Eine leichte Zeit waren die letzten Monate wahrlich nicht für das Theater, nicht in Deutschland, aber auch auf der ganzen Welt. Doch nicht nur das Theater selbst musste umdenken, auch die Strukturen, Organisationen und Vereine, die daran beteiligt sind, wie auch die Freunde des Residenztheaters. Die sonst stattfindenden Gespräche nach den Aufführungen beispielsweise sind genauso wenig möglich wie die Aufführungen selbst – also wurde alles digital. Was allerdings doch nur schwerlich online möglich ist: die alljährliche Kurt-Meisel-Preisverleihung im Residenztheater. Ein Wunder, dass die Lockerungen also so exakt daherkommen, dass tatsächlich 200 Personen im Saal Platz finden und im Rahmen der geschlossenen Gesellschaft auch allen interessierten Mitgliedern die Möglichkeit gegeben wird, dabei zu sein. 19. Juli 2020, 11 Uhr.
Die Entfernung jeder zweiten Sitzreihe im Resi-Saal verwundert zu Beginn, ist aber doch ein kluger Schritt, der ein Abstands-Hinsetzen wunderbar ermöglicht. Auf der Bühne wird ebenso brav auf die Corona-Regeln geachtet, wie gleich zu Beginn die stellvertretende Vorsitzende Lena Kettner, ebenso charmante Moderatorin der Matinee, beweist, indem sie in dementsprechender Entfernung an Intendant Andreas Beck übergibt. Eine Rede hält natürlich auch Marissa Biebl, Vorsitzende der Freunde des Residenztheaters und damit auch Aushängeschild der heutigen Veranstaltung. Die tatsächlichen Stars des Vormittags – und das hat womöglich durch Corona dann doch besser geklappt als je zuvor – sind die drei Preisträger.
Dazu zählt einmal Michael Wächter, dem von Regisseur Simon Stone eine ellenlange, aufgezeichnete Laudatio gewidmet wird, die in so extrem hohen Tönen von dem Schauspieler spricht, dass das schon fast Auszeichnung genug scheint. Charmant und souverän bedankt er sich – und wir uns bei ihm für seine großartige Leistung! Lukas Rüppel und Max Rothbart widmen ihm auf diesem Weg noch einen Udo Jürgens-Song. Des Weiteren wird Liliane Amuat mit einem Förderpreis ausgezeichnet. Juliane Köhler, ihre Kollegin in ihrer ersten Münchner Neuinszenierung „Lulu“ hält eine grundehrliche und herzliche Laudatio für ihre Mitspieler und bringt die Preisträgerin, die erstmals mit ihrem jungen Sohnemann ins Theater gekommen ist, sichtlich zum Strahlen. Wir sind ebenso absolut begeistert von der gebürtigen Schweizerin und freuen uns darauf, sie in noch vielen Inszenierungen zu sehen! Der Verleihung folgt übrigens ein humoristisches Intermezzo von Ensemble-Kollegin Pia Händler, die in eine der männlichen Rollen Amuats aus „Lulu“ schlüpft.
Den Hauptpreis für 2020 erhält Nicola Mastroberardino, der u.a. in „Woyzeck“, „Drei Schwestern“ und „Die drei Musketiere“ das Münchner Publikum bereits begeisterte. Bei ersterem sei er maßgebliche Inspiration gewesen, wie Regisseur Ulrich Rasche verrät, der die Laudatio auf den Preisträger halten darf. Zwar verirrt sich Rasche in Zitaten und Überlegungen, die den Rahmen deutlich sprengen, aber dennoch, ein solch großes Lob eines der bedeutendsten europäischen Theatermacher unserer Zeit ist durchaus schmeichelhaft. Überraschend ist dann eher die humorvolle Rede von Mastroberardino selbst, der laut darüber nachdenkt, wie es wohl wäre, den Preis mit dem gesamten Ensemble oder einfach gleich allen Resi-Theaterleuten zu teilen. Das Unerwartete liegt aber weniger in den Witzen, sondern in der Tat: er kündigt an, die Hälfte des Preisgeldes, also 2.500€, wieder zurückzugeben und dem Spendentopf für freischaffende Künstler am Residenztheater hinzuzufügen. Dieser starken und ehrenvollen Geste folgt Benito Bause mit einer fantastischen Musikeinlage, die die Preisverleihung schließt und zu einem kleinen, coronakonformen Umtrunk im Schmuckhof weiterleitet. Trotz all der Umstände: was für ein schöner Vormittag! Bis nächstes Jahr – und dann wieder vollkommen und richtig!
Bericht: Ludwig Stadler