Sprachen machen Leute – My Fair Lady im Gärtnerplatztheater

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Schon wieder „My Fair Lady“? Das mag sich sicherlich der eine oder andere gedacht haben, als das Gärtnerplatztheater ihr Programm für die Spielzeit 2017/2018 bekanntgegeben hat, der Spielzeit, die endlich wieder im frisch renovierten Theater am Platz stattfinden kann. Andererseits war so ein Klassiker nur konsequent, denn während man mit „Die lustige Witwe“ beispielsweise einen Operetten-Klassiker präsentierte, so durfte auch ein Musical-Hit nicht fehlen, der selbst nach all den Jahrzehnten immer noch unsterblich ist. Und so ganz innovationslos war die Inszenierung von Intendant Josef E. Köpplinger nun auch nicht, denn es wurde bereits groß betitelt: Das Kult-Musical auf Bayerisch!

© Marie-Laure Briane

Zu der Story dürfte man nicht mehr viel sagen müssen. Wer das Lerner/Loewe-Musical nicht immerhin irgendwo im Ansatz kennt, sei es durch den populären Nachfolger-Film oder durch die zeitlosen Lieder wie „The Rain In Spain“ und „Get Me To The Church On Time“, hat wohl die letzten Jahrzehnte in dieser Szene verschlafen. Professor Higgens geht mit seinem ebenbürtigem Bewunderer Oberst Pickering die Wette ein, aus der Blumenverkäuferin von der Straße, Eliza Doolittle, eine Lady zu machen – innerhalb von sechs Monaten. Higgens ist dabei als Phonetiker der festen Überzeugung, dass Stand und Ansehen allein von der Sprache abhängen – und scheitert schnell an seiner eigenen Ideologie.

© Marie-Laure Briane

Michael Dangl und Nadine Zeintl als Higgens und Eliza harmonieren wunderbar und spielen, jeder für sich individuell, aber auch gemeinsam, immens stark und aussagekräftig. Gesanglich können beide allerdings wenig glänzen, was auch mit an den bedauerlicherweise wieder einmal zu leise eingestellten Microports liegt.
Absolute Highlights sind definitiv Friedrich von Thun als Oberst Pickering und Robert Meyer als aufgedrehter Alfred Doolittle, Vater von Eliza. Beiden Darstellern merkt man die lange und intensive Erfahrung als Schauspieler sofort an – gekonnt ziehen sie die Zuschauer sofort in den Bann ihres Spiels, sodass man sich mehr aufgrund deren Authentizität im Stück angekommen fühlt als aufgrund des Bühnenbilds.

Köpplinger setzt seinen Hang zu klassischen Inszenierungen fort und landet auch dieses Mal ein ziemlich gelungenes Gesamtbild, wenngleich auch die Ortswahl von London weniger sinnvoll ist, befasst man sich im gesamten Stück doch mit sprachlichen Tricksereien des Deutschen – womöglich auch von der Textfassung verpflichtend vorgeschrieben. Rainer Sinells Bühnenbild orientiert sich dabei genauso an die klassischen Grundzüge, endet dabei zwar hochwertig gestaltet, aber auch ein wenig blass und uninspiriert. Ganz im Gegensatz zu Köpplinger. Ihm gelingt es, das schon etwas aus der Zeit gefallene Setting trotz Werktreue frisch und mitreißend zu inszenieren – zu keiner Zeit kommt der Anschein auf, einfach aus gemütlicheren Gründen die klassische Variante zu wählen, sondern aus Überzeugung, dass man nichts modernisieren muss, wenn das Stück noch modern genug ist. Im Prinzip ein richtiger Weg – letztendlich scheitert die Inszenierung an viel primitiveren Gründen.

© Marie-Laure Briane

Die „bayerische“ Version dürfte für viele der ausschlaggebende Punkt gewesen sein, sich das allgemein bekannte Musical noch einmal anzusehen. Um es kurz zu machen: diese Variante ist absolute Themaverfehlung. Zeintl und Meyer als die beiden Doolittles, also die beiden Verfechter des Dialekts mit den größten Sprechanteilen, sind Wahl-bzw. waschechte Österreicher und vor allem bei ersterer, die ja die ultimative, bairisch sprechende Hauptrolle sein sollte, ist nur ununterbrochen der starke, österreichische Dialekt hörbar. Das ist weder störend noch schlecht verständlich, denn bekanntermaßen liegen die beiden Dialekte nicht weit auseinander, aber eben kein Bairisch. Vielleicht sollte man sich dessen bewusst sein, damit es nicht zu Verwirrungen kommt. Mit dem Versprechen einer bairischen Fassung stimmt das auf der Bühne leider wenig überein.

Das alles lindert aber nicht den wirklich großen Spaß, den man im Theater haben dürfte, allen voran in der Abschlussszene vor der Pause, während des Pferderennens in Ascot. Wer sich hier nicht lautstark lachend amüsiert, hat wahrlich keinen Sinn für Humor, denn so viel Situations- und Sprachkomik auf einmal erwartet den Besucher selten. Ein gelungener Theaterbesuch, ohne Frage. Der Abstriche bzw. Änderungen sollte man sich aber unbedingt im Voraus bewusst sein.

Bericht: Ludwig Stadler
Vorstellung: 15. Februar 2018, zweite Vorstellung

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