Nachdem bereits das Cuvilliéstheater als auch das Haupthaus des Residenztheaters mit neuen Produktionen eingeweiht wurden, ist nun die kleinste Spielstätte des Bayerischen Staatsschauspiels an der Reihe: der Marstall. Dieser überrascht erst einmal beim Betreten, denn die Neugestaltung von Wolfgang Menardi ist anfangs ungewohnt, aber dann doch einfach konsequent und äußerst gelungen – helle Holzwände, Sitzmöglichkeiten und ein Pflanzenbeet zieren jetzt das Foyer. Eine Einstimmung auf die folgende Premiere von „Olympiapark In The Dark“, denn, abgesehen von Resi-Urgestein Barbara Melzl, findet man nur neue Gesichter auf der Bühne an diesem Samstag, 26. Oktober 2019.
So ist es auch Melzl, die die neuen Darsteller, plappernd im Entenmarsch, durch das Theater führt und alles erklärt. Doch spätestens, wenn sich anschließend an die Instrumente gewagt wird, endet das kalkulierbare Sprechtheater und die Arbeit von Regisseur Thom Luz zeigt sich in voller Ausgestaltung – ein musikalisches, erstes Begreifen von München, eine klanglich kreierte Welt, die den Spagat zu historischen Ereignissen der Stadt schlägt und letztendlich in der immer wieder erwähnten Symphonie endet – der Umgestaltung von „Central Park In The Dark“ von Charles Ives. Der Weg dorthin aber: lang, zäh und relativ unkoordiniert. Kein leichtes Unterfangen.
Wer hier mit dem Anspruch in den Marstall geht, starkes Sprechtheater wie bereits bei „Sommergäste“ und „Die Verlorenen“ zu erleben, wird enttäuscht – man muss sich vollkommen auf die eigenwillige und performance-lastige Inszenierung einlassen, sich in die verspielten Klänge und repetitiven Aussagen eindenken und den Abend als Gesamtkonzept als Annäherung an eine für den Großteil fremde Stadt begreifen. Das Ensemble mimt dabei ein Orchester, in Vorbereitung auf die Aufführung der Symphonie. Anfangs als Masse, kristallisieren sich erst nach und nach die einzelnen, individuellen Charaktere heraus, die meist rein historisch zu betrachten sind und auch dann etwas farblos bleiben. Immerhin gelingt es Mareike Beykirch mit ihrem Monolog über Bratschistinnen und Christoph Franken und Elias Eilinghoff im (unmöglichen) Dialog als Karl Valentin und Oskar Maria Graf, einen humorvollen Kontrast zu schaffen und Akzente zu setzen. Ansonsten bleibt das Ensemble, wenngleich auch im Kollektiv überzeugend, in solistischen Einlagen weit hinter dem zurück, was sie leisten könnten. Weshalb man also die vielversprechende Verpflichtung des österreichischen Durchstarters Noah Saavedra so unausgekostet lässt, bleibt fraglich – hier wäre deutlich mehr möglich gewesen, unabhängig der klanglichen Annäherung.
„Wer’s mog“, sagt eine Stimme im tiefsten Bayerisch aus Reihe 3 – und zwar ist das als Fazit deutlich zu plump, aber im Kern absolut richtig. Findet man keinen Bezug, keine Annäherung zu der Arbeit von Thom Luz mit Klang- und Lichtwelten, die zwar von technischer Seite (hierbei großes Lob!) fantastisch umgesetzt werden, aber eben zäh bis zum Schluss kompromisslos und ohne roten Faden weiterlaufen, sollte man Abstand halten. Findet man Zugang, ist das Stück zwar immer noch deutlich zu lang, aber bietet einen womöglich ganz neuen Blick für die musikalische Theaterarbeit – und wo, wenn nicht im Marstall, sollte so etwas zelebriert werden?
Kritik: Ludwig Stadler