Schnell und multimedial – Lehman Brothers im Residenztheater

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Lehman Brothers? Das war doch die Firma, die maßgeblich Schuld an der Finanzkrise 2008 trägt? Deren Insolvenz-Anmeldung die Finanzwelt ordentlich ins Wanken brachte? Mit dem Gedanken haben sicherlich einige das Theaterstück „Lehman Brothers. Aufstieg und Fall einer Dynastie“ im Residenztheater besucht, so auch heute am sonnigen Nachmittag des 21. Mai. Der Max-Joseph-Platz ist belagert von aberhunderten Touristen, direkt nebenan im Nationaltheater ist die Premiere von Wagners „Tannhäuser“ – es herrscht reges Treiben. Umso überraschender war es dann, dass sich reges Treiben auf der Bühne fortsetzte, denn schon Minuten bevor das Stück tatsächlich losging, stellten die Darsteller einen Büro-Alltag dar und redeten wild durcheinander. Beim offiziellen Beginn änderte sich das Bild daher nicht, nur der Fokus des Publikums auf die Bühne hat sich vergrößert.

Was genau das Anfangsszenario in Stefano Massinis Stück nun sein soll, wird bis zum Schluss nicht recht klar. Insgesamt scheinen einige Mitarbeiter eines Büros die historische Geschichte der Firma Lehman Brothers darzustellen, angefangen mit der Auswanderung Henry Lehmans nach Alabama und die Gründung im Jahr 1850. Gestartet mit dem Verkauf von fertiger Baumwolle, beginnt man schnell als Mittelsmann zwischen Anbau und Produktion zu fungieren und mit wachsendem Erfolg immer weiter in andere Projekte zu investieren. Ihr Ende fand die Geschichte dabei nicht, wie man erwarten kann, bei der Insolvenz von Lehman Brothers 2008, sondern bereits beim Verkauf im Jahr 1977 – denn zu diesem Zeitpunkt war die Firma kein Familienbetrieb mehr und damit nicht mehr relevant für das Stück, welches sich hauptsächlich für die innerfamiliären Beziehungen und der Verknüpfung interessiert.

Das Ensemble, gerade einmal sechsköpfig, überzeugte mit einer wahnsinnigen Qualität, die ihr Spiel an den Tag legte. Auf einen Fokus von Einzelnen wird bewusst verzichtet, da auch beim Stück kein Fokus auf Einzelne gelegt wurde. Jeder hatte große Momente, sei es in kurzen Nebenrollen oder in der eigentlichen Hauptrolle, denn jeder Darsteller übernahm zeitweise einen der historischen Lehman-Figuren. Die übrige Bandbreite von wiederkehrenden Geschäftspartnern, Ehefrauen und Mitarbeitern wurde, all diese Rollen werden ebenfalls von den fünf männlichen und der einen weiblichen Schauspielerin übernommen – oftmals ohne Kostümwechsel, sodass ein wachsames Zusehen unbedingt nötig war.

Erwähnenswert ist auf jeden Fall der mediale Einsatz. Auf eine riesige Leinwand am Ende der Bühne wurden durchgehend Motive und Bilder projiziert, die teilweise damit gebrochen wurden, dass live auf der Bühne vor Green Screen gefilmt und in das Leinwand-Bild eingefügt wurde – zwar ist das Ergebnis noch etwas ausbaufähig, aber allein die Idee grandios. Auch hat man einen Hausbrand clever mit einem kleinen Modell dargestellt, ebenfalls wieder gefilmt; durch die Leinwand entstand dadurch ein gut sichtbares Bild, was jeder im Saal mit Spannung verfolgen konnte. Der mediale Einsatz wurde mit der Zeit weniger, ebenso die Klarheit, dass ein Büro-Team die Geschichte nachspielt. Man tauchte immer tiefer hinab in die Historie, bis letztendlich alle Utensilien, die am Anfang auf der Bühne standen, verschwunden waren.

Eine schöne Balance gab es vor allem an den diversen Elementen, mit denen gespielt wurde. Neben erschreckend ernsten und düsteren Abschnitten wurde es teils unfreiwillig komisch mit Humor, der in seiner minimalistischsten Art und Weise funktionierte – mit Mimik, Gestik und skurrilen Verkleidungen. Der unübersichtliche Beginn mit der unerwarteten Geschwindigkeit des Storytelling mag anfangs womöglich abschreckend erscheinen, wurde aber bald zur Routine, sodass man zwar aufmerksam immer dabei sein musste, aber leichter die Möglichkeit hatte, der Handlung zu folgen. Dann bekommt man in jedem Fall einen interessanten Einblick in die Historie der Lehman Brothers geboten – in Form einer multimedialen Theater-Inszenierung mit einem großartigen, sechsköpfigen Ensemble.

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