„Wer von euch hat Game Of Thrones nicht gesehen?“, fragt Ramin Djawadi. Keine Reaktion, nur leichtes Gekicher. Alles andere wäre auch äußerst verwunderlich gewesen, denn wer sollte sonst an diesem Montagabend, 4. Juni 2018, die Olympiahalle besuchen? Die „Game Of Thrones Live Experience“, eine Riesenproduktion rund um die Musik der Erfolgsserie, gastiert in Europa und damit auch angenehmerweise in München, nachdem monatelang die nordamerikanischen Städte zuvor bespielt wurden. Dauerwerbekonzert, gutes Marketing – all diese Worte fielen. Das Publikum beeindruckt das reichlich wenig. Die Fan-T-Shirts häufen sich, die Generationen sind angenehm gemischt, die Tendenz zum jüngeren Alter.
Ramin Djawadi, das ist der Kopf und Mastermind, nicht nur hinter der Tour-Produktion, sondern einer viel essentielleren Sache: der Musik zu „Game Of Thrones“ selbst. Fantastische Musik zu „Westworld“, „Prison Break“ oder „Iron Man“ hat er bereits geschrieben, den Durchbruch für ein größeres Publikum gibt es aber erst seit der Fantasy-Serie, die inzwischen eine ähnlich große Fangemeinde und Bandbreite wie „Herr der Ringe“ haben dürfte. Nur logisch, dass Djawadi genau das macht, was derzeit im Trend liegt: mit seiner eigenen Musik auf Tournee gehen. Vorne am Dirigentenpult: er selbst- Gelegentlich greift er zu anderen Instrumenten wie E-Gitarre, Hackbrett und Orgel, insgesamt beschränkt er sich auf wenige Ansagen – aber in deutscher Sprache, die dem gebürtigen Düsseldorfer immer noch, mit kleinen Abstrichen ob des jahrzehntelangen Lebens im Amerika, recht leicht zu sprechen scheint.
Im Prinzip bekommt man das, was man erwartet: ein klassisches Konzert der Superlative. Kein Zweifel, beschäftigt man sich mit der Frage, welche Art von klassischer Musik aus dem modernen Zeitalter noch große Menschenmassen erreichen kann, endet die Frage bei Film- und TV-Serien-Musik. Und selbst wenn es musikalisch nicht unbedingt mit der gleichen Komplexität der alten Komponisten glänzt, kann es doch, immerhin am Beispiel von GoT, mit Innovation überzeugen. Außergewöhnliche Instrumente verwenden, das sei das, was Djawadi so am Komponieren für die HBO-Reihe schätze. Und tatsächlich werden die schrägsten Instrumentarien angefahren, die unterschiedlicher und interessanter nicht klingen könnten. Aber auch ein simpler, dennoch wirkungsvoller, Moment, als die fleißige Spielerin von Streichinstrumenten mit ihrer Bratsche viele Meter nach oben fährt, erfüllt vollends seine Wirkung. Gemeinsam mit Effekten wie Kunstschnee, einer riesengroßen Leinwand, herabfallenden Rosen (etwas zu viel) und orangem sowie blauem Feuer bilden sie das zu erwartende Klassik-Konzert deluxe.
Das Konzept ist genauso clever wie auch schlichtweg zu erwarten: ein chronologischer Ablauf der sieben Staffeln mit Ausbrüchen, indem eine Handlungsgeschichte anhand eines Charakters über mehrere Jahre hinweg gezeigt wird; das alles hinterlegt von der fantastisch gespielten Musik des Kammerorchesters Essen, welches gemeinsam mit einigen hervorgehobenen Musikern an außergewöhnlichen oder sehr gewöhnlichen Instrumenten performt. Darüber hinaus singt neben einer soliden Solistin ein amerikanischer Chor, der der Musik einen überraschend mächtigen Klang bereitet. Selbst der Sound und Mix in der teils etwas schwierigen Olympiahalle ist gelungen, wenngleich Djawadi an der E-Gitarre dennoch vollkommen untergeht. Am stärksten wird der Abend sowieso immer dann, wenn Sequenzen oder bedeutende Schlachten sehr ausführlich bildlich und musikalisch gezeigt werden, da fiebern wieder alle Fans wie beim ersten Mal mit. Leider sind solche Momente nur in der 70-minütigen und wesentlich stärkeren zweiten Hälfte zu erleben, der 50-minütige Einstieg dagegen schleppt sich streckenweise voran, ohne ein rechtes Konzept erkennen zu lassen. Als zum Schluss dann aber noch einmal das „Main Theme“ angespielt wird und die Besucher zum Mitsingen aufgefordert werden, sind solche Durststrecken schnell vergessen.
Zurück bleibt ein gelungener, in Teilen monumentaler Abend, der vielleicht nicht ganz das erhoffte epische Ausmaß erreicht, aber dann doch weit mehr als „nur“ Werbung ist.
Bericht: Ludwig Stadler