Hip To Be Scared – Ice Nine Kills in der TonHalle (Bericht)

Veröffentlicht in: Konzerte, Metal/Rock | 1

Es gleicht einem stillen, aber äußerst erfolgreichen Siegeszug: die Karriere von Ice Nine Kills. Angefangen als Metalcore-Band, die durchaus das Theatrale liebt, hat sich dieses Gesamtkonzept immer mehr zu einer musikalischen Vertonung des gesamten Horror-Genres entwickelt. Jeder Filmklassiker bekommt einen Song, jede ikonische Szene, jedes Phänomen – und spätestens mit dem 2017er-Album „The Silver Scream“ haben das auch unzählige Menschen mitbekommen. Die Kombination aus knüppelharten Metal-Parts und ohrwurmlastigen Bombast-Refrains, gepaart mit einer ausgeschmückten Bühnenshow, hat sich etabliert und führte dazu, dass nicht nur der Ursprungstermin im Februar in der Muffathalle restlos ausverkauft war, sondern auch der hochverlegte Nachholtermin in der TonHalle München am 23. Mai 2023. 2000 Szene- und Nischenfans? Wohl kaum, da muss mehr dahinterstecken.

Und tatsächlich ist das Publikum eine wilde Mischung aus Metal- und Gothic-Fans, aber auch vielen Filmliebhabern, die sich nicht allzu oft auf Konzerte verirren, aber hier wohl viele Genre-Lieblinge amüsant musikalisch umgesetzt sehen. Bevor es zur Hauptband des Abends kommt, gibt es aber erst einmal drei (!) Vorbands durchzustehen. Angekündigt war lediglich eine, und da weder Defying Decay noch Landsdowne eingeplant waren, geht es schon reichlich früh um 19:15 Uhr mit dem Musikprogramm los. Ein unerwartetes Abendfestival.

Die einzige angekündigte Vorband SKYND startet um 20:40 Uhr. Innerhalb der Nische der vertonten Gräueltaten ist das Duo aus Frontfrau Skynd und Instrumentalist Father wohlbekannt und passt daher auch bestens ins Setting – musikalisch sind es aber große Gräben, die hier überwunden werden müssen. Ihr elektronischer Industrial mutet zeitweise wie eine Indie-Band an, die sich im Genre verirrt hat. Dennoch: die Bühnenpräsenz ist elektrisierend und ein Blickfang, man kann spärlich wegsehen, aber reichlich weghören. Nach rund 40 Minuten ist der Ritt durch die Historie unzähliger Massenmörder geschafft.

Dementsprechend dauert es bis 21:50 Uhr, bevor Ice Nine Kills mit „Funeral Derangements“ auf die Bühne stürmen und unverblümt lostrümmern. Und schon bei den Tiermasken der Band wird klar: heute gibt es einen Requisitenrausch! Am Ende werden es 14 Songs sein, die gespielt werden – und damit 14 verschiedene Outfits, in die Spencer Charnas präsentiert, immer mit einem neuen Mordinstrumentarium von Axt zu Messer bis Brechstange in der Hand, das meistens zum Rumfuchteln da ist, aber hier und da auch in inszenierten Meuchelungen Einsatz findet. Zwei oder drei Darsteller*innen, womöglich auch Crewmitglieder*innen, sind eingespannt und dürfen die verschiedenen ikonischen Opfer mimen, sei es die Dame aus der „Psycho“-Duschszene bei „The Shower Scene“, der Pennywise verfallene Georgie bei „IT Is The End“ oder das dämonisierte Mädel, welches bei „Communion Of The Cursed“ einen Exorzismus vollzogen bekommt. Klingt irgendwie durcheinander, ist es auch, aber macht reichlich Spaß zum Zusehen!

Natürlich kann hier das Argument vorgebracht werden, dass die Musik in den Hintergrund rutscht, aber das inszeniert die Band schon selbst so – die Alben selbst sind ein Wust aus Effekten und tausenden Instrumentenspuren, die live nur schwerlich in voller Form dargeboten werden können. Bei „Wurst Vacation“ wird so zum Schluss gar nicht mehr groß gesungen und nur noch performed. Dennoch ist alles live, was live sein kann – die Instrumentalfront leistet volle Arbeit, gesanglich liegt der Hauptteil natürlich bei Charnas, aber clever aufgeteilt zwischen den allesamt stimmlich begabten Bandmitgliedern. Bei „A Grave Mistake“, dem vielleicht stärksten Song der Amerikaner, dreht sich der Fokus dann doch: keine extra Verkleidung, keine zusätzliche Show, nur die Musik – und auch das meistern Ice Nine Kills grandios. Zwar ist die Horror-Metal-Sause nach 65 Minuten bereits vorbei, allerdings ging es mit so viel Karacho durch diese Spielzeit, dass sich kaum beklagt werden kann. Ob das nun mehr Konzert oder doch Theater-Performance war? In jedem Fall gelingt die Fusion.

Setlist: Funeral Derangements / Wurst Vacation / Hip To Be Scared / Ex-Mørtis / IT Is The End / Communion Of The Cursed / The American Nightmare / The Shower Scene / Assault & Batteries / A Grave Mistake / SAVAGES / Farewell II Flesh / Stabbing In The DarkZugabe: Welcome To Horrorwood

Bericht: Ludwig Stadler

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert