Not macht bekanntlich erfinderisch – und wenn jemand in einer Pandemie in der Not ist, dann wohl die Kultur. Deshalb ist Eulenspiegel Concerts, die u.a. das Lustspielhaus bespielen, kurzerhand im Rahmen der erlaubten Bedingungen an die frische Luft gezogen und zeigt nun im Innenhof des Deutschen Museums Verschobenes, Nachgeholtes und Frisches. Das Areal umfasst, nach der weiteren Lockerung, 250 Sitzplätze, aber auch insgesamt entsteht keine erzwungene Enge, sondern viel Bewegungsfreiheit. Der Einlass läuft großartig, das Publikum hält sich artig an alle Maßnahmen und Getränke zu wunderbar-humanen Preisen gibt es auch. Bevor also an diesem 20. Juli 2020 Michael Mittermeier loslegt, gewinnt allein die Lokalität mit so viel Atmosphäre und Charme alle Herzen.
Nun aber, kurz nach 20 Uhr, kündigen dröhnende E-Gitarren Michael Mittermeier itself an, der sogleich auf die Bühne stürmt und mit Jubel empfangen wird. Ab Herbst tourt er, zumindest ist so der Plan, mit seinem mittlerweile 13. Bühnenprogramm durch die Lande, nun ist natürlich auch ihm Corona dazwischen gegrätscht und er hatte drei Monate und sechs Tage keinen Auftritt – so lange wie noch nie in seiner Karriere. Es stecke in ihm aber so ein Pointenstau, der müsse endlich raus. Kein Wunder also, dass dieses „Special“, wie schon angekündigt, ein spontanes Pandemie-Programm wird, in dem Mittermeier über all die Dinge erzählt, die ihm geschehen sind oder ihn einfach beschäftigen. Ganz vorne dabei: die Autokinos. Diese Auftritte haben ihn mehr paralysiert als begeistert, auf die Witze gab es als Reaktion lediglich Scheibenwischer und Lichthupen und selbst gehört habe er sich sowieso nie, erst recht nicht bei einem Gig am Flughafenparkplatz, wenn alle paar Minuten ein Flieger aufsteigt.
Ansonsten kramt Mittermeier im Sammelsurium der Absurditäten – vom Berliner Flughafen, der nun wohl wirklich in der Corona-Zeit eröffnet, bis zum dauerniesenden Buben namens Anakin-Merlin beim Stammbäcker. Kaum eine Gruppe bekommt nicht ihr Fett weg, kaum eine Pointe wird ausgelassen. Meistens zünden die Witze, wenngleich das Münchner Publikum sich relativ verhalten zeigt und erst in der letzten Hälfte langsam warm wird. Der eine oder andere Gag ist dann aber einfach zu flach, teils auch einfach zu zotig. Bei so einem improvisierten, vollkommen in den letzten Monaten spontan verfassten Programm aber kein Drama, zudem er letztendlich doch auf satte 105 Minuten Spielzeit kommt – ohne Pause, versteht sich, ganz coronakonform. Besonders amüsant kommt die Erzählung über die Mütter-WhatsApp-Gruppe daher, die sich zum Homeschooling gegründet hat. Nach Nachrichten-Dauerterror und der letztendlich dümmstmöglichen Frage, ob man sich denn beim FaceTimen mit einem Chinesen anstecken könnte, hat Mittermeier (oder zumindest sein erzähltes Alter-Ego) einfach mit JA geantwortet, und gleich noch einen Auberginen-Emoji hinterhergeschickt. Die Eltern-Schar ist aufgebracht, seine Frau erzürnt, aber: das Publikum im Deutschen Museum lacht.
Ins Schleudern kommt der in Pullach lebende Comedian dann aber bei Donald Trump. So ein Irrsinn sei das, was er mache, da könnte selbst er keine Witze mehr darüber machen. Auch die Hygiene-Demos haben ihn mehr verwirrt als einfach nur aufgeregt, insbesondere die Ziellosigkeit davon („Denen möchte ich nicht einmal geduscht begegnen“). Den Irrsinn der Verschwörungstheoretiker schneidet er auch an – und ebenso den von Xavier Naidoo, mit dem Mittermeier die vergangenen Jahre immer mal wieder auf Tournee gewesen ist und bis zum Schluss verteidigt hat. Bis jetzt. Er habe die Videos genauso fassungslos angesehen. Fürsprache gibt es aber für Fridays For Future, er unterstütze die Bewegung absolut und sei auch seit immer schon überzeugter Grünen-Wähler. So erzählt er fleißig vor sich hin, alle 15 Minuten untermalt vom Glockenschlag des Turms im Deutschen Museum, der selbstredend eingebaut wird. Die Zeit vergeht wie im Flug und Längen entstehen zu keiner Sekunde. Auch nach weit über 30 Jahren im Kabarettgeschäft – er kann’s noch, der Mittermeier. Und wie!
Bericht: Ludwig Stadler