Es ist eine immer wieder aufregende Angelegenheit, wenn der Stoff zu „Alice im Wunderland“ auf die Bühne gebracht wird, wie nicht zuletzt vom Bayerischen Staatsballett. Auch das Residenztheater hat sich für eine Bühnenversion von Lewis Carrolls Werk entschieden, als obligatorisches Familienstück der Spielzeit 2017/18. Die Premiere dazu fand am 11. November 2017 statt.
Eine idyllische, ländliche Gegend ist auf dem Bühnenvorhang abgebildet, als Alice mit einem Knall plötzlich auf der Bühne steht. Nur kurz danach erscheint bereits das Weiße Kaninchen und die Protagonistin befindet sich bereits in der Röhre zum Wunderland. Das Stück sollte sich also komplett im Wunderland abspielen und verzichtet auf eine Einleitung, wie Alice in die wundersame Welt gelangt – das ist leider deshalb schade, weil der Aspekt des Traumes und der Einbindung der Menschen in ihrem Leben damit verloren geht und nur am Ende kurz angeschnitten wird. Andererseits komprimiert es den umfangreichen Stoff und beschränkt es auf das Wesentliche, nämlich dem Zusammentreffen mit den verschiedensten Wesen.
Die mit Abstand wichtigsten und hervorstechendsten Teile der gesamten Inszenierung sind, ohne Frage, die Kostüme und das Bühnenbild. Vor allem erstere glänzen mit unbeschreiblicher Detailverliebtheit und verdienen unbedingt die Bezeichnung „fantastisch“ – wenn man durchgehend in der zweistündigen Aufführung über etwas staunen konnte, dann waren es die lästernden Blumen, das springende Ei Humpdipumpel oder das aufwendige Kleid der Herzkönigin. Faselhase und Weißes Kaninchen sind übrigens ebenfalls ganz klassisch in ein volles Kostüm gesteckt – Respekt hierbei an die Darsteller, unter den Umständen so stark spielen zu können. Das Set-Up der Bühne kam allen voran in der ziemlich finalen Szene des ersten Aktes zum Vorschein, als Alice und Gefährten in die „Küche“ gelangten.
Leider gibt es einen riesengroßen Kritikpunkt zu nennen: die Inszenierung ist schlichtweg nicht kinderfreundlich. Als Familienstück dürfte man ein Stück erwarten, dass sich nicht nur in wenigen Momenten, sondern im Großteil an das junge Publikum anpasst – so richtig war das leider nur bei dem Duo Diedelidum und Diedelidei der Fall, das – wie bereits erwartet – lustig und enthusiastisch die meisten Lacher auf sich zog. Anna Graenzer als Alice wirkt fast etwas zu grob und ernst, das kindliche Handeln erinnert, vor allem im ersten Akt, an ein ordentlich verrücktes und etwas stark eingebildetes Mädchen, das zu schnell stur wird – ob das die richtige Perspektive für eine familienfreundliche Variante ist, sei dahingestellt. Graenzer spielt trotzdem stark und auch im zweiten, wesentlich kinderfreundlicheren, Akt reservierter, nichtsdestotrotz ist sie, genauso wie die gesamte Inszenierung, eine Alice für Erwachsene. Spätestens als der Auftritt der Grinsekatze – projiziert und synchronisiert – ansteht, die eher einem Psychopathen als einem Verbündeten gleicht, hinterfragt man die exakte Intention.
Die Hinterlegung mit Live-Musik und gelegentlichen Gesangseinlagen lockerte das Geschehen etwas auf und animierte auch, beispielsweise beim Lied des etwas gering repräsentierten Hutmachers, zum Mitsingen auf, was nach einigen Anläufen ob der Zurückhaltung auch wunderbar funktionierte.
Abschließend lässt sich eine bildstarke und detailverliebte Inszenierung feststellen, die allerdings am Ziel „Familienstück“ aufgrund der recht verworrenen Handlungs-Darstellung und der sehr erwachsenen Dialoge vorbeizieht. Würde sich ein U10-Kind, welches die Geschichte nicht kennt, in eine Vorstellung setzen – es würde nach dem ersten Akt noch nicht wissen, was genau die aneinandergereihten Szenen miteinander zu tun haben.
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