine verkehrten Vorzeichen!
Ganz so brechend heiß ist es am zweiten Tag nicht, auch kündigen sich Regen und Gewitter an, weshalb Orga-Team als auch Besucher*innen etwas in Habacht-Stellung sind und die überdachte Tribüne schnell überfluten. Dementsprechend läuft das Nachmittagsprogramm weiter mit Schlager-Rapper Tream, zweifache ESC-Gewinnerin Loreen und die deutschen Exportmeister Milky Chance, deren Hits das Olympiastadion fleißig zum Tanzen bringen. Auf der NeoNeo-Stage treten derweil die deutsche Indie-Pop-Künstlerin Paula Carolina, das DJ-Duo twocolors und Apashe mit Brass Orchestra auf. Vom Regen bisher: keine Spur.
Reichlich Frauenpower gibt es dann im Olympiastadion. Die britische R&B-Sensation Jorja Smith spielt zum ersten Mal in München und landet mit ihrer fantastischen Stimme sofort beim Publikum. Mit „Blue Lights“ und „Little Things“ hat sich auch zwei waschechte Hits im Gepäck, welche selbst die gehört haben sollten, die zuvor noch nie den Namen der Sängerin vernommen haben. An der direkt anschließenden Dame gab es allerdings in den letzten Jahren wahrlich gar kein Vorbeikommen: Shirin David. Erst zuletzt wurde sie als die Musikerin ausgezeichnet, die am häufigsten auf Platz 1 der deutschen Single-Charts gelandet ist. Immer noch verweilt dort der offizielle Sommer-Hit „Bauch, Beine, Po“, der zum Schluss erst von David und im Anschluss mit einem jungen Fan performt wird. Und davor: fette Beats, astreiner Live-Rap, eine irre Tanz-Performance von David und ihren zahlreichen Background-Tänzerinnen und insgesamt eine absolut beeindruckende Stunde, die Lust macht, die Rapperin gleich noch einmal zu erleben.
Dass jetzt wohl wieder Zeit für ein One Direction-Mitglied ist, zeigt sich sofort am Lärmpegel. Und doch, optisch sieht das auf der Bühne eher aus wie Liam Gallagher, als Louis Tomlinson mit Topf-Haarschnitt und Sonnenbrille zum Mikrofon zuschreitet und im tiefsten Britisch etwas ins Mikrofon singt. Auch musikalisch hat er sich reichlich von Oasis inspirieren lassen, aber dabei ein wenig den treibenden Spirit vergessen, der Brit-Rock mitreißend machen sollte. So läuft der einstündige Auftritt etwas belanglos vor sich hin. Danach gibt es erst einmal eine ungewollte Pause, denn Burna Boy startet sein Set mit 20 Minuten Verspätung. Dafür fährt er mit ganzen 13 (!) Musiker*innen und vier Background-Tänzerinnen die ganz großen Geschütze auf und bringt das Olympiastadion zum Grooven und Tanzen. Der nigerianische Sänger gehört zu den größten Vertretern des Afrobeats und ist ein absolutes Highlight-Booking im Superbloom, was nicht zuletzt in den zahlreichen Tagestickets zeigt, die für den ersten München-Auftritt des Künstlers abgesetzt wurden. Die Verspätung nimmt man ihm jedenfalls nicht böse, denn die knappe verbleibende Stunde füllt er mit einer grandiosen Performance.
Einen musikalisch größeren Kontrast hätte es wohl kaum geben können, doch direkt danach legen OneRepublic los, die Inhaber zahlreicher Radio-Hits seit knapp zwanzig Jahren, angeführt von Frontmann und Hit-Maschine Ryan Tedder, dessen Portfolio bekannter Lieder, die er für sich und andere Artists geschrieben hat, schon lange überläuft. Das weiß er auch und baut immer wieder einen Block ein, in dem er die bekanntesten seiner Werke am Piano performt, wie beispielsweise „Bleeding Love“ oder „Halo“. Ansonsten stehen sie aber zu siebt auf der Bühne, wenn die großen OneRepublic-Songs gespielt werden – und von denen gibt es auch nicht gerade wenig: „Counting Stars“, „Apologize“, „If I Lose Myself Tonight“, „Good Life“, „Stop And Stare“ und viele mehr. Das Material für einen fantastischen Auftritt ist da – und wird genutzt! Die Hits hätte Calvin Harris auch, denn mit zahlreichen Kooperationen ist auch er ein Radio-Dauergast. Trotzdem will der Funke nicht so recht überspringen, wenn er sein an sich fein gemachtes Set abspielt und alle paar Minuten ordentliche Tanz-Drops auf die Menge loslässt. Auch wenn Pyro-Show und Laser-Lichter gefallen, bleibt es irgendwie etwas fad und belanglos.
Den tatsächlich eskalativen Abriss zum Festivalschluss gibt es auf der NeoNeo-Stage mit Joost Klein. Der niederländische Pöbel-Rapper bringt einen halben Fiebertraum auf die Bühne und rattert mit hohen dreistelligen BPMs durch sein elektronisches Set. Respekt, wer die 45 Minuten heil überstanden hat. So endet ein doch deutlich versöhnlicher, wenngleich auch nasser (seit Louis Tomlinson hat es durchgehend geregnet) Festivaltag. Organisatorisch hat das Superbloom 2024 im Gegensatz zu 2023 in Teilen deutlich eingebüßt und auch die Verkleinerung des Festivalgeländes führt zu mehr Unmut als Freude, aber das Booking geht auch diese Aufläge wieder bestens auf und nimmt die Besucher*innen von der ersten bis zur letzten Sekunde mit. Ein etwas größerer Headliner darf es kommendes Jahr dennoch sein.
Die vierte Auflage des Superbloom Festivals findet am 30. & 31. August 2025 statt!
TICKETS gibt es HIER!
Bericht: Ludwig Stadler
Bilder: Sophie Köstner
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