The Bitch Is Back – Elton John in der Olympiahalle (Bericht)

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„And I think it’s gonna be a long, long time“ sang Elton John bereits vor über 50 Jahren in dem Song „Rocket Man“, welcher 1972 das Licht der Welt erblickte, Jahrzehnte später der Titel seiner biografischen Verfilmung sein sollte und immer noch als Credo und Vorhersagung für diese lange, einzigartige Karriere sein könnte. Wenn es Personen gibt, die dem Begriff der lebenden Legende gerecht werden, dann darf, nein, muss! der Name des Briten fast schon fallen. So ist es wahrlich ein Großereignis, dass er auf seiner pandemiebedingt verlängerten Abschiedstour das überhaupt erst durch die Pandemie zustande gekommene Zusatzkonzert aus 2021 nun, wiederum pandemiebedingt verschoben, endlich am 27. April 2023 in der Olympiahalle München nachholen kann. Alle guten Dinge sind drei, heißt es bekanntlich, auch wenn das Gefühl dieses Mal deutlich ist: das ist der finale Auftritt in der bayerischen Landeshauptstadt.

© Ben Gibson

An der frühen Startzeit hat sich auch vier Jahre später wenig getan. Kurz nach 19 Uhr verdunkelt sich die Olympiahalle und ohne langes, ausgedehntes Intro spaziert Elton John im hellgrün-bläulichen Glitzerfrack gen Flügel, frenetisch und bereits ab der ersten Sekunde mit stehenden Ovationen bejubelt vom Münchner Publikum, und haut sogleich einen brachialen Akkord mehrfach in die Tasten. Klar, das kann nur „Bennie And The Jets“ sein – und wie ein Jet düst er gleich mit ordentlich Karacho und Tempo in diesen Abend, denn die folgenden „Philadelphia Freedom“ und „I Guess That’s Why They Call It The Blues“ lassen seine insgesamt sechsköpfige Band bestens scheinen und klingen. Wer einen zurückhaltend, gar lieblich gemischten Sound erwartet, wird schnell verdutzt gucken. Das Klavier klingt kräftig, die Percussion-Fraktion irre treibend und die E-Gitarre fetzt so, wie es sich eben für eine ordentliche Rockshow gehört. Die zieht der Altmeister ab – und was für eine!

Dabei sind es weniger Effekthascherei, Pyro oder eine bewegungsintensive Performance, die die Münchner*innen zum Staunen bringen, das Mittel ist viel einfacher: Wahnsinnig starke Songs werden wahnsinnig stark gespielt. Natürlich ist da die große LED-Wand nicht zu verachten, natürlich macht auch das Bühnensetting reichlich her, insbesondere, wenn Elton John am Flügel hin und wieder auf der Bühne herumgefahren wird – und ja, einmal gibt es sogar Konfettiregen. Dennoch, all das gibt höchstens den Rahmen für ein Feuerwerk an unverschämt talentierten Musikern, die sich in knapp zweieinhalb Stunden durch 23 Songs der reichen Diskografie spielen. Teilweise sind die Mitglieder auch schon ewig dabei, gerade Davey Johnstone an der Gitarre und Drummer Nigel Olsson sind seit den Anfangstagen Mitglied der Elton John Band (Unterbrechungen ausgenommen). Das weiß auch der Frontmann und würdigt nach „Sorry Seems To Be The Hardest Word“ seine Mitglieder ehrlich, würdig und ausführlich.

© Ben Gibson

Wieder einmal ein absoluter Blickfang ist Percussionist Ray Cooper, der den kompletten ersten Stock des Bühnenpodests mit seinen unzähligen Instrumenten einnimmt und mit so extrem viel Gefühl, Engagement und Freude beim Musizieren ist, dass man selbst dermaßen mitgerissen wird. Die Kamera weiß das auch und hält gerne mal öfter auf Cooper als auf Elton John. Der nimmt es mit Humor, immerhin weiß er, welches Juwel er seit knapp 55 Jahren mitnimmt und macht das auch in der Bandvorstellung deutlich. Die Fans schenken Cooper in jedem Fall den vielleicht lautesten Applaus des Abends – aber gut, es ist auch Heimspiel für den Kult-Musiker. Allgemein jubelt und grölt sich die Olympiahalle die Seele aus dem Leib, sodass der Sänger auch immer wieder betont, was für ein großartiges Publikum doch heute Abend hier sei, bevor die nächste Nummer angestimmt wird. Im Gegensatz zu 2019, wo wir berichteten, wurden reichlich Lieder ausgetauscht, insgesamt gestaltet sich das gesamte Konzert auch rockiger, fetziger und schlichtweg noch einmal besser als sein letzter Besuch.

Am hellsten strahlen gar nicht unbedingt die ganz großen Hits, sondern die scheinbaren Perlen in der Setlist, beispielsweise das wuchtige „Have Mercy On The Criminal“ oder das treibende „Burn Down The Mission“. Fraglos aber dauert es nur kurz, wenn die ersten Zeilen des nächsten Dauerbrenners angeschnitten werden, und wieder steht fast die gesamte Halle auf und tanzt. Zur Zugabe widmet er sich dann seinem frischesten Nummer-1-Hit: „Cold Heart“ mit Dua Lipa. Etwas wie ein Fremdkörper wirkt das Lied zwar, aber: es hat ihn auch bei einem jüngeren Publikum auf die Bildfläche gebracht. „Your Song“, das folgende Stück, spricht dann eher eine andere Altersklasse an, ist aber generationsübergreifend ergreifend. Man möchte gar nicht, dass der Abend endet, aber um kurz nach 21:30 Uhr fährt er dann doch auf einem kleinen Podest davon. Ein außergewöhnlicher Musiker verabschiedet sich. Genieß die wohlverdiente Rente, lieber Elton John – dem Münchner Publikum wird dein fantastischer Live-Abschied noch lange in Erinnerung bleiben!

© Ben Gibson

Setlist: Bennie And The Jets / Philadelphia Freedom / I Guess That’s Why They Call It The Blues / Border Song / Tiny Dancer / Have Mercy On The Criminal / Rocket Man / Take Me To The Pilot / Someone Saved My Life Tonight / Levon / Candle In The Wind / Funeral For A Friend / Love Lies Bleeding / Burn Down The Mission / Sad Songs (Say So Much) / Sorry Seems To Be The Hardest Word / Don’t Let The Sun Go Down On Me / The Bitch Is Back / I’m Still Standing / Crocodile Rock / Saturday Night’s Alright For FightingZugaben: Cold Heart / Your Song / Goodbye Yellow Brick Road

Bericht: Ludwig Stadler

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