30. Mai 2018: Dying Fetus im Feierwerk. Halt, nein: Wiegedood! Was namentlich ungefähr auf das Gleiche hinausläuft („wiegendood“ bedeutet plötzlicher Kindstod) unterscheidet sich inhaltlich doch stark: Anstatt mit den Brutalo-Death-Amis hat die stattliche, die Kranhalle wohl befüllende Zuschauermenge es mit einem Trio zu tun, dem das Feierwerk inzwischen alles andere als fremd sein dürfte. Die Belgier Wim Sreppoc (Drums), Gilles Demolder (Gitarre) und Levy Seynaeve (Gitarre, Gesang) waren nicht nur als Wiegedood schon bei der 2016er Ausgabe des Saint Helena Festivals in der Hansastraße zu Gast, sondern gaben sich auch letzten Dezember unter dem Namen Oathbreaker und – zumindest, was Seynaeve anbelangt – mit Amenra erst vor wenigen Wochen hier die Ehre. Diese Überschneidungen erklären sich dadurch, dass Wiegedood wie auch die anderen Bands Teil des Künstler-Kollektivs Church of Ra sind, das den kalten und in jeder Hinsicht frischen Wind, der anscheinend über Belgien weht, in die Welt hinausträgt.
Anders als Amenra oder Oathbreaker tendieren Wiegedood jedoch stärker dazu das „Post“ vor dem „Black Metal“ einzuklammern: Ihre kürzlich abgeschlossene Albentrilogie „De doden hebben het goed“ ist eine Verbeugung gen Norden, ein Wiederaufgreifen der eisigen Primitiv-Rasanz, die frühe skandinavische Black Metal-Bands geprägt haben. Das mag auch der Grund sein, dass Wiegedood ein leicht anders gelagertes Publikum als beispielsweise Amenra anziehen, das tendenziell die Kutte dem übergroßen, mit lebensverneinendem Spruchwerk dekorierten Longsleeve vorzieht.
Wohl um die Besucher in die richtige emotionale Startposition zu bugsieren, wird die Wartezeit mit traurigen Folk-Songs unterlegt – und um die Wirkung (und Spannung) noch zu steigern, lassen sich Wiegedood bis halb zehn Zeit, ehe sich das Trio auf die Bühne bequemt. Ähnlich wie bei Amenra findet keinerlei Kommunikation zwischen Band und Publikum statt. Hier ist Levy Seynaeve zudem an seine Gitarre und eine fixen Mikrophonständer „gefesselt“ und Gilles Demolder sind aufgrund eines Gipsbeins ohnehin große Sprünge verwehrt, was der Bühnenpräsenz eine gewisse Statik eingibt. Doch wer sollte sich an solchen Äußerlichkeiten stoßen, solange die Finger der Gitarristen vor den Saiten verschwimmen, während sie ihren Klampfen flirrende Tremoloriffs abtrotzen? Das Publikum ist angetan, in den Flauten, ehe das Trio wiederum durch „urban wastelands“ stürmt, wird zustimmender Beifall gespendet.
Und plötzlich ist es aus. Um Punkt halb elf, also nach einer Stunde Spielzeit, drehen sich Seynaeve und Demolder um, schalten ihre Amps aus und verziehen sich wortlos von der Bühne. Das Publikum verharrt einigermaßen ungläubig, immer zaghafter wird eine Zugabe erbeten, an die man bei dieser Band eigentlich gar nicht glaubt. Und tatsächlich gibt es auch keine, so wie es auch keine Vorband gab, was den Abend – in quantitativer, nicht in qualitativer Hinsicht – zu einer eher mageren Ausbeute macht.
Setlist: Svanesang / Ontzieling / De Doden Hebben Het Goed III / Parool / Cataract / Prowl