„Große Orchester“ heißt die Konzertreihe von MünchenMusik, in deren Rahmen das Orchestra dell‘ Accademia Nazionale di Santa Cecilia – Roma unter der Leitung seines Musikalischen Direktors Sir Antonio Pappano am 21. Januar 2020 in der Philharmonie auftritt – und wenn ein Orchester in dieser Kategorie auftreten kann, dann ist es wohl dieser aus Italien stammende Klangkörper der Extraklasse.
Einen überschwänglichen Einstieg bietet Ludwig van Beethovens Ouvertüre zu „König Stephan“, in der sich bereits die den Abend definierenden Qualitäten des italienischen Traditionsorchesters offenbaren: ein hell strahlender Streicherklang, ein ungewöhnlich homogener Holzbläserapparat und resolutes Überbetonen der Akzente
Anschließend folgt das romantische Violinkonzert schlechthin – dasjenige von Felix Mendelssohn Bartholdy, an diesem Abend interpretiert von der niederländischen Geigerin Janine Jansen, wie gewohnt extrem feurig und voller Leidenschaft. Mit einem großen Vibrato auf fast jedem Ton, das zuweilen etwas zu viel des Guten scheint. Wie sinnlich sie mit den herausragenden Holzbläsern des Orchestra dell‘ Accademia Nazionale di Santa Cecilia – Roma dialogisiert, ist jedoch eine Klasse für sich. Ebenso die dynamische Gestaltung der langen Phrasen, wobei Janine Jansen die Lautstärke stets temperamentvoll und dabei höchst virtuos an- und wieder absteigen lässt und so die Bögen überdeutlich charakterisiert. Mit einem sehr sensiblen retardierenden Moment bereitet sie die Kadenz des ersten Satzes vor, die die Solistin dann mit düsterer G-Saite, die schrillen Höhenakzente gekonnt kontrastierend, packend erzählt.
Die hohen Kantilenen des zweiten Satzes klagen dann wie ein dramatischer Sopran, wobei hier ihr gehaltvolles Vibrato wunderbar passt und diesen Charakter sehr bereichert. Seine solistischen Doppelgriffpassagen präsentiert sie mit breitem, durchdringenden Ton. Den lamentierenden Charakter überführt Janine Jansen noch in den Beginn des Finales, nimmt die Spannung nicht gleich vorweg, wie es beispielsweise ihre Kollegin Hilary Hahn tut. Der erste Übergang ins schwungvolle Thema des letzten Satzes gerät besonders in den absteigenden Spiccato-Passagen nicht allzu präsent, doch Jansens Art, die Bogenabstriche immer energisch zu verschnellern, verleiht dem E-Dur-Finale eine packende Verve, die das Orchestra dell‘ Accademia Nazionale di Santa Cecilia – Roma in seinem Part des Dialogs stets aufzugreifen weiß . In den letzten Takten – Timing! – reißen Janine Jansen dann alle Bogenhaare, weshalb leider auch die Zugabe ausfallen muss, nach diesem Mendelssohn voll ergreifender Momente, dem aber auch etwas mehr Zurückhaltung gut gestanden hätte.
Im Anschluss an die Pause erklingt die Frühlingssymphonie von Robert Schumann, die seinerzeit Felix Mendelssohn Bartholdy aus der Taufe gehoben hat. Sir Antonio Pappanos Herangehensweise ist sehr analytisch, was die einzelnen Stimmen und Schichten der Partitur angeht, doch kommt die Leidenschaft hier keineswegs zu kurz. Die Akzente werden immer kraftvoll und athletisch pointiert, was gemeinsam mit der exakten Artikulation der flinken Passagen in den Geigen schon den Eingangssatz zu einem atemlosen Ritt macht. Die klanglich strahlende Pracht dieses Orchesters dürfte auch die Vorstellungen des Komponisten befriedigt haben – auszudrücken, „wie nach und nach alles zusammenkommt, was zum Frühling gehört“. Ein gedämpfter Beginn des zweiten Satzes bietet eine pastorale Ruhe-Insel vor dem feurigen Scherzo, leichtfüßig phrasiert und doch mit gewaltigen Klangwalzen, wobei der Rhythmus nie ins Schwerfällige abzurutschen droht. Der außergewöhnlich geschlossene Klang der Bläser kann besonders im Finalsatz auftrumpfen, wo in diesem bisher sehr ernst gespielten Werk auch der Humor durchscheinen darf.
Als passende Zugabe spielen Sir Antonio Pappano und das Orchestra dell‘ Accademia Nazionale di Santa Cecilia – Roma noch Italiana – ein ursprünglich für Laute geschriebenes und von Ottorino Respighi für Orchester transkribiertes Stück. Das letzte Wort des memorablen Abends spricht dann aber eine spritzige Version der Ouvertüre von Wolfgang Amadeus Mozarts Die Hochzeit des Figaro.
Kritik: Bea Mayer