„Mach doch die Augen auf!“ – „Z“ in der Staatsoper (Kritik)

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Die Thematik könnte aktueller nicht sein: Ein politisch motivierter Mord, ausgeführt von bekennenden Nationalisten, aus Angst vor dem Kommunismus und Pazifismus. Genauso oder in ähnlich abgewandelter Form könnte dieser Satz zur Zeit in der Tagesschau oder im Heute-Journal verwendet werden. Aber das von Minas Borboudakis komponierte Musiktheater „Z“ in der Inszenierung von Kevin Barz, welches am 1. Juli 2019 im Rahmen der Münchner Opernfestspiele 2019 seine Premiere feierte, handelt nicht von unserer Gegenwart, es spielt sich noch nicht einmal in Deutschland ab – sondern in Griechenland, der Wiege unserer Demokratie, vor fast einem halben Jahrhundert.

© Wilfried Hösl

Das politisch motivierte Attentat auf den bekennenden Pazifisten und griechischen Abgeordneten Grigoris Lambrakis – in der Inszenierung „Z“ genannt – wurde zunächst in einem Roman, später einem bekannten Film und nun schließlich in einer Oper verarbeitet. Die hochkarätige Verschwörung, welche den Mord durchführen und dann vertuschen ließ, wurde unter anderem auch dadurch für die Nachwelt präsent, da sie von einem jungen Untersuchungsrichter aufgedeckt wurde, der später Premierminister Griechenlands werden wird. In der Produktion wird Z wider Erwarten auf eine Sprechrolle reduziert und erinnert in Anzug, Krawatte und Kopfwunde an einen abgekämpften Daniel Craig im Vorspann des letzten 007-Films. Edmund Telgenkämper („Z“) schleicht in seiner Rolle über die Bühne und wirkt dabei ununterbrochen wie ein kommentierender Beobachter, anstatt die Handlung als Protagonist voranzutreiben. Chor und Nebendarsteller sind plakativ in ihrer Simplizität und Zurückhaltung. Auch sie schaffen es nicht großartig, einen Spannungsbogen aufzubauen, geschweige denn zu halten: die Handlung läuft ab, hinterlässt aber kaum Spuren.

© Wilfried Hösl

Allein Noa Beinhart (Frau/Seele) und Simon Bailey (Archosaurier) können wirklich in ihren Rollen überzeugen. Die eine als trauernde Witwe, welche an ihrer Trauer und der scheinheiligen Anteilnahme ihres Umfelds zerbricht, der Andere als hetzender Polizeipräsident, der den Mord in Auftrag gibt und später vergeblich versucht, ihn zu vertuschen. Begleitet durch die unregelmäßige Rhythmik und ungewohnte Zusammenstellung von Klängen der neuen Musik gelingt es jedoch auch diesen beiden nur selten, das Publikum über mehr als eine Sequenz hinaus mitzureißen. Die Musik tritt zwar nie großartig in den Vordergrund, sondern ordnet sich den Texten aktiv unter, ist aber dennoch zu sperrig für die reine Akzentuierung der schwerwiegenden Handlung und selbst die vielseitigen Stimmen der Protagonisten gehen im Bann des repetitiven Librettos unter.

Das als Straße angelegte Bühnenbild, mit Videoleinwänden für die Projektionskunst von Thomas Herzog und Hartmut Göbel, ist frei im Raum platziert und wird so von den Zuschauern umringt, sodass es keinerlei tote Winkel gibt. Die Videobeiträge verschmelzen teilweise mit den gegenwärtigen Darstellern und kreieren eine sehenswerte Scheinwelt, welche mithilfe von weißem Rauschen und schemenhaften Animationen einen soliden und interessanten Hintergrund bilden.

Seine größte Wirkung erreicht die Inszenierung aber aufgrund ihrer Aktualität. Korrupte Politiker und hetzende Polizisten, die Kriminalisierung des Pazifismus sowie die Überidentifikation als Nationalist zeichnen ein erschreckendes Gesellschaftsbild – damals wie heute. Es bleibt ein Gefühl der Hilflosigkeit und die Frage, was für einen Schatten die Menschheit auf unsere Welt wirft.

Kritik: Anna Matthiesen