Adaptionen von Film-Blockbustern sind als fester Bestandteil des Theater- und Musicalrepertoires heute längst etabliert. Doch mit der steigenden Zahl derartiger Produktionen sind auch die Stimmen ihrer Kritiker immer lauter geworden. Geht es zuerst um Kunst oder Kommerz? Sind Adaptionen nur fantasieloser Abklatsch oder inspirativer Quell? Gerade das Jukebox-Musical mit seinen Songs ‚aus der Retorte‘ steht dabei immer wieder im Fokus kontroverser Diskussionen und ganz sicher lässt sich konstatieren, dass populäre Stoffe und berühmte Namen zwar das Publikum anziehen, aber noch lange keinen großen Theaterabend garantieren.
Als 2012 in London „Bodyguard – Das Muscial“ uraufgeführt wurde, war das Interesse zwar riesengroß, doch bestanden durchaus auch Zweifel, ob diese Bühnenfassung der Kinovorlage und einem der erfolgreichsten Soundtrack-Alben aller Zeiten gerecht werden könne. Inzwischen avanciert die Inszenierung nach dem Drehbuch von Lawrence Kasdan und der Bearbeitung durch Alexander Dinelaris mit über vier Millionen Besuchern auch als Theaterstück zum Publikumsmagneten und knüpft an die weltweiten Erfolge auf der Kinoleinwand immer weiter an. Als deutschsprachige Aufführung ist „The Bodyguard“ nun nach Stationen in Stuttgart, Köln und Wien auch in München zu sehen und feierte am Freitag, 8. November 2019 im Deutschen Theater seine Premiere.
Die Handlung orientiert sich nah an der cineastischen Vorlage. Bodyguard Frank Farmer soll die berühmte Pop-Diva Rachel Marron vor einem durchgeknallten Stalker beschützen und riskiert dafür sein eigenes Leben. Die zunächst recht komplizierte und von beiden Seiten nur widerwillig akzeptierte Beziehung, entwickelt sich schließlich zur leidenschaftlichen Romanze mit reichlich Gänsehautpotential.
Während das Original mit den Weltstars Kevin Costner und Whitney Houston zwei Legenden auf Augenhöhe ins Rennen schickt, ist die Musicalvariation erwartungsgemäß stark auf die weibliche Hauptdarstellerin zugeschnitten, die diesmal von Aisata Blackman verkörpert wird. Blackman muss die zahlreichen Klassiker fast im Alleingang performen und liefert dabei von der krachenden Eröffnungsnummer „Queen of the Night“ bis zum finalen „I Wanna Dance With Somebody“ eine grandiose Vorstellung ab. Ihre Power, ihr Groove und ihr Soul sind mehr als nur eine würdige Hommage an die viel zu früh verstorbene Pop-Ikone der späten 80er- und frühen 90er-Jahre, die mit dem Album zum Film den Grammy gewann und für ihre Songs „I Have Nothing“ und „Run To You“ für den Oscar nominiert wurde.
Als zweite Sängerin weiß Andrea del Solar mit ihren Auftritten als eifersüchtige Schwester Nicki Marron und brillanten Nummern wie „Saving All My Love“ ebenfalls vollends zu überzeugen. Die dazu passende Orchestrierung durch eine lange unsichtbare und erst am Ende auftretende Live-Band macht den Abend zu einem musikalischen Erlebnis der Extraklasse. Dem nicht genug, bietet die Inszenierung auch ein visuelles Feuerwerk und setzt die Geschichte äußerst spektakulär und trotzdem immer durchdacht in Szene. Die Ensemble-Nummern begeistern durch eine tolle Raumaufteilung und tänzerische Perfektion, aufwendige Kostüme, mobile Kulissen, Licht- und Videoinstallationen ermöglichen atemberaubende Schauplatzwechsel und ein Erzähltempo, durch welches das Musical in seinen knapp zweieinhalb Stunden (inklusive Pause) sogar dynamischer und flüssiger wirkt als seine filmische Vorlage. Bildaufbau und -komposition schaffen regelrechte Bühnenkunstwerke und laden ein ums andere Mal zum Staunen ein.
Einzig und allein die Besetzung und Darstellung des Titelhelden Frank Farmer hinterließ doch ein dickes Fragezeichen. Jo Weil hatte die undankbare Aufgabe, sich in einer scheinbar makellosen Welt der Show und des Glamours als kühler Gegenentwurf zu behaupten und wirkte ab und an – fast zwangsläufig – wie ein Fremdkörper. Das mag zwar der Figur und dem Umfeld, in dem sie sich bewegt, entsprechen, doch selbst in den wenigen Augenblicken, die speziell auf seine Heldenrolle als Bodyguard zugeschnitten waren, wirkte die Darbietung als Leibwächter wenig glaubwürdig und zu hölzern. Immerhin mühte er sich tapfer durch die teilweise recht sinnfreien Rumpeldialoge und konnte in seiner Rolle einen selbstironischen Karaoke-Auftritt dazu nutzen, um einige Sympathiepunkte beim Publikum zu sammeln. Und irgendwie gelang es Weil so mit seiner Vorstellung auch die letzte Facette der Kinovorlage und ihrer zeitgenössischen Rezeption abzubilden; denn „Bodyguard“ erhielt schließlich seinerzeit nicht nur den Grammy, sondern wurde auch mehrfach für die Goldene Himbeere nominiert. Den Gesamteindruck konnte die manchmal an eine Parodie erinnernde Auslegung der Figur ohnehin in keinster Weise trüben.
Der ganze Premierenabend war eine einzige große Party; kein einfallsloser Abklatsch eines großen Blockbusters, sondern Theaterunterhaltung, wie sie sein sollte!
Fazit: Wunderschönes Musical! Kurzweilig, spannend, witzig und audiovisuell ein Hochgenuss! Adaptionen von der Qualität wie „Bodyguard – Das Musical“ sind für jeden Theaterspielplan eine riesige Bereicherung!