Wenige Tage vor unserem Besuch der Oper „Roberto Devereux“ in der Bayerischen Staatsoper haben wir erfahren, dass Edita Gruberova, Sängerin der Hauptrolle Elisabetta und absolutes Opernurgestein, ihre letzten Vorstellungen im Rahmen einer Oper geben wird und anschließend ihre Karriere beenden und nur noch auf Konzerten öffentlich singen wird. Ein kleiner Schock – aber auch eine verständliche Entscheidung, zudem Gruberova im Fach des Belcanto tätig ist und derartige Partien zu singen einer Sängerin alles abverlangt. Dass sie mit 72 Jahren immer noch die Elisabetta mimt, ist fast schon ein Wunder. So schreiten wir gespannt auf den vorletzten Auftritt der lebenden Legende auf einer Opernbühne zu – für immer.
Die Inszenierung von Christof Loy hat über die inzwischen 15 Jahre Bestandszeit kaum an Glanz verloren, nur das Bühnenbild selbst ist nicht mehr das jüngste und trägt ein paar Schönheitsnarben an sich. Insgesamt hat es Loy aber ziemlich clever geschafft, eine zeitlose Inszenierung zu erschaffen, die genauso im Jahr 2019 funktioniert wie sie 1980 funktioniert hätte, wäre sie damals schon entstanden – ein konstanter Raum, Anzüge und Kleider als Kostüme und die direkte Parallele der Monarchie in die heutige Regierung.
Die Handlung beschränkt sich auf übliche Verläufe: Affären, Verrat, ein Geheimnis und die Jagd danach, dieses herauszubekommen. Einzigartig ist dabei eher die Musik von Gaetano Donizetti und die gelungene Umsetzung des Bayerischen Staatsorchesters unter dem Dirigat von Friedrich Haider. Bereits die Ouvertüre zeigt die Zerrissenheit zwischen aufbrausender Wut und ausgeglichener Ruhe – ein Wechselbad der Gefühle, wie es Elisabetta durchlebt. Allerdings – und das ist vielleicht dann doch die kleine Neuheit, die Donizetti und Librettist Cammarano gelang, nicht im Vor-, sondern im Nachteil. Elisabetta ist naiv, launisch und auch tatsächlich nicht die allerklügste Herrscherin, vor allem in Bezug auf die Trennung ihres Privat- und Berufslebens. Ihre Entscheidung, Roberto Devereux, zeitgleich ihre alte Affäre, zum Tode zu verurteilen oder eben nicht, wird so immer mehr zur Entscheidung einer Gefühlslage, nicht aus Rationalität.
Natürlich stellt sich die Frage, wie Gruberova gesanglich die streckenweise anspruchsvolle Rolle meistert, vor allem in Hinblick auf ihr Alter. Zwar gelingen ihr manche Töne nicht mehr so stark wie in ihrer Karrierenhochphase, allerdings erreicht sie selbst den hohen Schlusston und schafft es, alle Passagen originalgetreu zu singen. Eine Leistung, die großen Respekt generiert – und den sie auch in Form von frenetischem Applaus bekommt! Sogar ein paar Blumensträuße fliegen abschließend auf die Bühne, einer wird anhand einer selbstgebastelten Seil-Konstruktion von der oberen, rechten Lounge heruntergelassen und ihr (mit Umweg über das Orchester) überreicht. Was allerdings mit der Devereux-Inszenierung passiert, nachdem Edita Gruberova nicht mehr in ihre Rolle zurückkehren wird, bleibt offen – sie war es doch, die die Oper über Jahre hinweg im Repertoire der Bayerischen Staatsoper gehalten hat. Wie es mit Gruberova in München weitergeht, ist wiederum bereits klar: am 7. April kehrt sie für ein Konzert in den Herkulessaal zurück.
Kritik: Ludwig Stadler