Es ist eines dieser Line-Ups, dass immer nur dann zusammenkommt, wenn im Sommer unzählige Bands auf den Festivals umhertouren und sich einige davon für wirklich irrsinnig starke Einzelkonzerte zusammenschließen. In diesem Fall hat sich die Metalcore-Altkraft As I Lay Dying für ihre wenigen Solo-Shows so tatkräftige Unterstützung geholt, dass sie den Headliner eigentlich schon überschatten: Lorna Shore, die Deathcore-Durchstarter der letzten zwei Jahre, und ten56., die mit ihren völlig ausufernd harten Beatdown-Songs schnell zum Gespräch in der Szene wurden. Alle zu dritt gastieren am 15. August 2022 im Backstage Werk und ziehen dementsprechend eine Menge an, die die Halle ordentlich zu verfüllen vermag.
Kommunikationsschwierigkeiten führen allerdings dazu, dass ten56. bereits um 19:30 Uhr mit „Exit Bag“ ihren knüppelharten Einstand feiern, wenngleich auf den Karten und auch sonst überall der Start von 20 Uhr kommuniziert wurde. Zum Glück sind bereits genug Leute da, die dem wuchtigen Sound aus den Boxen lauschen. Obwohl die Franzosen rund um Frontmann Aaron Matts, bekanntlich ehemaliger Frontmann von Betraying the Martyrs, einen beachtlichen München-Einstand geben und mit ihren extremen und strukturlos hart wirkenden Songs viel Material zur Eskalation bieten, kommt die Menge nur langsam in Fahrt. Erst im Finale bei „Boy“ und „Kimo“ bilden sich erste Moshmengen, dann ist das Set aber bereits nach dreißig massiven Minuten vorbei. Eine beachtliche Wucht, die die Herren von ten56. auffahren – eigentlich auch zu extrem für das Publikum von As I Lay Dying.
Setlist: Exit Bag / Diazepem / Yenta / Shitspitter / Sick Dog / Boy / New Song / Kimo
Die Herrschaften von Lorna Shore wiederum dürften nicht nur einige Interessenten selbst mitgebracht haben, rund die Hälfte des Publikums scheint für die neuen Giganten am Deathcore-Himmel da zu sein. So ganz neu sind die Metaller aus New Jersey eigentlich gar nicht, aber mit dem Wechsel am Mikrofon zu Will Ramos vergangenes Jahr hat man nicht nur ein gutturales Wunder an den Vocals, sondern auch musikalisch umdisponiert, symphonische Klänge hinzugezogen und die Härte der Breakdowns noch einmal ordentlich angezogen. Das kommt alles so gut an, dass das Quintett auch nur Songs der neuen EP und Singles aus dem kommenden Studio-Album „Pain Remains“ spielen – nichts Altes, nur Neues. Und das ist gut so, denn bereits bei „To The Hellfire“ ist das Publikum ebenso auf dem Weg ins Fegefeuer und lautstark dabei – ebenso wie die Band, die mit fantastischem Klang gesegnet ist und damit eine Soundwand auffährt, die völlig begeistert zurücklässt. Vor allem die Breakdowns erstrahlen in so einer Wucht, untermalt von Ramos wandelfähiger Stimme, die immer wieder zu Begeisterungsstürmen führt – und das nicht nur beim legendären Gegrunze des Openers.
Sechs Songs stehen in knapp 40 Minuten auf dem Plan – klingt wenig, aber mit rund sechs Minuten Lauflänge pro Lied ist man danach auch genug versorgt mit symphonischen Deathcore. Lorna Shore haben ein würdiges München-Debüt mit Ramos gegeben und dürfen gerne wieder kommen – was sie bereits im September mit Parkway Drive und anschließend im Februar mit Bring Me The Horizon auch tun.
Setlist: To The Hellfire / Of The Abyss / … And I Return To Nothingness / Sun//Eater / Cursed To Die / Into The Earth
Der anschließende Umbau zieht sich etwas, ist aber vielleicht auch genau richtig in Anbetracht dessen, dass das Publikum aufgrund der Härte etwas abzustumpfen droht. Um 21:35 Uhr beginnen dann As I Lay Dying, ebenfalls knüppelhart mit „Blinded“, dennoch etliche Härtestufen niedriger als ihre Vorgänger. Die Produktion ist festivalwürdig, dementsprechend sitzt der Drummer auf einem so hohen Podest, dass man ihn gelegentlich suchen muss. Immer im Fokus aber: Frontmann Tim Lambesis, über den man gerne gemischte Gefühle haben soll und darf. Seiner Rolle als Grunzer wird er aber solide gerecht, geht hinter Ramos und Matts allerdings ordentlich unter. Dafür hat er eine ordentliche Diskografie im Rücken – 20 Jahre Songs. Auch wenn die Gefängniszeit von Lambesis abgezogen werden muss, bleiben dennoch unzählige Lieder, die in den Abend müssen. 16 davon dürfen dann auch wirklich auf die Setlist.
Es scheint, dass AILD keine Zeit verlieren wollen, denn schon nach 65 pausenlosen Minuten gehen sie mit „94 Hours“ von der Bühne und kehren für lediglich zwei Zugaben zurück. Das ist ausreichend und geschmückt mit all den wesentlichen Brechern der Karriere, aber doch etwas kürzer als erwartet, explizit in der Geschwindigkeit, in der die Lieder dargeboten werden. Das Publikum freut sich dennoch, bejubelt die Metalcore-Herren und streift gegen 22:50 Uhr zufrieden von dannen. Auch wenn der Härtegrad des Abends schlecht ausgependelt war und man sich beim Headliner eher entspannen konnte im Gegenzug zum davor Gehörtem – es bleibt ein starkes Konzert-Triple, dass vor allem die Aktualität und Einzigartigkeit von Deathcore betont.
Setlist: Blinded / Through Struggle / Within Destruction / Redefined / The Sound Of Truth / Forsaken / Shaped By Fire / Re-Separation / The Darkest Nights / An Ocean Between Us / A Greater Foundation / Parallels / My Own Grave / 94 Hours – Zugaben: Nothing Left / Confined
Bericht: Ludwig Stadler