Zotenreiche Rockzeitreise – „Rock Of Ages“ im Deutschen Theater (Kritik)

Veröffentlicht in: Musical, Theater | 0

Es ist immer eine große Freude, wenn sich Broadway-Hits auch nach Deutschland verirren. Das Jukebox-Musical „Rock Of Ages“ geht hier sogar besonders strahlend voran, wurde es 2012 leicht abgeändert sogar auf die große Leinwand gebracht und mit u.a. Tom Cruise erfolgreich verfilmt. Ähnlich, aber natürlich doch wieder ganz anders, präsentiert sich eine Neuinszenierung, die im Deutschen Theater München am 5. April 2023 Premiere feiert und dort noch bis zum 16. April gastiert, bevor es auf Tour durch die gesamte Republik geht. Am roten Teppich ist ein ordentliches Aufgebot vorhanden, von Ralph Siegel bis zu den Killerpilzen sind allerlei Musikvertreter*innen gekommen, mit Doro Pesch ist sogar eine wahre Rock-Legende der 80er-Jahre anwesend. Beste Vorzeichen also, um in einen fetzigen Abend voller Rock-Hits zu starten!

© Nico Moser

Von der angegebenen Laufzeit sollte man sich dringendst lösen, am Ende sind 165 Minuten einschließlich Pause vergangen. Wer bereits ein kurzes Vergnügen befürchtete, kann hier also getrost aufatmen, die etlichen Klassiker der Rock-Geschichte werden ausführlich aufgearbeitet, ob in Medleys, Duetten oder Soli. Eingebunden ist das alles in eine, wie für Jukebox-Musicals üblich, thematisch passende und durchaus etwas kitschige Rahmenhandlung einer Romanze. Die Krux hierbei: alles spielt auf einer Meta-Ebene. Es gibt einen Erzähler, der das Musical-Genre und ihre Eigenheiten (selbst-)ironisch und humorvoll beleuchtet, selbst aber auch Teil der Handlung ist. Angehäuft wird das mit einer schier endlosen Anzahl an Klischees, wie sie den 80s-Rock-Stil erst so richtig authentisch wirken lassen sollen, und Zoten, Zoten, Zoten. Aber ist das noch humorvoll-witzige Aufarbeitung der damaligen Zeit oder vielleicht doch schon einfach drüber? Schwer zu beantworten, denn einem absolut platten Witz (über den aber ernsthaft herzlich gelacht wird), folgt zumeist eine überspitzte Entkräftigung. Vielleicht muss man damals dabei gewesen, um die stark aus der Zeit gefallenen Sprüche hinzunehmen, das Zielpublikum im mittleren Alter hat in jedem Fall massig Spaß.

© Nico Moser

Unangefochten stark sind die musikalischen Darbietungen. Der Cast, angeführt vom Paar Julia Taschler als Sherrie Christian und Felix Freund als Drew Boley, ist absolut tonsicher und erreicht auch die schwierigsten Parts in Songs wie „The Final Countdown“ und „Don’t Stop Believin“, bei denen man gern immer mal wieder aufgrund der starken Bekanntheit verkennt, was das für extrem schwer zu singende Stücke sind. Begleitet von einer spielerisch astreinen Rock-Band und gesegnet mit grandiosem Sound, macht die Zeitreise musikalisch einen Heidenspaß und fühlt sich an wie ein Roadtrip auf Bayern 1, wenn sie aber nur die guten Nummern spielen. Passend dazu gesellt sich das geniale Kostümdesign von Mara Schönborn, welches die Zeit bildlich perfekt trifft und sowohl die exzessiv-knappen als auch ausgefallen-schrägen Phasen des Rocks mit einbeziehen – denn auch im Hard Rock gibt es vom möglichst seriösen und ernsten Rock bis zum abgespacten Glam Rock eine riesige Bandbreite. Die wird gut repräsentiert und gern auch durch den Kakao gezogen.

© Petra Schönberger

Am Ende steht der gesamte Saal und jubelt zum großen Journey-Hit den Darsteller*innen und dem Kreativteam zu. Gelungene Premiere und Startschuss für die dreimonatige Tour, die vor dem Team liegt. Wer in der Zielgruppe von 40+ Jahren liegt, dürfte einen Heidenspaß mit der Musical-Persiflage haben. Musical-Liebhaber werden nach dem recht wimmligen und schnellen ersten Akt vor allem im zweiten Teil ihre Momente finden. Für jüngere Musiktheater-Freunde gilt ein dickes Fell und eine gewisse Schmerzbefreitheit bei plumpen, sexistischen Witzchen – Meta-Ebene hin oder her, das ist nicht leicht zu ertragen und lässt umso mehr freuen, wenn die nächste Musiknummer folgt. Das ist am Ende das wesentliche: It’s only Rock’n’Roll, but I like it!