Neue Wildnis – Oehl im Milla (Konzertbericht)

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Bis die Leute, denen man von dieser neuen Indie-Pop-Band Oehl erzählt, es endlich schaffen, diesen Bandnamen richtig zu schreiben, vergeht eine Zeit. Aber dann offenbart sich ein doch sehr feiner und unerwartet frischer Sound im Indie-Spektrum, der mit dem Debüt-Album „Über Nacht“ nun hoffentlich auch die Hörerschaft erfährt, die er verdient. Die erste Headliner-Tour, die sie durch die deutschsprachigen Gefilde führt, startet am 14. Februar 2020 im Milla in München – restlos ausverkauft, was schon einmal ein bestes Zeichen dafür ist, dass die Großstädte eben auch kleinere Künstler immer wieder zu würdigen wissen.

Support ist recht spontan OSKA, die um 20:20 Uhr mit ihrer Gitarre die schnucklige Bühne des Millas entert. Die österreichische Künstlerin ist noch ganz am Beginn ihrer Karriere, noch frischer als Oehl selbst, sie veröffentlicht im April ihre erste EP und spielt die fünf Lieder daraus nun dem Münchner Publikum vor. Entspannt und rhythmisch präsentiert sich die junge Singer/Songwriterin dabei, nur eine leichte E-Gitarre und ihr zarter Gesang begleiten ihre Melodien. Besonders gleich das erste Werk, „Distant Universe“, weiß vollkommen zu gefallen. Leider benimmt sich insbesondere das hinten stehende Publikum recht respektlos und unterhält sich lieber lautstark als OSKA zu unterstützen. Das erschwert manchmal das volle Verfolgen dieser ganz so ruhigen Klänge – aber auch so sind wir gespannt, wann und wo wir diese Künstlerin wieder sehen werden!

Setlist: Distant Universe / Misunderstood / Somebody Like Me / Love You’ve Lost / Starstruck

Auch Oehl verzichten auf ein großes Intro oder viel Anfangs-Hudelei, sie spazieren gegen 20:50 Uhr zu ihren Instrumenten und legen recht unverblümt mit „Fluchtpunkte“ los. Einen Knall kann man das natürlich nicht nennen, aber auch nicht bei den folgenden Stücken, doch das liegt in der Natur der Musik. Die von Sänger Ari Oehl und Multiinstrumentalist und vor allem Bassist Hjörtur Hjörleifsson geschriebenen Lieder sind melancholisch, verspielt und nicht selten verträumt, die Texte poetisch, durchdacht, vielleicht manchmal auch eine Nummer drüber, aber gut, Oehl haben den Musikmarkt sicher nicht geentert, um sich großartig anzupassen. Dass sie dennoch eingängige Refrains schreiben können, beweisen „Wolken“ und insbesondere „Über Nacht“, das lautstark vom Publikum mitgesungen wird. Das ist an diesem Abend besonders dankbar, spendet kräftig Applaus und gibt der Band einen würdigen Tourauftakt und allgemein eine wirklich angenehme erste Headliner-Show der Gruppe.

© Alexander Gotter

Besonders sticht dabei Patricia Ziegler hervor, die sich in der Erhöhung der Bühnenanordnung mit den wildesten Instrumenten von Harfe zu eigenwilliger Riesenflöte bis Soundboard austobt und den sowieso schon recht eigen klingenden Liedern eine noch spannendere Note verleiht. Ari Oehl selbst erzählt von der Entstehung seines Parfüms, dem Ausprobieren neuer Lieder („Schon wieder nichts im Kühlschrank als Licht, satt werden wir davon nicht!“) und grinst sich charmant durch das Set, nur gesanglich sollte er womöglich ins Mikro als daran vorbei singen – der Gesangsstil ist letztendlich sowieso nicht der deutlichste, da wird es ohne Verstärkung schier unmöglich, die Texte zu erkennen. Klar und deutlich hört man dann aber alles beim Peter Gabriel-Cover „The Book Of Love“ – auf Deutsch und Isländisch. Ein clever Zug, der in der Übersetzung das Lied allerdings fast persifliert, aber musikalisch unangetastet genial lässt. „Keramik“ ist da nur der konsequente Abschluss einer 75 Minuten langen und zwar recht verträumten, aber dabei doch ungemein entspannten Show. Oehl stehen noch ganz am Anfang, das merkt man, das spürt man auch noch – aber da schlummert noch so viel mehr, dass wir in den nächsten Jahren hören und mitbekommen werden.

Setlist: Fluchtpunkte / Wolken / Instrument / Neue Wildnis / Ganymed / Anlegen / Bisher / Tausend Formen / Satt werden wir davon nicht / Über Nacht / Himmel / Augen / Wie Motten das Licht / TrabantZugaben: The Book Of Love (Peter Gabriel cover) / Keramik

Bericht: Ludwig Stadler