Kreischen erwünscht – „Boybands Forever“ im Deutschen Theater (Theaterbericht)

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„Die Zeit der Boybands ist vorbei“ – diese Aussage ist einerseits absolut richtig. Andererseits zeigen manche Events, dass es noch abertausende Fans dieser Musikrichtung, dieses Produkts, gibt. Ein schillerndes Beispiel hierfür war die Weltpremiere von „Boybands Forever“ am 04. Oktober 2017 im Deutschen Theater München. Die Show rund um Boybands, deren Hits, deren Konzept, hat schon im Vorfeld Etliche interessiert aufblicken lassen – nach gefühlt ewiger Zeit war es nun soweit und die Show feierte langersehnte Premiere. Der Saal war gut gefüllt, die Münchner Prominenz vor Ort, sogar teilweise darüber hinaus: die Boygroup Caught In The Act, in den 90ern einer der größten Vertreter ihres Genres, war ebenso persönlich vor Ort und sollte später noch für eine Überraschung sorgen. Davon ahnten die Gäste aber anfangs noch nichts, als sie ihren Platz im Saal einnahmen.

Mit der obligatorischen Verspätung von wenigen Minuten begann das Programm etwas nach 19:30 Uhr und überraschenderweise, nach einem kurzen Video-Einspieler, nicht direkt mit den Hits, sondern mit der Eröffnung durch Moderator Ole Lehmann. Der Wahl-Berliner-Comedian übernahm die Rolle des Durch-den-Abend-Führers, und bereits vorab: ohne ihn wäre der Abend nur halb so grandios geworden. Mit pointierten Witzen, guten Kontern auf Rufe aus dem Publikum und einer tatsächlich großen Ausstrahlung witzelte sich Lehmann sympathisch durch das Programm, baute Hintergrundinfos passend in das Konzept ein und hielt im Publikum durchgehend die Laune. Dabei waren manche Ansagen so gekonnt, manche Aussagen so clever und manche Sprüche so erfrischend, dass die Moderation bereits zu Beginn der heimliche Star des Stücks war, zudem Ole Lehmann im weiteren Verlauf noch des Öfteren seine Ausbildung zum Musicaldarsteller auch gesanglich zur Schau stellte – sehr erfolgreich, wohlgemerkt.

Das Konzept der Show: sich Zeit lassen. Nach der Vorstellung kommt erst einmal eine einzelne Vorstellung der Boyband-Charaktere, anschließend werden diverse Etappen einer Boyband-Karriere durchlaufen. Dieses Konzept und dieser rote Faden, zusammengehalten von Moderator Lehmann, war ein kleiner Geniestreich von Dramaturg und Regisseur Thomas Herrmanns, seines Zeichens deutscher Entertainer und Leiter des „Quatsch Comedy Club“. Nachdem man sich als fast blinder Kartenkäufer sowieso wenig darunter vorstellen konnte, wurde so für jedermann gut nachvollziehbar alles eingebunden, sodass auch Nicht-Fans einen interessanten Abend verbringen konnten – es ist allerdings doch sehr zu empfehlen, als mindestens Interessierter der Musik die Show zu besuchen, denn ja: Mitsingen, Kreischen, Grölen, Brüllen – alles war nicht nur erlaubt, es war sogar erwünscht. Das Publikum ließ sich nicht zweimal bitten, es kam der Erlaubnis liebend gerne nach. Allgemein galt, wie sonst auch: desto bekannter der Song, desto eskalativer die Schreie.

Die Boyband selbst ist eine aus fünf Darstellern zusammengecastete Supergroup – und das im wortwörtlichen Sinne, denn das Zusammenspiel von glasklaren, zielsicheren Gesang und atemberaubenden, ausgeklügelten Dance-Moves, choreographiert von einem Meister seines Fachs, Marvin A. Smith, war grandios und bis zur letzten Sekunde „on point“. Die verschiedenen Typen haben deshalb funktioniert, weil sie anfangs lang und intensiv eingeführt und vorgestellt wurden. Da wäre beispielweise der perfekte Schwiegersohn und heimliche Anführer „Sunshine John“, gespielt von Josh Randell; alternativ auch „Sweetheart Sasha“, dargestellt von Robbie Culley, andernfalls auch noch David Lei Brandt als „Bad Boy Lucian“, letztendlich der Robbie Williams der Truppe. Die äußerlich stärksten Blickfänge waren allerdings definitiv „Fitboy Rik“ (Chris Haul) und, ganz schlicht, „der Fünfte“ (Hector Mitchell-Turner), den man irgendwie immer aufgrund der anderen Erscheinungen gerne mal vergisst. In dieser Show wurde allerdings dem „Fünften“ etwas Tribut gezollt – Mitchell-Turner avancierte innerhalb der Show zum überzeugendsten der fünf Darsteller. Insgesamt, so abgedroschen wie das klingen mag, waren Schauspiel, Gesang, Tanz und Wirkung allesamt großartig, die Harmonie hat gepasst, das Boyband-Feeling kam dementsprechend rüber.

Musikalisch war es, wie erwartet, eine wilde Reise durch die Boyband-Historie. Neben Klassikern der Backstreet Boys („As Long As You Love Me“, „Quit Playing Games With My Heart“, „Everybody“, „I Want It That Way“ etc.), Take That („Relight My Fire“, „Back For Good“ etc.), *NSYNC (u.a. „Bye Bye Bye“) und New Kids On The Block (u.a. „Step By Step“) gab es auch ein Medley von der Boyband-Sensation aus den jüngeren Jahren, One Direction („What Makes You Beautiful“, „Story Of My Life“) und ebenso etliche Lieder von Boyzone, Wildlife, Blur etc. – die Liste ist und war lang und ebenso (fast) vollkommen unvollständig, bedenkt man die Hits. Ein besonderer Moment, wie schon anfangs erwähnt, kam dann gegen Ende der Show: Caught In The Act performten einen Song live auf der Bühne, nämlich ihren Hit „Love Is Everywhere“ – sehr amüsant hierbei zu sehen, wie auch sie eine feste Choreo tanzten und letztendlich zu 100% das erfüllten, was in den vorhergegangenen zwei Stunden zu sehen war.

Insgesamt bleibt nur zu sagen, dass die gesamte Show absolut fantastisch gewesen, von Schauspieler bis Live-Band agierten alle perfekt, die Lichtshow war großartig, die Liederauswahl mitreißend und die Darstellerwahl schlichtweg perfekt. Wenngleich man doch zugeben muss: der Augenmerk der Show liegt definitiv nicht nur auf der Musik, sondern neben den humorvollen Aussagen auch sicherlich auf dem äußerlichen Erscheinungsbild der Sänger, was die größtenteils weiblichen Besucher sicherlich nicht stören dürfte. Eine ganz dringende Empfehlung, sich eine Vorstellung bis zur Derniere am 15. Oktober anzusehen – ein derart fantastisches Show-Erlebnis findet man selten.

TICKETS für die Folgevorstellungen gibt es HIER.

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