Onward – Filmkritik

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© Disney © Disney•Pixar ©

Regisseur: Dan Scanlon

Genre: Animation/KiJu-Film

Produktionsland: USA

Kinostart: 5. März 2020

Laufzeit: 1h 43min

 

 

Wie soll es nach dem Tod eines geliebten Menschen weitergehen? Onward, also vorwärts, voran- statt zurückschauen, ist die Antwort und der Titel des neuen Pixar-Films. Pixar hat uns schon immer berührende und weise Antworten auf die großen Fragen gegeben, und das gelingt mit diesem charmanten Geschwister-Roadtrip ein weiteres Mal. Die Ankündigerin der Presse-Vorführung hat auch den hartgesottenen Kritikern für den Schluss Taschentücher empfohlen. Und, seien wir ehrlich, nicht ganz zu Unrecht. Aber ein Schritt nach dem Anderen.

In der Welt von Onward gab es vor langer Zeit einmal  Magie. Aus Bequemlichkeit hat man sich irgendwann für die Wissenschaft entschieden und die Magie vergessen; und jetzt leben in modernen Suburbs Elfen, Gnome und Zentauren friedlich nebeneinander, und statt Katzen naschen Einhörner aus dem Müll.

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Dieses Szenario verzaubert nicht ganz so sehr wie in anderen Pixar-Klassikern – man denke an die fischbewohnten Meeresbuchten und Aquarien in Findet Nemo, oder die Monster A.G., eine Angstfabrik mit magischen Türportalen. Das liegt zum einen daran, dass die Welt von Onward näher an unserer eigenen Lebensrealität ist – es handelt sich im Grunde genommen um eine Vorstadt-Idylle mit Fantasy-Elementen. Zum anderen ist sie nicht perfekt durchdacht: Die fantastischen Elemente werden nie genau genug erklärt oder wirklich in die Erzählwelt integriert. „Magie ist schwer zu beherrschen“, erzählt uns ein anfängliches Voice-Over sinngemäß, und das ist der Grund, warum man sie zugunsten der Wissenschaft aufgegeben hat. Aber in den entscheidenden Momenten der Handlung wirkt Magie plötzlich sehr leicht zu erlernen und macht quasi unbesiegbar; als müsse man, das alte Kinderfilm-Allheilmittel, nur wirklich „an sich selbst glauben“.

In dieser Welt also haben die Elfenbrüder Ian (sympathisch nerdig vertont von Tom Holland) und Barley (Chris Pratt in bekannter Spaßvogel-Laune) als Kinder ihren Vater verloren. Ian Lightfoot war zu jung, um sich an ihn zu erinnern; und auch der ältere Barley kann die Erinnerungen an seinen alten Herrn an einer Hand abzählen. An Ians sechzehnten Geburtstag bekommen die Brüder dann ein besonderes Geschenk. Der Vater hat bis zu seinem Tod den Glauben an Magie nicht aufgegeben und ein letztes Vermächtnis hinterlassen: Ein Zauberstab, ein magischer Stein und eine Schriftrolle sollen den Verstorbenen für 24 Stunden zurückholen. Doch der Zauberspruch geht schief, der Stein kaputt – und statt als ganzer Elf steht der Vater plötzlich nur halb, als belebte Jeans, vor seinen Söhnen. Jetzt bleibt den beiden nur eine Nacht und ein Tag, um einen neuen Stein aufzutreiben, den Spruch erneut aufzusagen und den Vater ein letztes, ein einziges Mal zu sehen.

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Der Roadtrip, der seinen Lauf nimmt, folgt den Handlungs-Koordinaten der Disney-Landkarte, und wir wissen ungefähr, was passieren wird. Es gibt zahlreiche lebensgefährliche Gefahren zu bestehen (die ein liebender Vater nicht im Sinn gehabt haben kann): Unterwegs warten Feen-Rockerbanden, eine Mantikore (adorkable gesprochen von Octavia Spencer), Fallen und Monster. Trotz der relativ langen Dauer für einen Kinderfilm (103 Minuten) fühlt sich die Reise abwechslungsreich an, auch wenn ein paralleler Handlungsstrang mit der Mutter der Beiden (Julia Louis-Dreyfus) vielleicht hätte getrimmt werden können. Dafür ist es angenehm, dass sich der Film anfangs viel Zeit nimmt, um die Brüder und ihre Dynamik einzuführen: Ian ist verantwortungsbewusst, aber ängstlich, der sympathische Barley ein Tunichtgut, der sich dennoch nicht unterkriegen lässt. Holland und Pratt harmonieren prächtig und man hat wirklich das Gefühl, dass es zwischen dem Brüderpaar eine Vorgeschichte gibt. Als erfahrene KinogängerInnen wissen wir natürlich, was am Ende der Reise kommen muss: ein Twist, verbunden mit einer Moral. Aber die Einsicht, die Ian Lightfoot am Schluss hat, war tatsächlich unvorhersehbar und trotzdem konsequent und berührend. Der Film trifft hier genau die richtigen Töne, und erzeugt damit einen Moment echter Katharsis.

Onward fühlt sich an Handlung und Welt weniger frisch an als andere Pixar-Filme. Aber es fällt leicht, die Schwächen zu verzeihen, da das Tempo immer hoch genug ist und die Richtung stimmt. Und wenn Barley Lightfoot schließlich den Fuß vom Gaspedal seines alten Vans nimmt, drückt der Film recht erfolgreich auf die Tränendrüse.

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