Ov Fire And The Void – Behemoth in der TonHalle (Konzertbericht)

Schnee umkränzt wallende Mähnen, es gefriert der Mond, ein kühles Bier trägt die Kälte des gottlosen Kosmos auch ins Innerste… und die Wälder träumen ewiglich. Etwas profaner lässt sich die Situation auch folgendermaßen beschreiben: Es ist Freitag, der 11. Januar 2019, und vor der TonHalle warten trotz des grimmen Wetters schon einige Fans auf den Einlass, auf die Band ihres satanischen Vertrauens und unheiligen Ehrerbietens: Behemoth. Die polnischen Black/Death-Superstars sind auf Reisen, ihr neues Album, „I Loved You At Your Darkest“ zu präsentieren, den Nachfolger des weltweit in höchste Höhen gelobten „The Satanist“.

Mit dabei haben Adam Nergal Darski und seine drei Mitstreiter ein eher konventionell aufgestelltes Band-Doppel, die Schwedentod-Veteranen At the Gates und die Öko-Atmo-Black Metal-Band schlechthin, Wolves in the Throne Room. Als die Amerikaner pünktlich um halb sieben Räucherwerk-umwabert auf den schmalen Teil der Bühne vor den verhängten Aufbauten der beiden folgenden Bands treten, ist die TonHalle nahezu voll. Gut für Wolves in the Throne Room, denen ernsthafter, wenn auch wenig begeisterter Applaus für ihr ordentliches, wenn auch wenig aufregendes Set beschert ist. Mag die Band auch zu den Ahnherren dieses Stils, zumal in seiner nordamerikanischen, cascadischen Ausprägung gehören: Weder Musik noch Show gelingt es wirklich, sich vom Stigma „100 mal gesehen, 100 mal gehört“ zu befreien.

Setlist: Angrboda / The Old Ones Are With Us / Born From the Serpent’s Eye

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At the Gates halten sichtlich nichts von kunstnebulösem, mit Naturgeräuschen aufgehübschtem Spiritualitäts-Black Metal. Nach flottem Soundcheck legen die Göteborger frisch los, mit großem Jubel begrüßt. Schön ist hier nicht nur, dass die Band sich in guter Form zeigt und neben Songs vom aktuellen Album „To Drink From The Night Itself“ nicht wenige Klassiker vom Stapel lässt, sondern auch, dass At The Gates trotz riesigem Backdrop so leger wie irgend denkbar auftreten. Sänger Tomas Lindberg gibt sich als unkomplizierter, sympathischer Frontman, sein fast Lemmy-haft kehliger Gesang verliert kaum an Kraft während des etwa einstündigen Sets der Schweden. Noch dazu können sich At The Gates des besten Sounds dieses Abends rühmen: So kraftvoll und klar wie die von Martin Larsson und Jonas Stålhammar werden die Gitarren von Nergal und Patryk Seth Sztyber nicht klingen. Lauter gute Gründe also, um ein bisschen Bewegung ins Publikum zu bringen und endlich die Kälte abzuschütteln…

Setlist: To Drink From the Night Itself / Slaughter of the Soul / At War With Reality / A Stare Bound in Stone / Cold / Death and the Labyrinth / Heroes and Tombs / Suicide Nation / Daggers of Black Haze / The Book of Sand (The Abomination) / Blinded by Fear / The Night Eternal

