Ich war am 3. November bei Mogwai – und, wie war’s? – weiß ich gar nicht mehr so genau…
Ich weiß noch, dass sich das Backstage Werk ein bisschen zögerlich füllte, während der Support Act der schottischen Postrock-Altmeister sich eine dreiviertel Stunde lang bemühen durfte, einen Eindruck zu hinterlassen. Das Glasgow-via-Londoner Duo Sacred Paws spielt einen fröhlichen, 60s-haften Indie-Pop, manchmal werden die beiden Frauen von einer Bassistin unterstützt, im Fokus stehen aber: Gitarre, Schlagzeug, Gesang, Gesang. „Voll sympathisch“, meint jemand. Ja sympathisch sind Sacred Paws allemal, gerade Gitarristin Rachel Aggs, die ein bisschen wie die lustige kleine Schwester von King Buzzo aussieht, verströmt positive Schwingungen. Insgesamt aber zeigt sich das Publikum eher unbeeindruckt – zu weit weg ist dieses leichte, verspielte und nicht zuletzt recht ereignislose, wenig akzentuierte Musizieren von der körperlich erfahrbaren Kopfmucke, wegen der man hier ist.
Noch länger als die Sacred Paws spielten, lassen sich Mogwai Zeit, ehe die Herren mittleren Alters vor ihr wartendes Publikum treten – halt, stimmt nicht: Da Drummer Martin Bulloch noch immer krankheitsbedingt ausfällt, übernimmt Cat Meyers, die normalerweise bei Honeyblood die Felle streichelt, seinen Posten. Und als Herr mittleren Alters kann man Alex Mackay, der sich als Tourmusiker an Gitarre und Keyboards betätigt, beileibe nicht bezeichnen. Die Band nimmt also ihre Plätze ein und legt los, im Hintergrund ist eine leuchtende Wand aufgebaut, die dem Cover des letzten Albums „Every Country‘s Sun“ nachempfunden ist, zwischen den Songs sagt Stuart Braithwaite manchmal „Danke! Thank you so much!“. Sonst passiert nicht viel, was sich in Worte fassen ließe. Barry Burns und Alex Mackay wechseln zwischen Keyboard und Gitarren hin und her, Dominic Aitchison wirkt bisweilen, als hielte ihn nur seine Gitarre noch im Diesseits, Braithwaite führt das Geschehen vom linken Bühnenrand aus an – soweit davon überhaupt die Rede sein kann: Die Band ist eine gut geschmierte Maschine, ein schwergewichtiger Magnetstrahl, der sich durch die Ohren, durch den ganzen vibrierenden Körper einen Weg zum Videoband des alltäglichen Bewusstseins bahnt und es – löscht.
Entgegen ihrem Ruf als Ohrentöter dürften Mogwai zumindest an diesem Abend an niemandes Tinnitus Schuld sein: Laut ist es, in der Tat, vor allem die Erdbeben-haften, ultratiefen Synthesizer-Klänge gehen durch Mark und Bein, von Übersteuerung oder Schmerzgrenzen-Pegelständen kann aber keine Rede sein, im Gegenteil, muss man den überragenden Sound loben, auch wenn man als Zuschauer bisweilen nicht genau nachvollziehen kann, welcher Baustein dieser Mauer aus Schallwellen aus welchen Instrument strömt.
„Every Country‘s Sun“ bestimmt, wie zu erwarten war, die Setlist – was durchaus in Ordnung ist: Zum einen haben sich Mogwai mit diesem Album nicht besonders weit von ihrem (neueren) Charakter-Stil fortbewegt, zum anderen geht es nicht wirklich um einzelne Songs: Zwar freut man sich über ein „Rano Pano“, einen toten Jim Morrison, „Mogwai Fear Satan“ oder „Christmas Steps“. Was einem eine Mogwai-Show aber darüber hinaus bietet, ist ein meditatives Erlebnis. Es geht nicht darum, sich davon zu träumen, sondern im Gegenteil um das, was Swans‘ Michael Gira im Song „Screen Shot“ immer wieder als „Here! Now!“ beschwört: Ein Aufgehen, nicht ein Sich-Auflösen in dieser machtvollen, rhythmisierten Ode an das Hier und Jetzt.
Warum sollten die Schotten eine Show liefern, wenn ein großer Teil ihres Publikums ohnehin die Augen geschlossen hat? Warum sollten sie mit langen Ansagen die aus ihrer Versenkung zerren, die glücklich genug sind, sich versenken zu können?
Wem das zu esoterisch klingt, der lässt sich vielleicht davon beeindrucken, dass man am Merch-Stand für CDs (auch die drei Scheiben lange „Central Belters“-Compilation) läppische 10€ berappen muss und die ebenfalls zivil-preisigen Textilien „made in Scotland“ sind: Support the artist and his attitude!
Nach dem dionysischen „Old Poisons“ zelebrieren Mogwai als Zugabe noch „2 Rights Make 1 Wrong“ und „We‘re No Here“ – ein dramatischer und ungemein machtvoller Closer, auf den wohl nicht wenige gewartet haben.
Setlist: Friend Of The Night / Brain Sweeties / Christmas Steps / Party In The Dark / Rano Pano / Crossing The Road Material / I’m Jim Morrison, I’m Dead / Don’t Believe The Fife / Every Country’s Sun / Auto Rock / Mogwai Fear Satan / Old Poisons Zugabe: 2 Rights Make 1 Wrong / We’re No Here
Fazit: Erwartungen übertroffen haben die Schotten an diesem Abend vielleicht nicht, aber erstens sind die bei dieser Band inzwischen alles andere als niedrig und zweitens bewegt sich ein Mogwai-Konzert als Gesamt-Erlebnis, als „eigene Welt“ ohnehin (bis zu einem gewissen Grad) außer Konkurrenz – wohl dem, der das zu genießen weiß.
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