Für viele wird es ein Aufatmen sein: Nachdem es nur schon einmal so schien, als würde es endlich wieder losgehen, musste der Theaterbetrieb mit der nächsten Corona-Welle wiedereingestellt werden, scheint jetzt aber wieder, mit einem „Freedom-Day“ in nicht mehr allzu großer Ferne, wieder zum Leben zu erwachen, und lässt sich auch von einem Krieg in Europa nicht die Stimmung vermiesen, weswegen das Deutsche Theater ab dem 16. März 2022 an wieder „Richard O’Brien’s Rocky Horror Show“ zeigt, um die Menschen wieder richtig zum Feiern zu bringen.
Die Geschichte des Klassikers ist dabei schnell erzählt: Das frisch verlobte Paar Brad Majors (Sev Keoshgerian) und Janet Weiss (Claire Keenan) müssen, aufgrund eines Unfalls, im Schloss des Professors Frank’N‘Furter (Oliver Savile) unterkommen. Dort erwartet sie aber nicht das Telefon, sondern eine Nacht, gefüllt mit Sex, Rock’n’Roll und Aliens, bis alles in einer dramatischen Klimax endet, welcher das ein oder andere Opfer fordert.
Hier muss gleich der erste Kritikpunkt einfließen: Obwohl ich durchaus Englisch verstehe, musste ich, als absoluter Rocky-Neuling, die Geschichte nach dem Stück nachlesen. Im Groben wird zwar klar, um was es geht, die Feinheiten sind aber aus den Songs nur sehr schwer rauszuhören, was auch daran liegt, dass die Musik, welche von der Live-Band zwar großartig gespielt ist, manchmal einfach zu laut, zu bombastisch ist, und den Sänger*innen ihre Stimme nimmt, was sich zusammen mit dem eh schwierigen Verständnis von englischen Texten für den durchschnittlichen Musicalbesucher dann als recht problematisch herausstellt; vielleicht wären hier Obertitel angebracht gewesen, um das Stück, grade in Zeiten des „Theater-Hungers“, jedem zugänglich zu machen.
Wenn man diesen Punkt ignorieren möchte, so kann man aber immer noch fragen, was diese Rocky Horror Show zu bieten hat. Zuerst natürlich die Schauspieler*innen und Sänger*innen: Hier gibt es nichts zu beanstanden, jede*r machen den Job großartig und schaffen es, den Songs das richtige Gefühl zu geben. Gerade Oliver Savile tritt hier hervor: Er schafft es, der wichtigsten Figur in jeder Szene sehr viel Raum und Stimme zu geben, vielleicht sogar zu viel Raum, den neben ihm verblassen die anderen Schauspieler*innen schon teils sehr; zu sehr wird er vom Stück in den Mittelpunkt gerückt. Erst in den Einzelszenen wird den Weiteren genug Raum eingeräumt. Grade Jordan Castle in der Rolle von Eddie und Dr. Scott hat eine großartige, facettenreiche Stimme, mit der er es schafft, seine beiden eigentlich kleinen Figuren im Gedächtnis des Zuschauers zu verankern; auch Declan Egan spielt seine Rolle als Butler Riff Raff sehr vergnügt, mit herrlich viel Übertreibung und Overacting, mit welcher er für den ein oder anderen Lacher sorgen kann.
Unterstützt werden sie dabei von der tollen Technik des Stücks: Gerade das Bühnenbild vermittelt, mit blinkenden, bunten Bildern im Hintergrund ein echtes 70er Jahre Feeling, was zusammen mit den Lichtern, welche von David Howe ebenso grandios designed wurden, viel Stimmung erzeugen, und dabei nur erstaunlich selten blenden. Vielleicht kann man an dieser Stelle auf den größten Kritikpunkt am Stück hinweisen: das ganze Geschehen ist sehr bühnenfokussiert. Außer von Sky du Mont als Erzähler wird das Publikum nicht in das Stück eingebunden, wodurch leider ein Großteil des Flairs der Show verloren geht. Das Ensemble ist zu sehr auf sich fokussiert, um das Publikum, was an sich durchaus in Stimmung ist, richtig in Wallung zu bringen, und so büßt das Stück leider viel von seinem Charme ein, bleibt ein normales Musical. Das macht es zwar immer noch gut, auch durch die tollen Kostüme, welche von David Farley wirklich toll umgesetzt wurden, ist aber eben doch überraschend bei so einem für Interaktivität bekannten Werk. Auch als Musical hätte das Stück noch einiges besser machen können. Beispielsweise ist die Bühne nicht immer gut genug ausgeleuchtet, um alle Schauspieler*innen in Szene zu setzen, obwohl man sieht, dass im Hintergrund getanzt wird, hier wurde leider etwas eingebüßt.
Am Ende bleibt ein toller, rockiger Abend, für Fans, aber auch für alle, die endlich mal wieder etwas Theaterfreude erleben wollen; aber mehr wäre in diesem Fall vielleicht ausnahmsweise wirklich mehr gewesen.
Kritik: Cedric Lipsdorf