Tränen des Mitgefühls vergießen und vor Lachen weinen müssen innerhalb einer 105 Minuten langen Operette? Für den Komponisten Paul Abraham und seine Librettisten Alfred Grünwald und Fritz Löhner-Beda kein Problem. Was im Jahre 1930 für Gefühlsausbrüche in verschiedenste Richtungen gesorgt hat, scheint auch heute – fast 100 Jahre später – nach wie vor wunderbar zu funktionieren, wie uns der Regisseur Josef E. Köpplinger mit der Operette Viktoria und ihr Husar, welche am 10. Juni 2021 Spielzeitpremiere am Staatstheater am Gärtnerplatz feierte, beweist.
Die Geschichte folgt einem spannenden Erzählkonzept. Wir befinden uns zu Beginn des Stückes in einem Lager von russischen Kriegsgefangenen. Der Husarenrittmeister Stefan Koltay (Daniel Prohaska) und sein Bursche Janczy (Josef Ellers) warten dort auf ihre Hinrichtung, als Leutnant Petroff (Peter Neustifter) Koltay auffordert, ihm die Geschichte seiner großen Liebe zu erzählen. Während er erzählt, wird die Geschichte auf der Bühne lebendig und das Publikum ins ferne Japan entführt, wo Viktoria (Alexandra Reinprecht), der Koltays Herz gehört, mit ihrem Mann John Cunlight (Erwin Windegger) lebt.
Der Wechsel zwischen den verschiedenen Orten und Kulturen wird bühnen- sowie kostümästhetisch wunderbar anschaulich wieder gespiegelt. Zwischen Abrahams fernöstlichen, so wie ungarisch-heimatlichen Klängen wechselt der Fokus von schäbiger, dreckiger Gefängnisbaracke zu bunt-geblümtem, seidig-anmutigem Japan-Charme. Besonders in den Tänzen wird Tradition zudem groß geschrieben. Julia Sturzlbaum, in der Rolle der O Lia San, präsentiert uns einen faszinierenden Fächer-Tanz und am Ende gibt das Ensemble im ungarische Ort Doroszma traditionelle ungarische Tänze zum Besten. Choreograph Karl-Alfred Schreiner beweist mit seiner Arbeit ein gutes Gespür für die Gepflogenheiten unterschiedlicher Kulturen und schafft es, diese in den locker-leichten Rahmen einer Operette gekonnt einzubauen.
Das Werk lebt von vielen sympathisch-lustigen Musiknummern, in denen besonders die unterschiedlichen Dynamiken der Paare aufgezeigt werden. Diese Szenen sprühen zwar vor Charme, Witz und Energie, doch lässt eine mehrmalige Aneinanderreihung solcher Momente manche Pointen leider ein wenig fad werden. Die Ernsthaftigkeit der beiden Titelcharaktere Viktoria und Koltay bietet dahingehend eine willkommene Abwechslung und die Gefühlsbetontheit und Seriosität ihrer Dialoge und Lieder macht gemeinsam mit den humorvollen, leichten Szenen die besondere Qualität der Operette aus.
Wer in den Genuss eines Operetten-Klassikers mit exotistischen Ausflüchten kommen mag, darf sich diese Inszenierung am Gärtnerplatztheater nicht entgehen lassen. Fantastische Musik gemischt mit landläufigen Bildern und Tänzen und – was natürlich nicht fehlen darf – die ganz großen Gefühle zweier Menschen, die sich verloren geglaubt zu haben und deren Geschichte ans Herz geht.