„Licht und Schatten, Dunst und Tod“ – Tosca im Gärtnerplatztheater (Kritik)

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Alles beginnt mit einer Revolution. Österreich ist in Italien einmarschiert und hat die Monarchie eingeführt, Napoleon wurde zurückgeschlagen, und nun ist das Land in Aufruhr, gespaltet durch Monarchisten und Bonapartisten. Der ehemalige Konsul wurde gefangen genommen und in der Engelsburg eingesperrt, doch nun ist er geflohen. In dieser aufgeheizten Stimmung spielt die Oper „Tosca“ von Puccini, und nun wird sie unter der Regie von Stefano Poda im Gärtnerplatztheater aufgeführt.

© Christian POGO Zach

Dabei beginnt das Stück ganz harmlos in einer Kirche, die ebenfalls von Stefano Poda als riesiges, umgefallenes und kaum noch gestütztes Kreuz dargestellt wird. Der Künstler Mario Caravadossi (Artem Golubev) arbeitet hier an einem neuen Alterbild und an dem Bild einer schönen Kirchengängerin, die er zufällig beim Beten erblickt hat. Mitten hinein in die eigentlich harmlose Arbeit platzt nun Cesare Angelotti, der geflohene Konsul und ein alter Freund Caravadossis. Dieser erklärt sich sofort bereit, ihm zu helfen und ihn in seinem Landhaus zu verstecken. In eben diesem Moment nun stößt Operndiva Tosca (Oksana Sekerina) dazu, die bald ein Konzert geben will und vorher noch etwas mit ihrem Geliebten Mario reden möchte, dem es grade noch gelingt, den Flüchtling vor ihr zu verbergen. Die eifersüchtige Tosca vermutet sofort eine andere Frau, erst recht, nachdem sie das neue Bild erblickt hat, aber Mario kann sie beruhigen und so verlässt sie schließlich die Kirche auf dem Weg zu ihrem Konzert. Nun tritt Baron Scarpia (Noel Bouley) auf, der Polizeichef der Stadt, der hier den entflohenen vermutet, aber der Pfarrer erklärt ihm, dass hier nur der Maler Mario war, der nun aber verschwunden ist. Scarpia vermutet sofort, dass Mario den Entflohenen verbergen muss, und er schürt bei der wiederkehrenden Tosca, die er selbst erobern möchte, Eifersucht, indem er ihr den Fächer der Gemalten präsentiert. Der erste Akt endetet mit dem Te Deum, denn die Nachricht kommt, dass Napoleon geschlagen wurde. Dieses erste Finale ist fantastisch, Bouleys Stimme fügt sich wunderbar ein in die mächtigen, kirchlichen Gesänge des Chors, die Bühne ist gefüllt mit Geistlichen, es donnert einem grade zu entgegen. Wo vorher noch eine sanfte Stimmung herrschte, tritt nun etwas Gewaltiges, Zerstörerisches in den Vordergrund. Völlig hingeschmettert wird man in die Pause entlassen.

© Christian POGO Zach

Nun, im zweiten Akt, dem Quasi-Höhepunkt des Stücks, ändert sich die Stimmung noch einmal ganz entscheidend. Scarpias Arbeitszimmer ist nichts als ein großer, schwarzer Tisch, gefüllt mit Unterlagen, in welchem er mit seinen Schergen und Häschern über das weitere Vorgehen diskutiert. Die Villa Marios wird durchsucht, aber nichts gefunden, außer der Maler selbst, der aber alles abstreitet. Scarpia lässt ihn foltern, doch dann tritt Tosca auf, mit dem Ziel, ihren Geliebten zu befreien. Hier nun beginnt der beste Teil dieser Inszenierung, denn der Zweikampf zwischen Tosca und Scarpia ist wirklich gelungen dargestellt. In einem diffusen Licht, umgeben von Dunst, stehen sich die beiden gegenüber, beschreien sich, jagen sich durch den Raum. Dabei ist der Kontrast sehr eindrucksvoll: Tosca trägt ein weites, rotes Kleid, wogegen Scarpia in einen schwarzen Mantel gehüllt ist. Die Gegensätze prallen aufeinander, und während Sekerina Toscas Leiden mit sanfter Stimme so darstellt, dass es fast schon spürbar ist, steht ihr doch stets Bouley im Weg, stachelt sie auf, zwingt sie zu antworten. Schließlich fährt die Bühne nach oben und offenbart den gefolterten Mario direkt unter dem Tisch, dunkle Gestalten stechen auf ihn ein. Schließlich gibt Tosca nach und verrät, wo der Konsul versteckt wird. In eben jenem Moment kehrt der Bote zurück, mit zwei Nachrichten: Angelotti hat sich bereits selbst getötet und Napoleon hat die Schlacht doch gewonnen, woraufhin Mario in Jubel ausbricht; er wird abgeführt und zum Tode verurteilt, Tosca ist am Boden zerstört. Doch Scarpia macht ihr ein Angebot: Gibt sie sich ihm hin, so lässt er sie beide gehen. An dieser Stelle ist zu erwähnen, wie stark Bouley seine Rolle spielt: Gleichsam grausam und kalt, aber doch gefühlvoll stellt er die Figur da, die ebenso begehren und brutal wie verführerisch mit Tosca agiert. Auch Sekerina versteht es, ihrer Figur Leben zu geben, die stets schwankt zwischen ihrer starken Religiosität und ihrem Wunsch, ihren Geliebten zu retten. Schließlich willigt sie ein und Scarpia gibt den Befehl, die Erschießung nur vorzutäuschen. Grade als er seine Belohnung einfordern will, ersticht ihn Tosca.

© Christian POGO Zach

Der dritte Akt ist nun leider auch der schwächste. Das Bühnenbild besteht aus einem gigantischen Flügel und einem Drahtgestell davor, über dessen Bedeutung man streiten kann. Hinzu kommt, dass der dritte Akt als kürzester zugleich etwas in die Länge gezogen wird. Tosca und Mario treffen sich vor der Hinrichtung, reden über alte Zeiten und die schönen, die noch kommen sollten. Schließlich wird Mario abgeführt und erschossen; und wie Tosca feststellen muss hat Scarpia sie betrogen, die Hinrichtung war nicht nur vorgetäuscht. Die gebrochene Tosca wird von den Wachen gestellt und erschossen, Die letzte Shzene ist noch einmal höchst eindrucksvoll: Die Bühne stürzt auf die Wachen hinunter – bestrahlt von Licht und umgeben von Nebel tritt Tosca hervor, triumphierend.

Dem Gärtnerplatztheater ist mit Tosca ein sehr, sehr guter Streich gelungen. Alle Schauspieler überzeugen und singen stark, wenngleich auch Sekerina und Bouley das restliche Ensemble in den Schatten stellen, was aber für sie als Hauptfiguren auch funktioniert. Am Ende wird man sprachlos und mit dem Gefühl, gerade eine richtig gute Produktion gesehen zu haben, zurückgelassen.

Kritik: Cedric Lipsdorf