Wenn eine Band bei Jimmy Kimmel als Musik-Act auftritt und ebenso für einen Grammy nominiert ist, sind manche musikalischen Nischen und Genres grundsätzlich ausgeschlossen. Angenehm im Kontrast stehen Knocked Loose: Die amerikanische Beatdown/Hardcore-Gruppe ist wahrlich nicht in massentauglichen Genres unterwegs, hat sich aber konsequent einen beachtlichen Platz in der Musiklandschaft erkämpft und spielt in den Staaten bereits Arenen. Obwohl auch ihr aktuelles Album „You Won’t Go Before You Supposed To“ keinen Kompromiss in ihrem harten Sound erkennen lässt, sind sie damit endgültig in den Olymp der Metal-Bands aufgestiegen. Das beweist auch ihre Europa-Tour im Frühjahr, die fast überall ausverkauft ist. Den Abschluss feiern sie am Samstag, 29. März 2025, in der TonHalle München.
Ganze drei Vorbands haben Knocked Loose auf ihrer Reise dabei, von ruppigem Punk bis Emo-Post-Hardcore. Den Start machen Pest Control um 19 Uhr, die mit roher und schneller Hardcore-Attitüde ihren rotzigen Punk auf die Münchner*innen loslassen. Frontfrau Leah Massey treibt die Menge zu ersten Bewegungen und wird nach rund 30 Minuten mit viel Jubel verabschiedet. Eine ordentliche Schippe härter wird es bei den folgenden Harm’s Way. Die breiten Muskeln von Sänger James Pligge lassen in diesem Fall etwas stereotypisch erahnen, was die Band aus Chicago mitgebracht hat: knüppelharten Hardcore mit stampfenden Riffs und Ausflügen in den Metalcore. Auch wenn das alles wenig abwechslungsreich ist: den Leuten gefällt’s.

Ein beachtlicher Teil des Publikums steht schon von Beginn an mit Shirts des Haupt-Supports in der Halle: Basement. Die britische Emo-Rock-Band mag zwar stilistisch nicht ganz so gut in den Abend passen, ist aber ein wahres Juwel im Line-Up: Äußerst selten touren die Herren, seit Pandemie-Ende ist das ihre erste Reise durch Europa. Dass sie aber keine unbekannten Gesichter sind, wird schon bei der Textsicherheit vom Opener „Whole“ klar. Die Energie der Briten ist mitreißend und dermaßen impulsiv, dass ihre auch gern mal gemächlichen Stücke eine immense Treibkraft entfachen. Crowdsurfen, Moshpits und Ekstase ist der Lohn. Highlights sind das grandiose „Aquasun“ und – natürlich der letzte Song – „Covet“. Schade, dass es nach rund 40 Minuten schon vorbei ist.
Setlist: Whole / Earl Grey / Spoiled / For You The Moon / Fading / Aquasun / Are You The One / New Song / Pine / Promise Everything / Covet
Bis schlussendlich der Headliner des Abends auf der Bühne steht, vergeht reichlich Zeit, erst um 21:45 Uhr gehen die Lichter ein finales Mal aus und geben den Weg frei für Knocked Loose. Die fackeln nicht lange und starten mit „Thirst“ und „Deep In The Willow“ ein waschechtes Höllenfeuer. Song für Song, Minute für Minute puschen vor allem Sänger Bryan Garris und Gitarrist Isaac Hale die Münchner*innen zu allen möglichen Interaktionen von Moshpit, Wall Of Death, Crowdsurfen, Herumschubsen und bei „Take Me Home“ sogar zu Violent Dancing. Dass man bei der Härte und Drastik der Musik keine zimperliche Show erwarten kann, dürfte klar sein, aber die Intensität von Bühne und Publikum ist sogar für erfahrene Core-Konzertgänger eine Grenzerfahrung. Securities händeln Crowdsurfer im Sekundentakt und müssen immer mal Besucher zurückhalten, über die Balustraden zurück in die Menge springen zu wollen. Klar, bei den letzten Shows der Band gab es keinen Graben vor der Bühne und noch einmal eine stärkere Art der Eskalation.

Nun sind aber Knocked Loose auch in Europa so groß, dass sie die TonHalle mit ihren über 2.000 Personen Kapazität problemlos ausverkaufen. Mit all dem Erfolg, der durch „Suffocate“ und dem aktuellen Album kommt, fällt auch die Marke als Underground-Hardcore-Band weg, die gern mal die Extrameile im Härtegrad geht. Zumindest musikalisch sind die rund 65 Minuten eine kompromisslose Aneinanderreihung von treibenden Nummern, die von den Amerikanern auf der Bühne mit Hingabe, Bewegung und Leidenschaft performt werden. Von einer Tourabschluss-Flaute ist nichts zu spüren, im Gegenteil: Garris und seine Bandkollegen sind voll in ihrem Element. Einen kleinen Abschluss-Gag gibt es beim abschließenden „Sit & Mourn“: Alle beteiligten Musiker*innen der Vorbands kommen mit Gitarre auf die Bühne und performen gemeinsam den finalen Riff. Ein schöner, fast schon friedlicher Abschluss eines Konzerts, das ein Feuerwerk an Bewegung und Wucht abgefeuert hat.
Setlist: Thirst / Deep In The Willow / Mistakes Like Fractures / God Knows / Don’t Reach For Me / Trapped In The Grasp Of A Memory / Piece By Piece / Deadringer / Where Light Divides The Holler / The Calm That Keeps You Awake / Moss Covers All / Take Me Home / Everything Is Quiet Now / Blinding Faith / Billy No Mates / Counting Worms / Suffocate / Sit & Mourn
Bericht: Ludwig Stadler

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