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Wer darauf keine Lust hat: Wie wäre es mit… meterhohen Stichflammen? Nachdem sich At the Gates verabschiedet haben, fällt sofort ein schwarzer Schleier vor der Bühne, nur schemenhaft sind die Umbauarbeiten dahinter sichtbar, dräuende Geräusche wehen aus den Lautsprechern, Kinderstimmen: „Jesus Christ, I shall not forgive“. Es ist wie Warten auf die Weihnachtsbescherung. Endlich stimmt die Band – noch unsichtbar – ein Intro an, dann fällt der Vorhang und Behemoth lassen die „Wolves ov Siberia“ auf die TonHalle los. Die blutdürstenden Bestien gehen jedoch zwischen wandernden Feuersäulen, Kunstdampf in rauen Mengen, sowie einem nicht gerade hochauflösenden Sound ein wenig verloren. Doch was soll‘s, schließlich sind die Songs hinlänglich bekannt: Bei Stücken wie „Ora Pro Nobis Lucifer“ oder „Blow Your Trumpets Gabriel“ wird mitgesungen wie im Musikantenstadl. Ob sich jedoch Zeilen wie „I saw the virgin‘s cunt spawning for the snake“, sowie konstantes, wenn auch nicht übermäßig raumgreifendes Moshen und Crowdsurfen am Königshof von Debilien ohne weiteres einführen ließen, ist fraglich…

Schon seit einiger Zeit gehören gewisse Maskeraden standardmäßig zu Behemoths Live-Programm: So beginnen Nergal, Tomasz Orion Wróblewski (Bass), Seth und Zbigniew Inferno Promiński (Drums) das Konzert mit Todesser-Masken über den natürlich corpse-be-painteten Gesichtern, später erscheint Nergal mit riesiger Mitra auf dem Kopf. Zu „Lucifer“ (das ein wesentlich besseres Ende abgegeben hätte, als „We Are The Next 1000 Years“) balanciert Orion ein großes, undefinierbares, etwas zerrupft wirkendes Federvieh (ein Hahn vielleicht?) auf dem Kopf, was den ernsthaften Showeffekt gefährlich nah an die Grenze des Klamauk bringt. Was man von Pyrotechnik, Verkleidung und der permanent benutzten dreieckigen Videowand hinter der Band auch halten mag, gerettet hätte der ganze Brimborium die Show nicht, hätten Behemoth nicht (auch) musikalisch geliefert.

Auffällig ist, dass, obwohl die Band sichtlich wert auf eine ausgewogene, den Fans entgegenkommend auch ein gerüttelt Maß an älteren Songs („Chant For Eschaton 2000“, „Decade ov Therion“, „Slaves Shall Serve“) enthaltende Setlist legt, diejenigen Songs, die scheinbar auf die positivste Reaktion seitens des Publikums stoßen, dem aktuellen Album bzw. dem Vorgänger „The Satanist“ entstammen – was einmal mehr verdeutlicht, wie sehr dieses Album (nebst den vielen religiös grundierten Skandälchen, die die Band seit langem begleiten, natürlich) Behemoth „nach oben“ katapultiert hat, in eine die Grenzen ihres angestammten Genres übersteigende Musik-Öffentlichkeit hinein. So bedankt sich Nergal denn auch, „in a venue of this size“ spielen zu dürfen, was jedoch nur folgerichtig sei, denn: „We Conquer All!.

Wie im Flug vergeht die Zeit und schon verabschieden sich Behemoth mit „We Are the next 1000 Years“. Für einen definitiven Schlusspunkt sorgen Darski and friends, indem sie zuletzt, alle vier mit verhüllten Gesichtern, nebeneinander Aufstellung nehmen, jeder eine große Trommel vor dem Bauch, und so ihren Auftritt mit aller gebotenen Theatralik zu Tode knüppeln. Haben das Metallica nicht auch mal gemacht? Doch warum nicht, schließlich haben Behemoth trotz Masken, Feuersäulen und Konfettiregen ihre musikalische Integrität nicht aufgegeben – es sei ihnen alle Popularität vergönnt und für ein spannendes Konzert gedankt.

Setlist: Wolves ov Siberia / Daimonos / Ora Pro Nobis Lucifer / Bartzabel / Ov Fire and the Void / God = Dog / Conquer All / Ecclesia Diabolica Catholica / Decade of Therion / Blow Your Trumpets Gabriel / Slaves Shall Serve / Chant for Eschaton 2000 / Lucifer / We Are the Next 1000 Years

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Bilder: Martin Schröter