You Don’t Know Me – Zoe Wees im Backstage Werk (Bericht)

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Am Dienstag, 5. April 2022, bot sich im Backstage Werk mit Zoe Wees eine junge Künstlerin, die dennoch schon kein Newcomer mehr ist. Denn Sonst wie Girls Like Us oder Control sind aus Radio, TV und Social Media längst gängig. Umso mehr dürfe es Zoe und Band freuen, nun fast ohne Einschränkungen auf Europa-Tour zu gehen. Denn die Maskenpflicht war bereits gefallen – das heißt alles konnte, nicht musste.

Doch der Abend beginnt erst einmal mit Vorband FLØRE. Die Leute sind gerade eingetrudelt, viele nach dem Regen noch in den Jacken, als die charismatische Erscheinung mit ihrem Programm startet. Wie sich FLØRE auf Instagram präsentiert, verkörpert sie es auch live. Mut zur Garderobe zum Beispiel, aufwendige Outfits mit Goth-Elementen, die nach Aufmerksamkeit heischen und zugleich Rebellion ausdrücken. In Themen und Spannungen, die ihre Musik durchziehen, kann man auf der Bühne ganz genau so erkennen: Da geht es um Wut in einen Moment, wie im neuen Song Sick Of Being Sad, Selbsthass und Verletzlichkeit im nächsten Moment, wie in Bad Medicine. Gefühle, mit denen sich viele junge Menschen stark identifizieren. Genau das kann FLØRE glaubhaft rüber bringen, wenn sie in den Songs selbstbewusst ihre Stimme beben lässt und sich danach noch die Gitarre umschnallt, in den Moderationen dazwischen aber bescheiden und nahbar, fast schon leise wirkt. Das Publikum taut langsam auf und die Stimmung für den Abend wird gesetzt: Man möchte Spaß haben, aber auch zuhören und in sich gehen.

© Jeff Hahn

Nach kurzem Umbau wird dann mit großem Jubel Zoe Wees begrüßt, die sofort Vollgas gibt. Dazu braucht sie nicht viel mehr als ihre Stimme, denn die durchdringt den ganzen Saal und macht klar, dass hier musikalisch wirklich etwas Besonderes passiert. Auch Sie wirkt, wenngleich sehr geübt und professionell, unheimlich authentisch, sie lacht oft, interagiert sehr eng mit Band und dem Publikum und man merkt, wie viel Spaß sie hat. Wenngleich sie die Geschichten zu den Songs wohl auf jedem Konzert erzählt, nimmt man ihr vollkommen ab, wie wichtig ihr die Themen sind, über die sie singt und schreibt. Diese reichen vom Kampf der Mutter mit der Teenie-Tochter bis zum treuen Freund, der bei Flugangst die Hand hält. Auch musikalisch wartet man mit einem Spektrum von Balladen wie „Control“ über soulige Elemente Thats How It Goes bis zu schnellem Tempo, bei dem die ganze Band mit voller Energie abliefert.

Wer nicht so mit spielt? München. Ob es den Leuten gefallen hat? Ganz sicher! Sie jubeln nach jedem Song. Aber interagieren kann dieses Publikum nicht, da wird nicht getanzt, nicht so richtig mitgesungen und vor allem lässt sich das Publikum nicht auf das ein, was ihm auf der Bühne an Gefühlen und Erlebnissen angeboten wird. Das reicht so weit, dass Zoe einen Song abbricht, den Blick auf ihre Fans richtet und ganz ehrlich sagt: „Ich werde immer gefragt ob ich das, was ich zu meinen Songs zu sagen habe, ernst meine – ja, das meine ich ernst und ich appreciate es nicht, wenn ihr dann redet – darum: Let’s try again!“ Was für eine Ansage! Und wie berechtigt! Und wie passend ausgedrückt! Statt die Zuschauer sich selbst zu überlassen und blind durchzuziehen oder dem Frust, der in diesem Moment vielleicht da war, Raum zu geben – so toll und ehrlich gesprochen vor so einer Menschenmenge! Wie viele Künstler sollten sich das trauen und dann diese Worte finden!

Und dann geht die Show mit ebenso viel Herzblut weiter. Herausragend an diesem Abend: Hier wird keine Sängerin wie die glänzende Diva auf ein Podest gehoben – Zoe gibt den Musiker*innen, den Sängerinnen Raum, sich zu entfalten und teilt das Rampenlicht selbstlos, weil sie es genießt, mit dem Team gemeinsam zu spielen. Das merkt man deutlich und das ist wirklich nicht selbstverständlich! Und wenngleich das Publikum nicht so richtig mitmacht, haben diese Leute knapp 90 Minuten zusammen pure Spielfreude! Sie versprühen eine wahnsinnige Energie, die ganz sicher auf ganz vielen Konzerten der Tour die Leute mitreißt, von den Füßen reißt und zugleich schöne und tiefe Erinnerungen hinterlässt.

Setlist: Ghost / Overthinking / Rich Kids / Only When I’m Sober / Halloween / Daddy’s Eyes / Hold Me Like You Used To / Ain’t Really Good For Me / Girls Like Us / Ready To Love / When It Hurts / Love Me Now (acoustic) / I’ll Be Waiting / Broke / You Don’t Know Me / That’s How It Goes / New York Pretty / Third Wheel / ControlZugaben: [unknown] / Lonely / Love Me Now

In diesem Sinne ist dieser Abend nicht nur für Fans ein Erlebnis, sondern für jeden, der echte Musik, tolle Stimmen und ein beeindruckendes Gesamtpaket schätzt. Und Zoe, nimm es uns nicht übel: manchmal können wir nicht so gut zeigen, wie sehr wir’s fühlen – but we do!

Bericht: Jana Taendler