Mittwoch, der 29. März. Stahlgraue Wolken ziehen über das Riesenrad im Werksviertel hin, spiegeln sich in den Pfützen auf dem Weg zum Technikum. Dort ist für heute Hania Rani angeschrieben. Hania Rani ist eine junge polnische Pianistin, deren leise-melancholische Kompositionen in den vergangenen drei Jahren eine beachtliche und begeisterte Hörerschaft gefunden haben. Während Rani auf ihrem Debütalbum »Esja« noch primär am Piano orientiert war, öffnete sie ihr Klangspektrum seitdem hin auf Synthesizer und Gesang.
Ranis Konzert sollte ursprünglich im Ampere stattfinden, doch selbst nach der Umverortung ins deutlich größere Technikum waren die Tickets bald vergriffen. Kein Wunder: Rani bringt die meditative Stimmung neoklassischer Mood-Pieces im Stil von Richter, Frahm, Jóhannsson usw. mit einem Chamberpop-bewanderten Gespür für Klarheit und Kompaktheit zusammen und dürfte damit verschiedene musikalische Interessensgruppen auf sich vereinigen.
Der von gelbem Nebel erfüllte Zuschauerraum füllt sich rasch, erwartungsvoll wird in Richtung Bühne gespäht, wo sich verschiedene Tasteninstrumente und ein Kontrabass abzeichnen. Doch Rani lässt auf sich warten. Schließlich erscheint sie, an ihrer Seite und an Bass und Synthesizer Ziemowit Klimek. Erzählt meiner Mama nicht, dass ich Euch habe warten lassen, die wäre böse auf mich, bemerkt Rani zwinkernd.
Rani eröffnet den Abend mit einer Reihe neuer Stücke: Da ist das sehr elektronische, Nils Frahm-reminiszente »Moans«, sowie, reduzierter, Gesangs-orientierter, »Hello« und »Dancing with Ghosts«. Ein erster Höhepunkt ist mit der Darbietung von »Leaving« und »Buka« von Ranis zweitem regulären Studioalbum »Home« erreicht – neben diesem und dem Erstling »Esja« kann sie inzwischen auf eine ganze Reihe von Soundtracks und Kollaborationen zurückblicken, zuletzt erschien in diesem Jahr »On Giacometti«.
Obwohl das Konzert durchaus nicht das Gepräge eines Klassikabends aufweist – man steht, Getränke machen die Runde, Videos und Bilder werden aufgenommen – herrscht andächtig versunkene Stille: Momente lang ist nichts zu hören, als das kollektive Atmen, das Brummen der Lüftung und Ranis Klavierspiel, das, pianissimo, wie Tropfen in den Raum fällt. Einziger Wermutstropfen: Die schwellenden Basstöne, die Klimek verschiedentlich vom Stapel lässt, überfordern die Akustik des Technikum; irgendwo rasselt und scheppert es.
Eingesponnen in die sanften Gezeiten gleich zwischen laut und leise changierenden, oft mehrere Stücke zusammenziehenden Interpretationen Ranis und Klimeks geht das Konzert wie im Flug vorbei; schon ist es Zeit für die Zugabe: »Glass« natürlich muss es – neben dem mindestens ebenso ergreifenden »Abu Simbel« – sein, das Stück, das Hania Rani im Netz zum Durchbruch verhalf. Dass sie jenes besondere Etwas, das so viele Menschen dazu gebracht hat, immer wieder auf ihre Videos zu klicken, auch in den Blasen der Wirklichkeit realisieren kann, hat sie heute eindrucksvoll bewiesen.