„Zum Glück ist Liebe niemals out“ – ein Zitat aus dem gleichnamigen Lied des Künstlers Körner ist so ein Satz, der durchgehend durch den Kopf geht, wenn man sich „Ich lieb dich“ in der Schauburg ansieht, das wahrscheinlich schönste Kinder- und Jugendtheater Münchens. Liebe – das Thema ist komplex, allumfassend, riesengroß und letztendlich einfach nicht erklärbar; umso ambitionierter, dass sich Kristo Šagor im Auftrag des Theaters an diese Thematik gewagt und ein Stück für zwei Personen geschrieben hat, das 50 Minuten lang jede Kleinigkeit und Besonderheit beleuchtet.
Bereits vor Beginn startet der Abend mit einem kleinen Hörspiel, welches eine dritte Klasse der Grundschule am Winthirplatz gestaltet hat, die Šagor Probelesen hat lassen und die dann selbstständig sich viel mit dem Thema befasst haben. So haben sie beispielsweise neben Wörterketten zum Wort „Herz“ auch auf die Frage geantwortet, was sie denn lieben; dabei entstanden Liebesgeständnisse an den Hamster Pixi, den Fußball, die Ananas oder den Nougat-Krapfen, aber beispielsweise auch an die Freunde, dass sie einen unterstützen, auch wenn man zurzeit „komisch“ sei.
Der Zuschauerraum: geteilt in Sitzmöglichkeiten links und rechts seitlich, mittendrin die Bühnenkonstruktion, ein Gerüst mit einer Schaukel. Ein Instrumentarium, das die beiden Darsteller vollkommen ausnutzen und auskosten. Anne Bontemps als Lia und David Benito Garcia als Julian harmonieren dabei als Duo nicht nur wunderbar, sie stürzen sich in Windeseile von einer Rolle in die nächste, egal ob die eigenen Eltern, Großeltern, das Meerschweinchen Mopi oder sprechendes Zitroneneis – immer mit immenser Leidenschaft, was sofort vom Lachen der Kids gewürdigt wird. Dabei ist es tatsächlich schwer, Kinder nur mit Dialogen rund um eine komplexe Thematik irgendwie am Ball zu halten und keine Langeweile zu verursachen. Bontemps und Garcia gelingt das glücklicherweise, sodass das kurze Stück auch tatsächlich einem so vorkommt, selbst wenn man kurzzeitig vollkommen in den Dialogen versinkt.
Jeder Aspekt, der auch nur irgendwie mit Liebe zu tun hat, wird beleuchtet. Ohne Worte fängt das mit Zitaten wie „All you need is xxx“ und „Nur nicht aus xxx weinen“ an, welche im Gerüst verankert sind, aber niemals das wesentliche Wort ausschreiben. Mit Worten beginnt das vor allem in der Rahmenhandlung: Julians Eltern lassen sich scheiden, das bespricht er mit seiner Kindergartenfreundin Lea, die ihn auf eine Reise durch seine ganz eigene Liebesgeschichte mitnimmt. Wenn als beispielsweise Leas Großvater erklärt, dass Hass doch nur „Liebe mit einem Minus davor“ sei, führt er dieses Gefühl darauf zurück, dass man es bei Personen empfindet, die man einmal geliebt hat, heimlich liebt oder Personen, die man liebt, verletzten – hört man dabei zu, erwischt man sich selbst dabei, wie man dem allen nur nickend zustimmen kann. Dabei ist das lange nicht der einzige Aspekt. Sei es die Liebe zu seinem Meerschweinchen, die ehemalige Liebe für Zitroneneis oder die Liebe zum Kastaniensammeln, alle führen zu einem wesentlichen Punkt: Zeit. Liebe kann zeitlich beschränkt sein, ist aber in jedem Fall von ihr abhängig, denn Liebe ist ein Teil der Vergangenheit, ein Teil der Gegenwart und ein Teil der Zukunft – und sie überdauert ebenso den Tod, was das überraschende und ziemlich harte Ende als wesentliches und abschließendes Resümee zieht.
Liebe ist nicht definierbar. Das ist auch Regisseurin Ulrike Günther klar, die in ihrer Inszenierung dabei überhaupt gar nicht erst einmal versucht, den Kindern eine perfekte, finale Antwort darauf zu geben, sondern mit der Geschwindigkeit und Verspieltheit arbeitet, um federleicht die Grundzüge von Liebe zu hinterfragen und zu verstehen. Dabei ist vor allem gegen Ende der Wechsel zwischen den Rollen zu schnell und unübersichtlich – dafür, dass der Text recht schwerwiegt, eine fast zu große Sinnesüberflutung.
Es ist in jedem Fall aber ein gelungenes Unterfangen, möglichst viele Aspekte der Liebe darzustellen. „Ich lieb dich“ präsentiert kurzweilig und mit starkem Schauspiel, was Zuneigung bedeuten kann, aber gleichzeitig, wie stark oder schwach eine Verbindung sein kann – und dass der Indikator dafür manchmal vielleicht nicht unbedingt die Liebe ist, sondern der eigene Verstand. Denn Liebe kann nur entstehen, wenn man sie auch selbst zulässt.
Bericht: Ludwig Stadler
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