Ein Hauch von Kunstnebel liegt in der Luft der noch voll erleuchteten Münchener Olympiahalle. Mit Spannung werden die Pet Shop Boys erwartet, die gleich etwa zwei Jahre zu spät (pandemiebedingt) die Bühne betreten werden. Das britische Elektropop-Duo gehört zu den weltweit erfolgreichsten Popkünstlern, seit ihrer Gründung Anfang der 1980er Jahre sind Sänger Neil Tennant und Keyboarder Chris Lowe nicht mehr wegzudenken von den großen Bühnen dieser Welt. Nach Mailand und Wien ist die bayrische Landeshauptstadt der dritte Stopp ihrer „Dreamworld – Greatest Hits Live“-Tournee.
Um kurz nach 20 Uhr werden die Lichter gelöscht, die Nebelmaschinen auf 100% Leistung hochgekurbelt, eine epische Intromusik kündigt das Baldige erscheinen von Tennant und Lowe an. Diese, begleitet von großem Jubel und Standing Ovations, platzieren sich unter zwei auf der Bühne befindlichen Straßenlaternen. Unvermittelt knallt die charakteristische Bassline des Klassikers „Suburbia“ aus den Lautsprechern. Man könnte sich die Fragen stellen, warum die beiden Londoner futuristische Gesichtsmasken tragen oder warum die dreiköpfige Begleitband hinter einer Projektionsfläche versteckt wird. Ein kurzer Blick in die Menge aber drängt schnell die Frage in den Vordergrund, warum sich überhaupt die Mühe gemacht wurde die Olympiahalle zu bestuhlen; alles steht, jubelt, tanzt.
Mit rasantem Tempo und einem kurzen „Guten Abend München“ (Neil Tennant) geht es weiter, „Can You Forgive Her“, „Opportunities“, Greatest Hit folgt auf Greatest Hit. Unterstützt wird das Synthesizer-Spektakel von einer aufwendig animierten Projektionsshow, die vor guten Ideen nur so strotzt. Rolltreppen und Zebrastreifen nehmen einen mit ins belebte Londoner West End, eine Strichmännchen-Armee läuft beschwingt im Takt von rechts nach links und kurze Musikvideo-Sequenzen erinnern an vergangene Tage. Manchmal werden Interviewschnipsel zwischen Songs gezeigt, allerdings nie länger als ein paar Sekunden. Es entsteht eine dicht getaktete, spektakuläre Dance-Pop-Show.
Nach einer halben Stunde Fahrt in der Tanzmusik-Achterbahn wird die Begleitband freigegeben, die Projektionsfläche fährt hoch und auch die Gesichtsmasken sind irgendwie verschwunden. Eine Welle der Energie und der guten Laune strömt von der Bühne aus, die sich selbstsicher ihren Weg bis in die letzten Reihen der Olympiahalle bahnt. Wenn Neil Tennant dazu animiert im Takt zu klatschen, machen alle mit, das hat man bei deutschem Publikum auch schon anders erlebt und kann dies als großes Kompliment für die Eingängigkeit der Songs und die Wirkung der Musik begreifen. Besondere Erwähnung müssen die zwar rar gesäten, aber gut platzierten ruhigen Momente finden, wie etwa als Sänger Tennant nach dem Greatest-Hit „New York City Boy“ selbst zur Akustikgitarre greift; ein kurzes, aber schönes bisschen Durchatmen und Musikhören. Oder aber der Radioklassiker „You Were Always On Mind“, bei welchem das Publikum der gut gealterten Stimme von Tennant durch exzessives Mitsingen den Job streitig macht.
Dass Hits wie „Go West“ oder „West End Girls“ Garanten für einen guten Abend sind, damit war zu rechnen. Am überraschendsten ist aber, vielleicht bedingt durch das 80er- Revival in der modernen Popmusik (The Weekend, Dua Lipa), die Aktualität des Sounds des Duos, das nach mehr als 40 Jahren Bandgeschichte keinesfalls verbraucht oder aus der Zeit gefallen klingt. Und so ist die knapp zweistündige Show nicht geprägt von Nostalgie oder dem Wunsch sich wieder jung zu fühlen, sondern vor allem mal von guter Popmusik. Greatest Hit-Shows gibt es zuhauf, Bands, die sie wirklich mit Greatest Hits füllen können, schon weniger. Die Pet Shop Boys machen dem Namen ihrer Tour jedoch alle Ehre.
Setlist: Suburbia / Can You Forgive Her? / Opportunities (Let’s Make Lots Of Money) / Where The Streets Have No Name (U2 cover) / Rent / I Don’t Know What You Want But I Can’t Give It Any More / So Hard / Left To My Own Devices / Single-Bilingual / Domino Dancing / Monkey Business / New York City Boy / You Only Tell Me You Love Me When You’re Drunk / Jealously / Love Comes Quickly / Losing My Mind (Stephen Sondheim cover) / You Were Always On My Mind (Gwen McCrae cover) / Dreamland / Heart / It’s Alright (Sterling Void cover) / Vocal / What Have I Done To Deserve This? / Go West (Village People cover) / It’s A Sin – Zugaben: West End Girls / Being Boring
Bericht: Balthasar Wörner