Teil dieser Band – Kraftklub im Zenith (Bericht)

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Alles unter Komplett-Eskalation wäre für ein Kraftklub-Konzert wahrscheinlich eine Enttäuschung gewesen. Deshalb gibt es sie auch am 18. November im Zenith – schon am Vortag haben sie dort gespielt und somit insgesamt knapp 12.000 Tickets in München verkauft. Das ist schon beachtlich in einer Zeit, in der viele Bands gerade Probleme haben, Konzertlocations vollzukriegen. Manche sagen Touren auch gleich ganz ab, wie zum Beispiel Tocotronic. Kraftklub aber ist auf der Insel der seligen Bands, die sich darüber keine Sorgen machen müssen: Ihre Tour ist – bis auf ein paar Resttickets in Stuttgart – ausverkauft, mit Zusatzterminen wie in München. Das hängt vielleicht auch damit zusammen, dass die Fans fünf Jahre auf das neue Album „Kargo“ und somit auch auf eine neue Tour gewartet haben.

© Sammy Bermudez

Voract ist diesmal nicht Blond, wie man es von vielen Kummer– und Kraftklub-Konzerten kennt, sondern Dilla, die ihren ersten Auftritt der Tour hat (sie löst die Band Power Plush ab). Kraftklubs Sänger Felix Brummer macht charmanterweise vorab eine Ansage in Jogginghose und Schal, und fordert die Leute zum Support auf. Das vergangene Vorband-Dasein habe ihnen gezeigt, wie schwierig das manchmal sein kann. Dilla kommt mit ihrem DJ auf die Bühne und bedient den neuen Gen Z-Sound: technohafter, treibender Beat und darüber Fun-Texte wie: „Wir ernähren uns von Licht, wir machen Photosynthese. Der Himmel immer rot wie bei gute Bolognese.“ Alles immer halbironisch – auf dem Insta-Profil der Sängerin steht: „Klingt billig und ist auch einfach nicht so gut.“ Sie hat eine beachtliche Vocal Range, aber musikalisch hört es sich in manchen Momenten sehr trend-fokussiert und abwechslungslos an. Ein Song fällt aus dem Raster: eine klassische Liebesballade, die sie alleine am Keyboard spielt. Und plötzlich wirkt das Ganze nicht mehr nur ironisch (auch wenn sie den Song mit „Jetzt wird’s cheesy!“ ansagt), sondern ehrlich schön.

Bevor Kraftklub auf der Bühne steht, gibt es schon die ersten Hinweise, dass sie es sind, die heute auftreten. In der Playlist, die vorab läuft, sind Songs der Künstler:innen, die in ihrer ersten Singleauskopplung Ein Song reicht“ aufgezählt werden, unter anderem von The Killers und Lykke Li. Die Leute stimmen sich mit Grölen zu Mr. Brightside and I Follow Rivers ein.

Um 20:55 Uhr erheben sich die Wände des riesigen Quaders, der auf der Bühne aufgebaut ist. Als „In meinem Kopf” vom neuen Album startet, starten auch die ersten Moshpits. Der Song hört sich wie ein Kraftklub-Klassiker an, den auch die meisten mitsingen können. Wild geht es zu, manche im Publikum wirken so, als ob sie vor allem Bock auf Krawall in der Menge haben, deshalb folgt auch relativ schnell eine Ansage von Felix, in der er die Moshpits als safe space für alle deklariert, vor allem für die „girls“, die sich bitte jederzeit bei den Securities melden sollen, wenn es Probleme gibt. Der Großteil hüpft aber brav ohne Aggressionspotenzial hin und her und tut es Felix gleich, der auf der Bühne herumtobt.

© Philipp Gladsome

Vieles bleibt in alter Kraftklub-Manier: das Bühnenoutfit mit den Hosenträgern und den Regenjacken, die sie nach und nach ausziehen, das kleine Podest, auf das Felix immer wieder drauf springt, Konfetti, das in die Menge geschossen wird, und dabei der Rest der Band entspannt im Hintergrund, Karl, Till, Steffen und Max, die Felix das Reden überlassen. „Bisschen aufgeregt“ seien sie wegen der neuen Songs, sagt Felix, aber das kann man gar nicht so wirklich glauben, dafür sind sie zu erfahren und selbstsicher auf der Bühne.

Ein Upgrade hat die Lichtshow bekommen: Mehrere Beleuchtungsquader fahren von der Decke aus hin und her oder drehen sich. Einmal steht Gitarrist und Sänger Karl auch auf der Beleuchtungsplattform drauf, mit Nebel und Spotlight auf ihm, und singt in fast kirchlichem Ambiente belächelnd über die vermeintlichen „Sorgen” von konservativen Deutschen: „Ich hab‘ Angst. Hast du Angst? Alman Angst.”

