Was wurde in den vergangenen Wochen nicht schon alles über das Areal in der Messe Riem berichtet, auf dem nicht nur Andreas Gabalier ein beachtliches Konzert gegeben hat, sondern auch Helene Fischer mit unfassbaren 130.000 Menschen die größte Show ihrer Karriere abgeliefert hat? Das goldene Finale bietet nun auch ein internationaler Superstar, der am 27. August 2022 rund 90.000 Besucher*innen in den Münchner Außenbezirk lockt: Robbie Williams. Damit spielt er das erste Mal seit 2003 nicht im Olympiastadion, sondern wagt den Schritt auf eine noch größere Bühne vor eben noch mehr Menschen. Kann das klappen?
Weitläufig gestaltet sich der erste Streifzug über das Gelände, aber auch ruhig und gut organisiert – niemand ist aufgebracht, es herrscht eine entspannte Stimmung. Das Publikum befindet sich zum Großteil in den 40ern und 50ern, nicht wenige haben extra T-Shirts anfertigen lassen: „Robbie 2022“, „Mrs. Williams“. Die Passion für den Künstler sieht man nicht zuletzt mit Blick auf das Bühnengelände. In vier Stehkategorien teilt sich der Bereich, dahinter eine Sitztribüne für 30.000 Zuschauer*innen. Während die hinteren Stehbereiche noch leer sind, ist der Platinum-Bereich direkt vor der Bühne schon beachtlich voll – kein Wunder, dürften hier doch die größten Fans dabei sein, die teils bereits seit dem Vortag vor dem Gelände campen, um ihrem Idol so nahe wie möglich sein zu können. Leer ist einzig noch die Mitteltribüne – die VIP-Tribüne.
Wenig verwunderlich, denn wer sich den Luxus einer VIP-Karte für rund 600€ gönnt, hat Zutritt zu einer extrigen Messehalle, in der es ein ausführliches Essenscatering von Käfer gibt, ebenso dauerhafte Getränkeversorgung und unzählige Mitarbeiter*innen, die sich um das Wohlbefinden kümmern. Eine Parallelwelt in der Parallelwelt des Konzerts an sich. Doch auch hier: überall freundliche Menschen, astreine Organisation – von Trubel und Unzufriedenheit keine Spur. Auch das Wetter passt sich der gelassenen Stimmung an, lässt sogar gelegentlich etwas Sonne herauskrabbeln und hält den Regen zurück – erst bei „Angels“, dem letzten Song des Abends, beginnt es zu tröpfeln.
Bis es soweit ist, ist reichlich Programm geboten, denn nebst der unzähligen Essens- und Getränkestände spielt zuerst um 17:30 Uhr der Singer/Songwriter Josh Savage, anschließend gegen 18:30 Uhr das DJ-Duo Lufthaus, denen Williams einen Song lang auch seine Stimme geliehen hat (für einen kurzen Gast-Live-Auftritt kommt er aber nicht auf die Bühne). Auch wenn es damit zeitweise eher Gemeinsamkeiten mit einem eigenwilligen DJ-Clubbing-Nachmittag hat, unterhält es die wartende Menge dennoch recht gut mit Mash-Ups bekannter Klassiker. Nur die letzte Etappe gestaltet sich zäh: erst 20:20 Uhr beginnt das Intro zum wesentlichen Auftritt des Abends. Der lässt dann aber nicht mehr allzu lange auf sich warten und prompt steht Robbie Williams auf der Bühne und brettert „Let Me Entertain You“ in sein Mikrofon.
Ein wenig schmunzeln konnte man am Anfang schon, denn selbst wenn die Größe eines Robbie Williams durchaus zur Tauglichkeit der Riesen-Venue beiträgt, tut es seine Spielzeit weniger – selten ist ein Konzert von ihm länger als 100 Minuten. Doch der Brite sieht die Relevanz und Größe des „One Show & One Night Only“-Events, stockt seine Setlist um etliche Klassiker auf und geht nach satten zwei Stunden von der Bühne. So muss es auch sein, denn die Hitdichte ist riesig und selbst in dieser Länge folgt nur ein Radio-Smasher nach dem anderen. In der mittlerweile 27 Jahre langen Solo-Karriere gab es, nun in der Retrospektive, wohl doch mehr Glanzmomente als dunkle Abgründe, zumindest musikalisch, wenngleich auch nicht immer menschlich, bedenkt man die etlichen Drogengeschichten um den Superstar. Genau die haben ihn aber auch letztendlich bei Take That so bekannt gemacht – und als Solo-Artist nur noch einmal bekannter.
Doch kommt da jetzt eigentlich Stimmung auf in dieser Menschenmasse? Die Antwort wäre wohl: Jein. In den vorderen Stehbereichen ist das Gegröle und Gejohle groß, hier scheint die große Robbie-Liebe vollends zu siegen, doch in den hinteren Bereichen ist das Aufstehen auf der Tribüne schon das höchste der Gefühle. Etwas schade, denn sowohl die Songs als auch Williams selbst geben ihr Bestes, um die Masse bestmöglich zu unterhalten und mit der gewissen Portion Narzissmus auch bei Laune zu halten. Was aber definitiv in den hinteren Reihen ankommt, ist die übergroße, wuchtige Show, die auf der 150 Meter langen und eigens für die drei Messe-Shows konzipierten Bühne aus allen Rohren schießt; die sorgt für eine großartige Lichtshow nebst wunderbarem Sound. Auch nach all diesen Jahrzehnten und selbst mit fast einem halben Jahrhundert auf dem Buckel: er hat sie noch, diese Ausstrahlung, die tausende, vorrangig weibliche, Fans an diesem Münchner Abend laut jubeln lassen.
Setlist: Let Me Entertain You / Monsoon / Land Of 1000 Dances (Chris Kenner cover) / Candy / Come Undone / Better Man / Eternity / The Road To Mandalay / Sweet Caroline (Neil Diamond cover) / Something Stupid (Carson and Gaile cover) / No Regrets / Love My Life / Supreme / Tripping / Millennium / Hot Fudge / Kids / Feel / Rock DJ – Zugaben: Lost / She’s The One (World Party cover) / Angels
So verschont wie das Konzert blieb, so nass gestaltet sich dann doch die Abreise – nach Konzertende um 22:20 Uhr tröpfelt es erst, dann mündet es im Regen. Die Besucherströme ziehen zu Shuttle, U- oder S-Bahn, die VIPs wandern gen Dessertbüffet, nur einige hartgesottenen Robbie-Fans warten fleißig hinter der Bühne, ob er sich nicht doch noch einmal kurz blicken lässt. Ein dreiteiliges Megaprojekt geht zu Ende – mit einem definitiv äußerst gelungenem dritten Akt. Chapeau!
Bericht: Ludwig Stadler