Es war ein kleiner Aufschrei, als Sunrise Avenue Anfang Dezember 2019 ihr Lied „Thank You For Everything“ veröffentlichen und damit auch gleich bekannt geben, dass sie sich auflösen und sie nur noch eine abschließende Tour im kommenden Frühjahr spielen werden. Die Pandemie hat dann immerhin dazu geführt, dass sich die Fans etwas länger mit dem Gedanken anfreunden können, diese Gruppe aller Voraussicht nach nie wieder auf einer Bühne zu sehen, aber auch der längste Aufschub ist irgendwann vorbei. Die finalen vier Konzerte beginnen mit den beiden München-Gastspielen am 14./15. September 2022 in der Olympiahalle. Wir waren am ersten Tag dabei.
Zuerst darf Cyan Kicks aber die eintrudelnde Fan-Menge beschallen. Die Band um Sängerin Susanna Alexandra weiß mit „The Flood“ und „Wish You Well“ gleich flott loszulegen, selbst wenn der Sound noch nicht aus allen Boxen der Arena tönen darf. Die Musizierenden stört das wenig – sie spielen freudig, das Publikum nimmt die poppigen Töne mit E-Gitarre dankbar an und scheint bei jedem Lied mehr Freude zu entfachen. Dennoch bleibt der Auftritt der Finnen blass – die Effekte aus der Büchse nehmen Überhand, der Gesang hat etwas zu viele Effekte und auch insgesamt klingt das alles recht plastisch und wenig überzeugend. Mit reichlich Applaus wird das vierköpfige Gespann dann aber doch nach rund 35 Minuten entlassen.
Setlist: The Flood / Wish You Well / See The Light / Rockabye (Clean Bandit cover) / Feathers / Invincible / Someone Like You / Gasoline / Hurricane
Sunrise Avenue lassen nicht zu lange auf sich warten und halten sich pünktlich an den Zeitplan – um 20:30 Uhr geht das Licht aus, kurz danach stehen sie auf der Bühne und tönen gleich ihren neuesten Abschiedssong. Um die Reise aber chronologisch zu beginnen, wird direkt danach zu „Choose To Be Me“ gewechselt, einer der ersten Singles der Finnen und auch Bestandteil ihres Debüt-Albums „On The Way To Wonderland“, welches vor über 16 Jahren erschien. In dieser Zeit ist viel passiert, die Bandmitglieder haben zum Großteil bereits das 40. Lebensjahr überschritten und auch das Publikum ist gemischt, aber – mit Ausnahme von Familienkindern – nicht jünger als Mitte 20. Es ist das bisschen Nostalgie, das man in dem Alter eben haben kann, und vielleicht für viele auch die erste Band aus ihrer Kindheit und Jugend, die sich nun auflöst.
Dabei gestaltet sich der Bühnenaufbau simpel, aber wirksam – eine große LED-Leinwand, ein kaum benutzter Steg und bei den Lautsprechern noch einmal ein LED-Streifen. Das alles ist stimmig, untermalt die rund 130 Minuten lange Show gut und ist, wie man schnell erkennt, auch ein perfekt eingespieltes Konzept. Frontmann und Aushängeschild Samu Haber ist nicht der große Entertainer, er möchte singen, spielen und seine Songs zum Besten geben, aber nicht unbedingt die großen Ansprachen halten, daher reduziert er sie auf ein Minimum und bedankt sich in erster Linie sehr viel – für die jahrelange Treue, für das Erscheinen. Und dann widmet er sich wieder den zahlreichen Tracks auf der Setlist. Insgesamt liegt der Fokus zwar wieder auf dem aktuellsten Album „Heartbreak Century“, im Gegensatz zum Auftritt 2018 auf dem Königsplatz stört es aber dieses Mal weniger, weil sich rockige, ältere Nummern die Waage halten mit den Folk-Pop-Stücken, die sich auf dem 2017er-Werk tummeln. So richtig fesselnd über die gesamte Spielzeit gestaltet sich das alles zwar dann auch nicht, aber dennoch ist eine riesige Steigerung zum letzten, wenig begeisternden München-Konzert, über das wir berichteten, zu erkennen.
Um 22:10 Uhr verabschieden sich die fünf Herren erstmals von der Bühne, um mit einem ausführlichen Keyboard-Solo und dem anschließenden finalen Zugabenblock die Endphase einzuläuten. Noch einmal „Fairytale Gone Bad“, noch einmal die heimliche Band-Hymne „Wonderland“, ein letztes Mal „Hollywood Hills“. Haber und seine Kollegen saugen jeden Moment auf, nutzen jede gespielte Minute, bevor sie glückstrunken gegen 22:40 Uhr das Feld räumen und das jubelnde Publikum zurücklassen. Am Tag drauf folgt die Wiederholung, aber dann stehen nur noch zwei Konzerte auf dem Plan, bevor die Auflösung unausweichlich ist. Danke für die Musik, macht’s gut!
Setlist: Thank You For Everything / Choose To Be Me / Unholy Ground / Heartbreak Century / Beautiful / Afterglow / Forever Yours / I Can Break Your Heart / Lifesaver / Home / Hurtsville / I Help You Hate Me / Little Bit Love / Never Let Go / Welcome To My Life / Stormy End / Question Marks / Point Of No Return / Nothing Is Over – Zugaben: Fairytale Gone Bad / Wonderland / Hollywood Hills
Bericht: Ludwig Stadler