Inmitten des wilden Ersatzspielplans des Gärtnerplatztheaters wandert auch eine lang nicht mehr gehörte und gesehene Produktion: „Die Dreigroschenoper“. 2016 hatte die konzertante Aufführung bereits im Circus Krone Premiere, passend zum damaligen Wanderweg durch Münchner Ausweichlocations. Nun weicht Schauspielerin Brigitte Hobmeier dem Ensemble, dafür kommt etwas mittlerweile Altbekanntes dazu: Abstand. Die Stühle sind versetzt, das Orchester erhöht und etwas minimiert. Am Dirigentenpult: Chef Anthony Bramall selbst. An den Stuhlen: fast die gesamte Besetzung der damaligen Aufführung. Der Saal ist mit 200 Personen an diesem 21. Juli 2020 ausverkauft.
Üblicherweise hat Bertolt Brechts Singspiel massive Überlänge und kommt einer Mixtur eines altertümlichen Musicals oder einer musikalisch abgeschwächten Operette gleich – eingearbeitet in ein wortgewandtes und humorvolles Theaterstück. Das Schauspiel selbst muss zwangsläufig weichen, lediglich Kurzkommentare zwischen den Liedern erklären die Handlung im Schnelldurchlauf, sonst heißt es: Musik, Musik, Musik. In rund 80 Minuten wird durch die Lieder fast schon gerast, dennoch unterteilt in die drei Akte, die bereits der Titel vorgibt. Verstärkt wird das 12-köpfige Solist*innenensemble zusätzlich vom (reduzierten) Chor, der aus den Seitenlogen hervorlugt. Trotz der Provisorik: die Soundkulisse ist kräftig, die Chorsequenzen wirkungsvoll. Einzig manche Solodarbietung leidet etwas am wohl zu leise eingestellten Mikrofon. Die meisten holen aber sowieso ihre klassische Gesangsausbildung heraus und singen die Stücke dementsprechend.
Was durch den Wegfall der Schauspielpassagen allerdings deutlich zurückbleibt, ist der Witz. Zwar gelingt es Nadine Zeintl als Polly und Anna-Katharina Tonauer als Lucy im Duett zweier sich ankeifender Ehefrauen, das Publikum doch zum Schmunzeln zu bringen, sonst geht der Humor in den Liedern zum Wohle der musikalischen Darbietung allerdings ein wenig unter. Die Frage ist hierbei, mit welcher Intention man Brechts Werk sehen möchte – das Gärtnerplatztheater entscheidet sich deutlich für das Augenmerk auf Kurt Weills Musik. Diese funktioniert auch, insbesondere gespielt vom Orchester des Staatstheaters am Gärtnerplatz, das von Anthony Bramall deutlich, aber angenehm zurückhaltend dirigiert wird. Und sowieso, Klassiker wie die „Moritat von Mackie Messer“ kommen einfach immer gut an.
Letztendlich bleibt eine nette, spontane Wiederaufnahme, der allerdings etwas der Esprit und Witz fehlt und noch etwas im Generalproben-Modus feststeckt. Das ist wohl auch der Kurzfristigkeit geschuldet, die es fraglos rechtfertigt. Denn wovon lebt der Mensch? Von Kultur.
Kritik: Ludwig Stadler