Ein Orkan an Musical-Stimmen – Musical-Salon mit Sabrina Weckerlin & Philipp Büttner im Deutschen Theater (Kritik)

Veröffentlicht in: Konzerte, Musical, Sonstiges, Theater | 0

Wo fängt man eigentlich an, wenn absolut alles an einem Abend in der alleroberten Liga dessen, was geboten werden kann, angesiedelt ist? Noch bevor auch nur der erste Ton erklingt, ist klar, dass der Musical Salon mit den Gästen Sabrina Weckerlin und Philipp Büttner und Moderatoren Mark Seibert und Patrick Stanke ein ganz besonderes Erlebnis werden wird. Das zeigen zum einen die Vorgänger-Veranstaltungen im November 2022, zu denen dieses Konzert auch zählte, aber krankheitsbedingt verschoben werden musste, das zeigt aber auch einfach die Castliste. Vier der relevantesten Namen im deutschsprachigen Musical-Raum, davon mit Sabrina Weckerlin fraglos die absolute Speerspitze der weiblichen Musicalnamen, an einem Ort versammelt, nämlich im Deutschen Theater München am 1. Mai 2023. Was kann hier also schiefgehen?

© Heiko Roth

Und wie befreiend ist es nun zu schreiben: nichts. Es kann nichts schiefgehen und geht auch einfach nichts schief, denn das Talent dieser vier Sänger*innen allein ist schon so riesig, dass das gesungene Material zweitrangig wird. Zum Glück ist es das aber natürlich auch nicht, im Gegenteil, die Liederauswahl ist fein getroffen und beinhaltet allerlei Höhepunkte der jeweiligen Karriere. Mark Seibert und Patrick Stanke, die den Abend vor allem als Moderatoren begleiten, aber dennoch Gesangliches beitragen und so auch das Konzert eröffnen, nehmen sich angenehm zurück und überlassen ihren beiden Gästen deutlich das Rampenlicht – und die wissen es zu nutzen. Weckerlin bringt gleich zum Einstand „Das bin ich“ aus Die Päpstin und entschädigt in diesen vier Minuten bereits für das monatelange Warten auf den Ersatztermin. Was für eine Stimmwucht, was für eine Präsenz, was eine Ausstrahlung. Büttner steht ihr hier in nichts nach, entscheidet sich aber für einen etwas unscheinbareren Einstieg. Dafür gibt es im Anschluss kein Halten mehr: „A Whole New World“ (mit Weckerlin), „Gethsemane“ und sogar „Waving Through A Window“ aus dem Musical Dear Evan Hansen. Ein Best-Of der Karriere und Musicalwerke allgemein. Wenn diese teils irrsinnig schweren Stücke jemand singen kann, dann wohl Philipp Büttner mit seiner unschlagbar glasklaren und schier perfekten Popstimme. Weckerlin gewinnt die Herzen des Publikums dagegen mit einer Eigenkomposition: „Papa’s Mädchen“. Das Lied über ihren Vater trägt sie mit entwaffnend emotionaler Intensität vor, sodass sicherlich nicht nur eine Träne im Publikum fließt. Irre!

Doch dieses Format lebt nicht nur vom reinen Konzertformat, von den großen Stimmen und großen Melodien. Hier geht es eben auch darum, die Personen hinter dem Mikrofon ein wenig kennenzulernen. Und da haben Seibert und Stanke bereits einige Übung sammeln dürfen, um diese nun in den kurzen Interviewblöcken einzeln oder gemeinsam anzuwenden. Aber sowohl Büttner, der offen und sympathisch ein paar Anekdoten erzählt, als auch Weckerlin, die in ihrer quirlig-offenen Art das Münchner Publikum sofort für sich gewinnt, wissen auch von sich aus vieles zu erzählen. Gerade Weckerlin und Seibert, die bereits seit über 15 Jahren gemeinsam die Bühne teilen, sprudeln vor Harmonie, wobei vor allem die Sängerin keine Möglichkeit ungenutzt lässt, die Fitnessstudio-Besuche oder Merchverkäufe von Seibert mit Neckereien einzubinden.

© Heiko Roth

Zum Ende hin haben die beiden Gaststars noch ihre Tradition, sich je einen Song vom anderen zu wünschen und diesen vorzutragen. Philipp Büttner darf mit „Gethsemane“ aus Jesus Christ Superstar seine gesamte Stimmvielfalt beachtlich präsentieren und wird dafür mit stehenden Ovationen belohnt. Nicht weniger schnell stehen die Münchner*innen bei Sabrina Weckerlins Song auf, und verwunderlich ist das wenig: „Lass jetzt los“ aus Die Eiskönigin, was sie derzeit in Hamburg als Elsa spielt. Eigentlich wollte sie es gar nicht singen, aber Büttner habe seinen Wunsch für die Freuden des Publikums geopfert. Eine gute Sache, denn wenn eine Person diesen Song für sich schon vor ihrem Elsa-Casting verinnerlicht hat, dann Weckerlin – viele ihrer Kolleginnen singen das Lied zwar nicht unbedingt schlechter, aber bei keiner anderen Person ist so viel Ausstrahlung und Aussagekraft im Spiel. Ein Erlebnis! Gegen 22:15 Uhr findet der Abend aber doch sein Ende und das Vierergespann verabschiedet sich mit einer Zugabe. Das Gastspiel aus 2021, wovon wir berichteten, wurde schier problemlos nochmal übertrumpft. Hut ab!

Bericht: Ludwig Stadler

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert