Miami Ultras – Yung Lean in der Theaterfabrik

Es ist wie bei einem Metal-Konzert: Schon von weitem erkennt man die Leute, die dasselbe Wegziel haben wie man selbst, an diesem 27. November: Die Theaterfabrik. Statt schwarzem Leder und langen Männerhaaren gibt es an diesem Abend eine Melange aus schwarzen The North Face-Jacken, bunt gescheckten Frisuren und sonstigem betont anti-konformem Auftreten zu sehen, denn (ehe Morbid Angel und eine Woche später Gaahl in town sein werden, muss man sich noch ein paar Tage gedulden) heute gehört die Bühne Yung Lean. Das will man sich doch nicht entgehen lassen, schließlich beehrt das schwedische Internet-Rap-Phänomen München zum ersten Mal. So mag sich auch mancher eingefunden haben, der Yoshi City eigentlich schon den Rücken gekehrt hat.

Dass the original Hustensaft-Jüngling aber tatsächlich mit ganz echter, unironischer Spannung erwartet wird, beweist die gedrängte Tatsache, dass man, ehe ab 19:00 Uhr der Vorprogramm-DJ sein größtenteils egales und ignoriertes Programm abspult, in relativer Bühnennähe nicht mehr umfallen, geschweige denn, sich frei bewegen kann. Nach einer halben Stunde entfernt sich der DJ und neben einem würzigen Geruch (wo mag der nur herkommen?) breitet sich Vorfreude und Bewegung aus: Während man eine weitere halbe Stunde warten muss, ehe sich Yung Lean und seine beiden DJs, Yung Sherman und Yung Gud einstellen, bringt sich die Menge zum vom Band gespielten Standard-Rap-Reportoire (XXXTentacion u.a.) in Turn up-Stimmung.

Die auch die nächste gute Stunde nicht von ihr weichen wird: Denn so lang wärt das Lean’sche Programm, bis sich der „Yellowman“ mit dem gleichnamigen Song verabschiedet und das Publikum, ohne sich um eine mögliche Zugabe zu scheren, erschöpft und verschwitzt der Garderobe entgegenflutet. Nein, das Party Program, das Yung Lean zu bieten hat, es wird keineswegs refused. Selbst die eher ruhigen, exzentrisch-balladesken Songs des neuen Albums „Stranger“ kommen gut an, werden eifrig mitgesungen und mit vielen Feuerzeugen beschwenkt. Nicht zuletzt hat man hier doch auch Gelegenheit, etwas zu Atem zu kommen, denn während der nicht wenigen Klassiker, auf die Yung Lean und seine Crew zurückblicken können, ist Eskalation geboten: Beim Mash-up aus „OreoMilkShake“, „Hurt“, „Ginseng Strip 2002“, „Ghosttown“ und „Yoshi City“ gibt es kein Halten mehr, als zweite Parallele zu Metal-Konzerten sei vergnügliches Engtanz-Moshen erwähnt.

© Fredrik Andersson

Stichwort zurückblicken: Auf die drei Musiker hinzublicken fällt durchaus nicht leicht: Die DJs bleiben während des gesamten Sets im totalen Hintergrund; da an
Kunstnebel alles andere als gespart wird, sind sie zumeist auch praktisch unsichtbar. Auch Yung Lean selbst, der am Bühnenrand wie ein etwas schwerfälliger Sandgeist umherteufelt, bleibt meist eine Silhouette, von der nicht mehr als ihre Stimme greifbar wird. Dafür ist an dieser nichts auszusetzen. Völlig auf sich allein gestellt (Backup-Rapper Bladee ist nicht mit von der Partie) steuert Lean souverän und ohne stimmliche Ausfälle durch seine Songs, er scheint fokussiert, beschränkt sich auf wenige ans Publikum gerichtete Worte. Es gibt keinen Skandal, dafür einen Künstler, der wie es scheint, in die Rolle eines routinierten Performers hineinwächst, dem die Gewalt über sich selbst und über das Publikum zu keiner Zeit abhanden kommt.

Setlist: Muddy Sea / Skimask / Drop It / Scooter / Afghanistan / Fantasy / Metallic Intuition / Diamonds / Hennessy & Sailor Moon / Red Bottom Sky / OreoMilkShake / Hurt / Ginseng Strip 2002 / Ghosttown / Yoshi City / Iceman / Silver Arrows / Miami Ultras / Fallen Demon / Kyoto / Agony / Yellowman

Fazit: Yung Lean hat sich München gezeigt, vielleicht nicht offenbart, aber
mitnichten enttäuscht.

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