Die Liebe zu ihren Fans besingen sie in dem neuen Song „Teil dieser Band”, nach dem sich Felix mehrmals lächelnd aufs Herz klopft. Den Vergleich zum gestrigen Abend in München bringt er mehrmals, man überlege ja immer, welcher Abend besser gewesen sei, sagt er, und versichert: „Ihr habt paar Chancen.“ Fast alle Songs vom neuen Album sind in der Setlist, die aber im gleichen Maße Moshpits auslösen wie die altbekannten Lieder. An diesem Abend fehlt nur leider „Kein Gott, kein Staat, nur Du”, bei dem die Sängerin Mia Morgan ein Feature hat. Einmal fällt der Bass, bei „Ich will nicht nach Berlin” aus, aber fast wirkt es wie ein Stilmittel, als er dann beim letzten Refrain wieder einsetzt.

Beim altbewährten Glücksrad holen sie jemanden auf die Bühne, der drehen darf, um zu bestimmen, welcher Song als nächstes gespielt wird. Ein alkoholisiert wirkender Johannes kommt, dreht auf Irgendeine Nummer” und springt dann ohne Schuhe in die Menge zurück als Stagediver. Die Band folgt ihm später, positioniert sich im zweiten Block und spielt das melancholische Kein Liebeslied”. Ein kleiner Felix-Solo-Moment folgt auch noch beim schönen Bei Dir”, bei dem die Menge so voller Inbrunst mitsingt, als ob gerade alle zusammen eine große Liebeserklärung ablegen wollen. „Schön euch mal so nah zu sehen”, sagt Felix. Bei 500k” wird in der Menge wieder die Eskalation für den Rest des Abends eingeleitet.

© Justin Sammer

Bei Kraftklub kann man sich sicher sein, dass sie nicht nur Haltung in Songs wie Schüsse in die Luft” oder Vierter September” zeigen, in denen sie die Probleme mit der rechtsradikale Szene in ihrer Heimat Chemnitz thematisieren, sondern auch in Interviews oder auf der Bühne – ohne Angst damit vielleicht die Stimmung zu drücken. Felix solidarisiert sich mit den Klimaprotesten junger Menschen, die er viel besser verstehen kann, als „meckernde Autofahrer”, und kritisiert die Vorbeugehaft in Bayern. Er spricht sich gegen Rassismus, Antisemitismus, Sexismus und Homophobie a

us. „Und Nazis raus ruft es sich leichter, da wo es keine Nazis gibt” heißt es in ihrem Song „Wittenberg ist nicht Paris”. An diesem Abend ist es ein Bubble-Event, an dem es wohl leichter ist, aber sich nicht alleine zu fühlen, “ist nicht nichts”, sagt Felix. Am Ende eskaliert nochmal alles bei „Randale”, den Felix mit einem Bengalo oder Bühne einläutet, jetzt auch mit dem riesigen leuchtenden „K” im Hintergrund – dem Symbol der Band.

Manche werfen der Band vor, musikalisch zu eintönig zu sein, aber man kann auch sagen, dass Kraftklub den Sound gefunden hat, der zu ihnen und den Texten passt, und der vor allem live funktioniert. Das zeigt sich auch an der treuen Fanbase: Als Felix gegen Ende fragt, wer schon mal bei einem Kraftklub-Konzert gewesen ist, melden sich gefühlt die meisten. Der Band merkt man an, dass sie es genießen, wieder zusammen auf der Bühne zu stehen. Felix sagt: „Wir machen Musik, um live zu spielen.”

Mit München hätten sie jetzt auch ihren Frieden gemacht, erzählt er noch: Früher, zu Zeiten, in denen sie im Atomic Café, dem Strom oder Ampere gespielt haben, seien sie immer wieder in Schlägereien verwickelt worden und hatten sogar kurzzeitig überlegt, ob sie überhaupt noch kommen sollten. Zum Glück haben sie sich damals dagegen entschieden und füllen jetzt zweimal das Zenith.

Setlist: In meinem Kopf / Fahr mit mir (4×4) / Mein Leben / Unsere Fans  / Wittenberg ist nicht Paris / Eure Mädchen / Teil dieser Band / Ich will nicht nach Berlin / Irgendeine Nummer (Glücksrad) / Wie ich / Der Zeit bist du egal / Angst / Vierter September / I love it (Icona Pop feat. Charli XCX Cover mit Dilla) / So schön / Kein Liebeslied / Bei dir (Kummer Cover) / 500k / Karl-Marx-Stadt / Schüsse in die Luft / Randale / Chemie Chemie YaZugaben: Blaues Licht / Ein Song reicht / Songs für Liam